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Archiv-Artikel

„Gewalt kann letztes Mittel sein“

Die britische Band Asian Dub Foundation gilt als Sprachrohr der zweiten Einwanderergeneration. Ein Gespräch über den Zusammenhang von Musik und Militanz, das gesellschaftliche Klima in England sowie die Gefahr des Fundamentalismus

INTERVIEW DANIEL BAX

taz: Wovon handelt Ihr Song „Tank“, der ja auch den Titel des aktuellen ADF-Albums bildet?

Pandit G.: Der Song ist während des Irakkriegs entstanden. Wir haben uns in einen jungen Soldaten hineinversetzt, der den Befehl erhält, in einem Panzer in den Krieg zu ziehen, und der an den Punkt kommt, sich zu fragen: Was mache ich hier eigentlich? So wie einst in Vietnam.

Der Song ist ja recht martialisch und könnte tatsächlich von einem Soldaten bei einem Angriff in seinem Panzer gehört werden. Besteht darin nicht eine gewisse Ambivalenz: dass die Musik der Botschaft zuwiderläuft?

Bis zu einem gewissen Grad ging es uns ja immer so mit unserer Musik. Wir haben uns von Anfang an bei der Dance-Musik und ihrer Technologie bedient, die stets als unpolitisch, als non-conscious music galt. Und wir haben versucht, etwas consciousness, also politisches Bewusstsein, damit zu verbinden. Aber klar, man kann jede Musik positiv oder negativ aufladen. Amerikanische G.I.s in Vietnam haben Jimi Hendrix gehört.

Man kann also nichts dagegen tun, was mit der eigenen Musik gemacht wird?

Nein. Aber man kann jede Musik auch umdrehen. Rage Against The Machine haben aus dem L.-A.-Rock, der wie Heavy Metal klingt, conscious music gemacht, indem sie über die Zapatisten gesprochen haben. Wir verfolgen mit unserer Musik ein positives Ziel, darum kann ich darin keine Negativität erkennen.

Auch wenn es aggressive Beats sind?

Ich finde sie nicht aggressiv. Man könnte sie auch „erhebend“ nennen. Manche Leute hören Dub-Musik und sagen: Die ist so düster, schwer, und es geht immer nur ums Kiffen. Ich kiffe nicht, und ich höre viel Dub-Musik. Es kommt immer auf die Wahrnehmung an.

Asian Dub Foundation existieren jetzt seit mehr als zehn Jahren. Hat sich die Situation für indischstämmige Künstler in England seitdem verbessert?

Ja. Aber nicht, weil jemand so nett war, die Tür zu öffnen: Wir mussten das erzwingen. Heute sind sich die Leute bewusst, dass es verschiedene Sorten asiatischer Musik und auch Künstler gibt. Aber es war ein harter Kampf.

Der Autor Hanif Kureishi scherzte kürzlich, man müsse heute schon einen asiatischen Namen tragen, um den britischen Booker Prize für Literatur zu gewinnen. Hat sich das gesellschaftliche Klima für Immigranten insgesamt verbessert?

Grundsätzlich gesprochen, ja: Die Dinge sind besser geworden. Aber wenn man sich anschaut, was vor vier Jahren in Bradford passiert ist: Das war wie in einer Zeitmaschine. Die Einwanderer dort sind von den gleichen ökonomischen Entwicklungen betroffen wie die Weißen in der Region, aber sie werden zu Sündenböcken gestempelt.

Als Immigrant hörst du noch immer den gleichen Müll: Erst vor kurzem hat Michael Howard von den Tories im Parlament seine neuen Quotenvorschläge für Asylsuchende vorgestellt, die nach Großbritannien kommen wollen. Wenn man die gleichen Maßstäbe an seine Familie angelegt hätte, wäre er niemals reingekommen, denn er entstammt ursprünglich einer rumänisch-jüdischen Familie, die einst Asyl suchend nach Großbritannien kam. Heute ist er Chef der Tories.

Wir betrachten Immigration als etwas Positives: frische Ideen, frisches Blut. Aber seit dem 11. 9. hat es manchmal den Anschein, als seien „Immigrant“ und „Terrorist“ austauschbare Begriffe geworden.

Hat sich Ihr Blick auf die Dinge durch den 11. 9. und den Irakkrieg verändert?

Nein, warum? Wir waren nie Fans von al-Qaida. Meiner Meinung nach ist Bin Laden ein beschissener Millionärsbastard, der andere Leute auf die gleiche Weise ausnutzt wie Tony Bush oder George Blair. Das sind Anführer. Und ich bin gegen Anführer, die andere Leute über ihre Ängste manipulieren. Ich hatte auch nie Respekt für Saddam Hussein. Das war jemand, der den Amerikanern eine Weile lang sehr nützlich war und dann wieder nicht. Er war gesponsert und finanziert von den Amerikanern, genauso wie Ussama Bin Laden.

Sehen Sie den Fundamentalismus nicht als Gefahr?

Ich hasse jede Form von Fundamentalismus, ob von Christen, Hindus oder von Muslimen. Natürlich ist das eine Gefahr. In Folge des christlichen Fundamentalismus liegen eine Million toter Sklaven auf dem Boden des Atlantischen Ozeans.

Und der Fundamentalismus innerhalb der Migranten-Communities?

Natürlich gibt es innerhalb von Migranten-Communities auch eine Menge Vorurteile und Heuchelei: Es gibt Asians, die keine Schwarzen mögen oder die auf Weiße herabschauen genauso wie andersherum.

Wie gehen Sie damit um?

Keine Religion ist jenseits der Kritik. Aber diese Auseinandersetzung findet doch längst statt, nur wollen die meisten Leute davon gar nichts wissen. Ich bin Hindu von Herkunft, aber sehe das Kastensystem und die Haltung, die viele Hindus gegenüber Muslimen an den Tag legen, sehr kritisch. Ich habe darüber schon viele Diskussionen geführt. Gleichzeitig würde ich einem Weißen, der mir sagt, wie schlecht der Hinduismus ist, sagen: Ich denke nicht, dass du qualifiziert bist, darüber zu urteilen. Es wäre schön, wenn wir alle an einem Tisch sitzen und eine solche Debatte führen könnten. Aber ich glaube nicht, dass wir schon an dem Punkt sind, frei und offen zu debattieren.

Was kann man sonst tun?

Indem man ein Beispiel setzt: In unserer Band sind wir, religiös und ethnisch gesprochen, völlig gemischt: Wir haben Sikhs in unseren Reihen, ich bin Hindu, und unser Rapper ist Muslim. Es gibt natürlich Leute, die davon überrascht sind. Aber wir haben unsere Hand stets in alle Richtungen ausgestreckt. Das ist unsere wirkliche Macht.

Sie propagieren in Ihren Songs politischen Widerstand. Gibt es Ihrer Meinung nach legitime Gewalt?

Ja, manchmal schon: Manchmal ist Terrorismus für Menschen, die sonst kein Gehör finden, der letzte Weg, sich zu artikulieren.

Wir haben mit „Powerlines“ einen Song über einen Indianerstamm in Brasilien geschrieben, der in Verhandlungen mit der regionalen Regierung stand, um ein Ende der Waldrodungen in ihrem Gebiet zu erreichen. Die Regierung wollte dort Strommasten errichten, und die Indianer haben dagegen protestiert, letztlich aber ohne Erfolg. Als letztes Mittel haben sie dann begonnen, diese Strommasten abzufackeln.

In solchen spezifischen Situationen kann der Einsatz von Gewalt gerechtfertigt sein. Aber weder ich noch irgendwer bei ADF heißt es gut, Menschen in die Luft zu jagen: weder unschuldige Zivilisten noch irgendwen sonst.

Tournee: 26. 4. München, 27. 4. Darmstadt, 28. 4. Stuttgart, 29. 4. Hamburg, 30. 4. Berlin, 1. 5. Köln