: Der kleine Missbrauch für zwischendurch
Auch zum Rückrundenstart der Bundesliga werden wieder arme Auflaufkinder das Fußballgeschäft bereichern
Das Wort ist zum Kotzen, stammt nämlich aus dem Werbejargon und passt wie die Fritte ins Stinkefett. „Auflaufkinder“ werden jene Minderjährigen genannt, die Fußballspieler an der Hand haben, wenn sie vor dem Anpfiff auf den Platz gehen, um sich dem Publikum zu präsentieren.
Seit geraumer Zeit sind „Auflaufkinder“ in Stadien obligatorisch. Im normalen Spielbetrieb der Fußball-Ligen heißen sie wie früher „Balljungen“, weil sie die während des Spiels rausgeschossenen Bälle auf den Platz, also zu einwerfenden oder abstoßenden Spielern zurückbefördern. Im vom unvermeidlichen Hamburgerbrater gesponsorten internationalen Großfußball der Sorte „Blatter Royal TS“ wurden sie in „Auflaufkinder“ umgetauft. Eingekleidet in die aus der Hamburgerbrater-Werbung bekannten Hamburgerbrater-Leibchen werden sie zu Hackfleisch-Top-Events wie Weltmeisterschaften zwecks Zielgruppenbindung am Profihändchen vorgeführt.
Eigentlich könnten die Public-Relations-Fuzzis die Angelegenheit auch gleich von Auflaufkälbchen erledigen lassen. Tiere und Kinder gehen ja immer, und Kälbchen sind, solange sie noch nicht zu Kinderfutter weiterverarbeitet wurden, schließlich auch niedliche Geschöpfe. Da wäre dann statt der Kundschaft das Grundprodukt im Bild.
Vielleicht wird es eines Tages dazu kommen. Dann, wenn sich eigens gezüchtete Werbekälbchen in Fußballregelkunde als lernfähiger erweisen als Werbekindchen. Das käme auch betriebswirtschaftlich günstiger, denn es entfielen die umfangreichen Nebenkosten für Auflaufkinder-Casting und -Schulung. Seitdem nämlich die „Balljungen“ nicht mehr von den Jugendabteilungen der Fußballvereine, sondern von Model-Scouting-Agenturen zur Verfügung gestellt werden, seitdem sind oft zu viele Bälle auf dem Fußballplatz. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn es ist ja nicht zwangsläufig so, dass das durch die erdumspannende Hamburger-Schablone passende, idealtypische Auflaufkind auch etwas von Fußballregeln versteht.
Bei der letzten EM in Portugal wurde das Dilemma offensichtlich. Die Werbekinder waren zwar hübsch anzusehen, hatten aber keine Ahnung davon, wie der Ball tickt, wann er wieder aufs Feld gehört und dass es immer nur einer sein darf. Die Folge der zu vielen Bälle waren zu viele Spielunterbrechungen und Unmut bei Spielern, Schiedsrichtern und Zuschauern.
Seitdem sorgt der Sponsor also für geschultes Personal, für „Auflaufkinder“ mit Zertifikat. Ob er auch für die „Ernährung“, also die Fütterung der Angestellten mit Bordmitteln zuständig ist, muss bezweifelt werden. Die ausschließliche Verpflegung mit hauseigenen Produkten dürfte dazu führen, dass das aufwändig gecastete Personal schon nach wenigen Halbzeiten so unansehnlich angeschwollen ist, dass die Bezeichnung „Auflaufkinder“ zu offensichtlich zuträfe.
FRITZ ECKENGA
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