: Thailands Premier setzt auf den Tsunami
In dem südostasiatischen Land finden am Sonntag Parlamentswahlen statt. Regierungschef Thaksin macht die Krisenbewältigung zur Wahlkampfstrategie. Die Kritik am autoritären Staat ist verstummt, die Opposition zersplittert
AUS BANGKOK NICOLA GLASS
„Niemals zuvor haben wir ein Unglück diesen Ausmaßes erlebt“, sagte Thailands Premier Thaksin Shinawatra neulich während einer internationalen Tsunami-Konferenz. „Seit diesem Tag waren mein Kabinett und ich pausenlos innerhalb und außerhalb von Phuket unterwegs, um diese Verwüstung direkt zu bewältigen.“
Dieser Versuch, sich und seine regierende Thai Rak Thai (TRT, „Thais lieben Thais“) ins rechte Licht zu rücken, war eigentlich überflüssig. Denn der 55-Jährige ist ohnehin der Mann der Stunde: Die staatseigenen Fernsehsender zeigten den Premier in den vergangenen Wochen dabei, wie er in der Krisenregion von einem Ort zum nächsten eilte. Hier ein Gespräch mit Menschen, deren Dorf vom Tsunami zerstört wurde, dort eine Umarmung von Flutwaisen. Der Regierungschef lächelt, spricht anderen Mut zu.
Seinen Landsleuten und den spärlich gewordenen Touristen hat Thaksin vor allem eines zugesagt: Die zerstörte Region so rasch wie möglich wieder aufzubauen. Sein Krisenmanagement geriet somit zur Wahlkampfstrategie und hat seine zuvor angekratzte Popularität neu belebt.
Besser hätte der Zeitpunkt nicht sein können: Die Wahlen stehen bereits am Sonntag an. Von den 500 Parlamentssitzen werden 400 direkt vom Volk bestimmt. Derweil muss vor allem die als zersplittert geltende demokratische Opposition feststellen, dass sie weit abgeschlagen ist. Analytiker prognostizieren, dass Thaksin seine im Januar 2001 errungene Mehrheit von rund 250 Parlamentssitzen sogar noch ausbauen könnte: Thaksin sei dabei, die Folgen des Tsunami für sich in einen Erdrutschsieg zu verwandeln, meint der Politologe Thitinan Pongsudhirak. „Er hätte so oder so gewonnen, aber jetzt können wir von einer Einparteienregierung ausgehen.“
Jener Kommandostil, der Thaksin jetzt so viel Erfolg beschert, hat in der Vergangenheit viele Kritiker auf die Barrikaden gebracht. Menschenrechtler und Oppositionelle beklagten, dass sich Thailand zunehmend zu einem autoritär geführten Staat entwickele. Im Visier stand dabei besonders der von Thaksin initiierte „Krieg gegen die Drogen“, in dem vor zwei Jahren mehr als 2.300 Menschen hauptsächlich durch extralegale Hinrichtungen starben. Die meisten Thais hatten die berüchtigte Kampagne jedoch befürwortet.
Thaksins populistische Politik kommt zwar weniger bei der Mittelschicht und den Intellektuellen an, dafür aber umso mehr bei den kleinen Leuten: Armen Bauern versprach er Schuldenerleichterungen und den Ausbau der Infrastruktur. Dass er dabei vorwiegend auf kurzfristige Maßnahmen setzte und weniger die prinzipiellen Probleme bekämpfte, schien seiner Popularität keinen Abbruch zu tun.
Thaksins Ansehen bröckelte erst, als die verantwortlichen Behörden Anfang 2004 versuchten, den Ausbruch der lebensgefährlichen Vogelgrippe zu vertuschen. Auch die anhaltende Gewalt in den muslimisch dominierten Südprovinzen Yala, Narathiwat und Pattani bekommt die Regierung bis heute nicht in den Griff. Doch in anderen Gebieten des Südens, vor allem in den vom Tsunami verwüsteten Regionen, gilt Thaksin jetzt als Held. Ob die regierende TRT am Sonntag allerdings den Süden für sich gewinnen kann, muss sich noch zeigen. Denn die Region gilt als Hochburg der Demokratischen Partei, der TRT-Erzrivalin.
Andere Thais kümmert der Wahlkampf wenig. „Es spielt eigentlich keine Rolle, wer gewählt wird“, sagt ein Fischer, der jetzt in einem Flüchtlingscamp lebt. Ein paar Dörfler, die ein wenig verlegen zusammenstehen, möchten nicht gern über Politik reden. Ob sie denn von der Regierung Geld bekommen haben, um alles wieder aufzubauen? „Ein bisschen“, flüstert eine Frau. Vorwürfe an die Regierung hört man nicht. Einige Beobachter gehen davon aus, dass ein Teil der Wähler aus Mangel an Alternativen der TRT ihre Stimme geben wird. Sollte Thaksin im Amt bestätigt werden, wäre er der erste gewählte Premier Thailands, der eine zweite Amtszeit in Folge antritt.