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Totentanz der Aktionäre

Mit dem Berliner „Goya“ schließt nicht irgendein Hauptstadtclub. Das ehrgeizige Projekt wolltedas Modell der solidarischen Genossenschaft im Nachtleben umsetzen. Warum es scheitern musste

Im Hinterzimmer des Clarion Hotels am Berliner Lützowplatz findet eine Trauerfeier der besonderen Art statt. Das Goya ist tot. Die Trauergemeinde trägt Notizblock und Mikrofon, die Stimmung ist locker bis albern und statt des üblichen Leichenschmauses gibt es nur kalte Getränke. Einzig die drei Herren am Rednertisch bemühen sich, doch ein bisschen Friedhofsstimmung aufkommen zu lassen: „Wir haben wirklich alles getan“, seufzt der linke und faltet die Hände. Sein Nebenmann ergänzt mit feierlicher Miene: „Es war ein ehrgeiziges und schönes Projekt, aber als Konzept nicht tragfähig.“ Der Dritte bleibt stumm und schaut bekümmert auf ein Blatt Papier.

Club mit Stararchitektur

Das Papier der Insolvenzverwalter ist der Totenschein für das Großprojekt Goya, das nach nur fünf Monaten Lebenszeit zu Grabe getragen wird. Am 1. Mai eröffnete am Amtsgericht Charlottenburg das Insolvenzverfahren gegen den Edel-Nachtclub Goya, der erst im November in die aufwändig umgebauten Räume des ehemaligen Metropol-Theaters am Nollendorfplatz gezogen war. Die Gründe: zu wenig Einnahmen, zu viele Schulden, mangelhafte Feuerschutzvorkehrungen und ein Konzept, das am eigenen Größenwahn scheiterte. Stararchitekt Hans Kollhoff baute das mondäne säulenbewehrte Interieur, das auf 2.600 Quadratmetern Restaurant, Bar, Disco und Vereinsheim für die beteiligten Aktionäre bieten sollte. Doch der Riesenclub, der pro Wochenende 4.000 Gäste gebraucht hätte, um zu überleben, ging bereits im März pleite.

Begraben wird jetzt nicht nur ein größenwahnsinniger Amüsierbetrieb, sondern auch ein Gemeinschaftsprojekt, das nach dem Vorbild solidarischer Genossenschaftsprojekte der Sechzigerjahre funktionieren sollte. Rund 2.700 Aktionäre wollten sich mit dem Goya den Traum vom eigenen Club erfüllen. Als so genannte Goyaner zahlten sie zwischen 1.980 und 3.960 Euro Anteil, um „im eigenen Club trinken, essen und tanzen und als Miteigentümer eine ordentliche Jahresausschüttung zu erwarten“ – so die Werbung von Goya-Erfinder Peter Glückstein.

Ein eigener Club und nie wieder Stress mit dem Türsteher, für dieses Versprechen auf lebenslange Selbstdarstellung machten Berliner Promis wie Rolf Zacher oder Muriel Baumeister insgesamt 7,5 Millionen Euro locker. Ihre Mitgliedschaft prägte den Ruf des Goya als exklusiver Schicki-Club. Aktionäre wie Frank Wiebe gingen unter.

Langzeitstudent mit Aktie

Der Rentner mit der Lederhose und dem Holzfällerhemd wohnt als einziger Aktionär der Beerdigung bei. Ein Schicki ist der Mann, der bis letztes Semester noch eingeschriebener Student war und in einer WG lebte, nicht. Champagner und die Anwesenheit prominenter Menschen bewegten ihn nicht, Goyaner zu werden. Er erträumte sich etwas anderes: „Bei anspruchsvoller Küche mit Geschäftspartnern und Freunden zusammensitzen und später zu entspannter Weltmusik tanzen“, das wäre es gewesen, seufzt er.

Eine großartig Rendite hätte er für seine 2.000 Euro Einlage sowieso nicht erwartet, sagt er. „Eigentlich war mir schon im November, vor der Eröffnung, klar, dass das nix wird.“ Enttäuscht ist Wiebe vor allem von den Betreibern, die das Club-Konzept nicht konsequent genug umgesetzt hätten. Er selbst hatte sich angeboten, eigenhändig mit anzupacken, um das Restaurant von der Tanzfläche abzutrennen. Aber da war es schon zu spät.

Die Trauer über den geplatzten Traum vom Vereinshaus kann Wiebe verschmerzen. Aber es ärgert ihn, dass einer jetzt lachend am Grab steht: der Vermieter. Dem fällt laut Vertrag der ganze schöne Bau zu. Obwohl noch nicht mal der Architekt sein Geld gesehen hat.

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