: Rüttgers etwas zu katholisch
Ein Wahlkampfknaller in Nordrhein-Westfalen: Der CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers sieht das katholische Menschenbild allen anderen überlegen
BOCHUM taz ■ Der Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen CDU hat am Donnerstag in der Sendung „Studio Friedman“ für heftige Irritationen gesorgt: Jürgen Rüttgers sagte auf mehrmalige Nachfrage des Moderators Michel Friedman zu dem Menschenbild der katholischen Kirche: „Ich glaube, dass es das richtige ist, wenn Sie wollen, auch überlegen.“
Gut vier Wochen vor der Landtagswahl hat Rüttgers’ Äußerung ChristInnen und NichtchristInnen aufgebracht. Im größten Bundesland sind die Katholiken in der Mehrheit: 51 Prozent der Bevölkerung hängen diesem Glauben an, gut 33 Prozent sind evangelischen und schätzungsweise 2 Prozent muslimischen Glaubens. „Wir können uns nicht vorstellen, dass Jürgen Rüttgers das Menschenbild von mehr als 6 Millionen Menschen für unterlegen hält“, sagt der Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland, Jens P. Iven.
Die NRW-Parteien nutzten Rüttgers’ Fauxpas für eine grundsätzliche Kritik am Oppositionsführer. „Nach wochenlangem Schweigegelübde ist Rüttgers wieder aufgetaucht und bläst zum Heiligen Krieg“, sagte die grüne Landesvorsitzende Britta Haßelmann. Der SPD-Landesvorsitzende Harald Schartau sagte: „Jürgen Rüttgers verletzt die Gefühle vieler gläubiger Menschen.“ Seine Äußerungen zeugten von einem intoleranten und verengten Weltbild. Auch die Grüne Christa Nickels, Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken, ist „entsetzt“. Rüttgers instrumentalisiere „blind Glauben und die Kirche“.
Die CDU in NRW findet die Reaktionen auf die Rüttgers-Äußerung absolut „irreal“, so ein Sprecher. Rüttgers habe sich auf das christliche Menschenbild bezogen. Die Landes-FDP erklärte, egal wie das Zitat Rüttgers’ gedeutet werde, mit der FDP werde es in einer schwarz-gelben Landesregierung „kein Gegeneinander der Religionen“ geben.
Vor seinem Tritt ins Fettnäpfchen hat eine Emnid-Umfrage Rüttgers gute Chancen bei der Wahl am 22. Mai prognostiziert: Demnach käme die CDU auf 45, die SPD auf 35 Prozent. Die Grünen erreichen demnach 9 Prozent und die FDP 6. Damit käme eine schwarz-gelbe Koalition auf 51, Rot-Grün dagegen nur auf 44 Prozent. ANNIKA JOERES
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen