: Beisheim darf Schulnamen doch kaufen
Geld gegen Umbenennung – dagegen wehrten sich Lehrer am Tegernsee. Sie wollten nicht, dass ihre Schule Otto-Beisheim-Gymnasium heißt. Fünf Bürgermeister bliesen zur Hatz auf die „selbst ernannten Moral-Apostel“. Nun lenken die Lehrer ein
AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER
„Die Lage ist unerträglich. Aber bitte zitieren sie mich nicht namentlich. Ich wohne in diesem Tal. Ich habe Kinder an dieser Schule.“ Dieses Tal ist das Tegernseer Tal in Bayern. Diese Schule ist das Gymnasium Tegernsee, das nach langem Streit bald doch noch Otto-Beisheim-Gymnasium heißen könnte. Das Zitat stammt von einem Vater, der gegen die Umbenennung war.
Der Multimilliardär Otto Beisheim wollte der Schule über seine Stiftung zehn Millionen Euro schenken, wenn sie nach ihm benannt wird. Lehrer, Eltern und Schüler hatten gegen dieses Geschäft protestiert. Kritikpunkte waren die unklare Rolle des 81-Jährigen in der Nazizeit und die harte Unternehmenspolitik seines Handelskonzerns Metro, zu dem die Märkte Saturn, Media Markt und Praktiker gehören. Am Donnerstag hatte die Lehrerschaft des Gymnasiums ihre Zustimmung zur Namensänderung wieder zurückgezogen. Beisheim sagte daraufhin die Spende ab. Gestern entschied sich das Kollegium wieder um.
Von Seiten der Schule seien die Voraussetzungen für eine Umbenennung jetzt wieder gegeben, vermeldete Schulleiter Werner Oberholzner gestern. Die von den Kritikern geforderte „Unbedenklichkeitserklärung“ der Stiftung zum Lebenslauf des Milliardärs liege vor.
Hauptursache des nun zurückgenommenen Lehrervetos waren wohl Dokumente, über die lange gemunkelt wurde, die aber erst in den letzten Tagen bekannt wurden und auch der taz vorliegen. Darin bestätigen Dienststellen des Bundes, dass Otto Beisheim Angehöriger der Waffen-SS war. Laut der „Deutschen Dienststelle zur Benachrichtigung der nächsten Angehörigen“ in Berlin wurde er zumindest in den letzten drei Kriegsjahren unter der Kennungsmarke „976 3./A.E.R“ geführt. Dienst geleistet hat er – so sagen es auch zwei Dokumente des Bundesarchivs – unter anderem im SS-Artillerieregiment, das Teil der so genannten „1. SS-Panzerdivision Leibstandarte SS Adolf Hitler“ war. Allerdings weisen die beiden Forschungsinstitute ausdrücklich darauf hin, dass Beisheim nur in der Mannschaft gedient habe – als SS-Kanonier und SS-Sturmmann. Auch gab es für ihn nur das Eiserne Kreuz zweiter Klasse. Alles Indizien dafür, dass Beisheim tatsächlich nur ein im Nazi-Sog mitlaufender Jugendlicher war. Aber Beisheim hat sich offiziell noch nie zu den Vorwürfen geäußert. Und dadurch hat er immer wieder Gerüchte befördert.
Mit den zehn Millionen Euro sollten am Tegernsee leistungsstarke Schüler, Innovationsprojekte und Schulpartnerschaften gefördert werden. Viel Geld – zu viel, um einen kühlen Kopf zu bewahren. Am vergangenen Freitag schrieben die fünf Tal-Bürgermeister einen geharnischten Brief an den Schulleiter. Die kritischen Lehrer seien „selbst ernannte Moral-Apostel“ und deshalb sei es „nur mehr als legitim, dass jedem […] im Tegernseer Tal und darüber hinaus bekannt gemacht wird, wer diese Lehrkräfte sind“. Wer sich angesprochen fühle, solle „selbst schnellstmöglich um Versetzung [...] eingeben“, heißt es weiter.
Am Montag belagerten gut 200 Eltern die Schule und fragten das Kollegium aus. Einige Stunden später kam das neuerliche Votum der Lehrer – jetzt wieder auf Stiftungskurs. Die Kulisse im Tal war den Lehrern wohl zu bedrohlich geworden. Trotzdem sieht das bayerische Kultusministerium keinen Anlass, mäßigend einzugreifen.
„Wir haben heute mit dem Direktor telefoniert, der Schulfrieden scheint wieder hergestellt zu sein“, sagte Ministeriumssprecher Ludwig Unger gestern. Wer Diskussionen entfache, müsse mit Reaktionen rechnen.
Das Eingangszitat des Vaters stammt von gestern Nachmittag. So heimelig kann der Schulfrieden nicht sein.