: Kabinett diskriminiert Grüne
SPD-Minister attackieren das rot-grüne Antidiskriminierungsgesetz. Konkrete Kritikpunkte nennen sie nicht. Grüne: „Debatte unverständlich“. Montag Anhörung
BERLIN taz ■ Jedenfalls darin ist sich die Koalition einig: Die Bundesregierung wird keinen Gegenvorschlag zum von Rot-Grün bereits in den Bundestag eingebrachten Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes (ADG) machen. Dies sagte Regierungssprecher Thomas Steg gestern. Am Montag finde eine Anhörung zum Gesetz statt. Dann werde auch das Kabinett noch einmal diskutieren.
„Wir werden der Wirtschaft entgegenkommen müssen“, hieß es aus Regierungskreisen gestern. Nachdem in den vergangenen Tagen bereits mehrere Minister – Hans Eichel, Otto Schily und Wolfgang Clement – mit Kritik am ADG zitiert wurden, sagte gestern auch Familienministerin Renate Schmidt (alle SPD) im Handelsblatt: „Es darf nicht nutzlose und zusätzliche Bürokratie beim Staat und den Unternehmen aufgebaut werden.“ Auf Nachfrage erklärte Schmidts Sprecherin nicht, was Schmidt damit meinte.
Zwar setzt die Bundesregierung mit dem ADG bloß EU-Richtlinien zur Verhinderung von Diskriminierung vor allem im Arbeitsleben und im Geschäftsverkehr um. Doch speziell für die Punkte, in denen der rot-grüne Entwurf über die EU-Richtlinien hinausgeht, werden die Grünen haftbar gemacht. Die EU-Richtlinie geht im Arbeitsrecht weit, im Geschäftsleben – Mieten, Einkaufen, Versicherungsabschlüsse – baut das ADG die Richtlinie aus. Kriterien für Diskriminierungsschutz sind Rasse und ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung.
Der Grünen-Rechtspolitiker Volker Beck erklärte gestern: „Die derzeitige Debatte um das ADG ist unverständlich.“ Sämtliche beteiligte Ministerien hätten den Gesetzentwurf mit den Koalitionsfraktionen „bis ins Detail“ abgestimmt. Mit dem ADG finde Deutschland endlich den „Anschluss an eine moderne Antidiskriminierungsgesetzgebung“, wie es sie im europäischen Umland längst gebe.
Die kürzlich im Fernsehen aufgestellte Behauptung der Grünen-Chefin Claudia Roth, dass der über die EU-Vorgabe hinausgehende Gesetzesteil zu erwartendes EU-Recht vorwegnehme, ließ sich gestern nicht bestätigen.
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