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Orientalisches Coming-Out

Um muslimischen Migranten ein Coming-Out zu erleichtern, feiert die Essener Selbsthilfegruppe „Mashalla“ Homo-Partys in der Zeche Carl. Vor allem Frauen trauen sich oft nicht in die Öffentlichkeit

AUS ESSEN HÉLÈNE WANYOU

Wenn die Mashallah-Gruppe „Orient Partys“ in der Zeche Carl organisiert, tut sie alles dafür, dass sich die schwulen und lesbischen MigrantInnen wie zu Hause fühlen: In einer Teestube mit zartem Licht, mit einem Baum in der Mitte und Kissen auf dem Boden, bieten MitarbeiterInnen Tee und Kuchen an. Im Raum nebenan ist eine Tanzfläche, wo DJ‘s versuchen, ein Gleichgewicht zwischen Charts und orientalischer Musik zu finden. Hier bewegen sich die Gäste, die meisten sind zwischen 20 und 35 Jahre alt und stark gestylt.

„Es ist immer schwierig, öffentlich zu seiner Homosexualität zu stehen, aber wenn man aus einer muslimischen Familie stammt, ist es besonders kompliziert“, sagt Yasar Aksen, Leiter der Gruppe. Deshalb will er diesen Muslimen jetzt einen eigenen Rahmen geben, wo sie sich sprachlich und kulturell wiederfinden können. „Deutsche PartnerInnen können die Probleme der MigrantInnen oft nicht gut verstehen.“ Anlaufstellen für homosexuelle MigrantInnen gebe es kaum.

Auf der Zechen-Party herrscht eindeutig Männerüberschuss. Aksen bedauert das: „Ich wünsche mir, dass sich Lesben mehr trauen, auf die Orient-Partys zu kommen.“ Doch sie hätten noch mehr Probleme als die Männer sich zu outen.

„Mashallah“ feiert nicht nur Partys. Seit 2001 macht die Selbsthilfegruppe Jugendarbeit, organisiert Veranstaltungen, und veröffentlicht mehrsprachige Broschüre. Unter anderem unterstützt sie lesbische Frauen, da sie sehr abhängig von der Familie sind. „Frauen müssen sich oft entscheiden, entweder die Familie zufrieden zu stellen und eine Seite ihres Lebens immer zu verheimlichen. Oder sie outen sich und leben abgeschnitten von der Familie“, so Aksen.

Wenn er über seine Arbeit spricht, wirkt er sehr mütterlich. Um problematische Situationen aufzulösen, arrangiert Aksen sogar Hochzeiten zwischen Schwulen und Lesben. „Manchmal werden die Homosexuellen in Ruhe gelassen, wenn sie verheiratet sind.“ Aksen versucht andererseits auch lesbischen Frauen bei ihrem Ausbruch aus einer ungewollten Ehe zu helfen. „Oft haben sie den Mann nicht wirklich gewählt. Wir versuchen ihnen den Trennungprozess zu erleichtern.“ Parallel hilft der Verein, Frauenhäuser zu gründen, wo selbstständige lesbische Frauen ihre Sexualität ohne Druck leben können.

Durch Radiosendungen, Film-Projekte und Broschüren hilft die Gruppe Frauen, ihren Platz in der Homo-Gemeinschaft zu finden: „Nicht nur die Familie, sondern auch die Schwulengemeinschaft ist sehr patriarchalisch“, erzählt Aksen. „Frauen müssen kämpfen, um sich durchzusetzen.“

Wenn muslimische Migranten ihre Homosexualität entdecken, bewirke das oft einen inneren Konflikt mit der Religion, so Yasar. „Sie sind hin sich hergerissen zwischen ihrem Glauben und dem Gefühl in Sünde zu leben.“ Aber auch für die AtheistInnen sei der Bruch mit der Gemeinschaft schwierig – auch wenn diese bestimmte Lebensweisen verurteile.

Die Selbsthilfegruppe Mashallah kann ihr Angebot nicht so verbreiten, wie sie es gerne möchte: „Unsere Veranstaltungen interessieren die Menschen, aber es ist schwer, finanzielle Unterstützer zu finden“, bedauert Aksen. Er selbst ist fest bei der Essener AIDS-Hilfe angestellt, die der Gruppe auch Büroräume zur Verfügung stellt. Die anderen 15 bis 20 Mitglieder sind alle Ehrenamtliche. Die AIDS-Hilfe berät die Freiwilligen bei ihrer Arbeit für Mashalla, aber auch bei ihren eigenen Problemen. Denn die einige MitarbeiterInnen sind selbst HIV-infiziert.

Doch die Orient-Partys sind nicht für MigrantInnen reserviert, Aksen definiert seine Arbeit als „transkulturelle Orientierung“. Er ist davon überzeugt, dass das Miteinander in Deutschland immer besser wird: „Die junge Generation ist viel toleranter und hat Lust auf kulturelle Mischung“, sagt er.

Mashalla war bisher die einzige Gruppe dieser Art in NRW. Sie hilft deshalb beim Aufbau solcher Selbsthilfegruppen in anderen Großstädten. In Köln gibt es auf Initiative der Essener seit Januar eine „Baraka“-Gruppe. Am 16. April feiert die „Orient Party“ in der Zeche Carl ihren ersten Geburtstag.

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