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Der feste Job stärkt Geist und Körper

Selbst im sozialversicherten Deutschland sterben arme Menschen weit früher als ihre wohlhabenden Mitbürger. Risikofaktor Nummer eins ist der Verlust des Arbeitsplatzes. Deshalb können Ein-Euro-Jobs das Leben verlängern, hoffen die Forscher

Jeder Euro auf dem Konto ist ein deutliches Plus für die Gesundheit

AUS BERLIN COSIMA SCHMITT

Ein armer Mensch ist oft auch ein kranker Mensch, weiß die Wissenschaft. Er wird früher invalid und stirbt eher als ein wohlhabender Zeitgenosse. Deshalb treffen sich derzeit rund 1.000 Forscher, Fachleute und Besucher zum Kongress „Armut und Gesundheit“ in Berlin. Sie grübeln über ein Phänomen: Warum ist der Reiche robust und der Arme gefährdet – selbst im sozialversicherten Deutschland?

Rolf Rosenbrock etwa, Gesundheitsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin, unterteilt die Nation in fünf Gruppen. Wer zum ärmsten Fünftel gehört, stirbt im Schnitt fünf bis sieben Jahre früher als ein Angehöriger der Oberschicht. In Berlin-Kreuzberg etwa sterben doppelt so viele Menschen vor dem 65. Lebensjahr wie im wohlhabenden Stadtteil Zehlendorf.

Ein zentrales Gesundheitsrisiko ist der Jobverlust. Laut Rosenbrock beeinträchtigt ein halbes Jahr ohne Arbeit die Gesundheit noch nicht. Danach aber steigt das Risiko drastisch. Ein Langzeitarbeitsloser ist etwa doppelt so oft krank wie ein vergleichbarer Beschäftigter. Daten der Krankenkassen belegen: Langzeitarbeitslose sind öfter depressiv. Sie plagen sich mit Magen-, Darm- und Essstörungen und erleiden häufiger einen Herzinfarkt.

Ein fester Job hingegen stärkt Geist und Körper, fand Thomas Elkeles von der Fachhochschule Neubrandenburg heraus. Die Arbeit verleiht einen sozialen Status, Kontakte, eine feste Zeitstruktur und das Gefühl, den Tag sinnvoll zu füllen. „Für die Gesundheit sind selbst Ein-Euro-Jobs hilfreich“, folgert daher Rosenbrock. Er ist überzeugt: In etwa fünf Jahren wird sich der Hartz-IV-Schock in den Krankenstatistiken spiegeln.

Der Weg ins Abseits beginnt früh. Schon der Fötus ist beeinträchtigt, weil eine sozial schwache Mutter häufiger raucht und unter Stress leidet. Unterschichtskinder werden seltener gestillt als Mittelstandssäuglinge. Sie wachsen dann häufiger in einem lauten, schmutzigen Stadtteil auf. Sie besuchen schlechtere Schulen, knabbern eher Pommes als eine Rohkostmöhre. Etappe um Etappe häufen sich die Risiken. Auf einen guten Job können die Betroffenen kaum hoffen.

Dabei gilt: Je besser der Posten, desto gestärkter der Körper. „Ein Chef ist gesünder als sein Vize“, so Rosenbrock. Nur drei Krankheiten, fanden Mediziner heraus, treffen die Menschen ganz unabhängig vom sozialen Status: Brustkrebs, leichtes Asthma und die Alkoholsucht. Ansonsten gilt ein Jahreseinkommen von 20.000 Euro als Scheidemarke. Bis dahin bedeute jeder Euro mehr auf dem Konto deutliches Plus für die Gesundheit, so Rosenbrock. Oberhalb dieser Schwelle sind die Unterschiede weniger gravierend.

Nun diskutiert die Fachwelt Ideen, wie man die Armen vor dem frühen Siechtum bewahren könnte. „Die Menschen wollen keine moralischen Vorschriften“, sagt Raimund Geene vom Verein Gesundheit Berlin. Präventionsklassiker wie Gymnastikkurse erreichen vor allem die ohnehin Gesundheitsbewussten.

Mehr Hoffnung setzen die Forscher auf Projekte, die Menschen in ihrer Lebenswelt aufklären – in der Kita, im Stadtteil oder in der Firma. Derzeit untersucht und fördert der Bundesverband der Betriebskrankenkassen rund 20 Präventionsprojekte, die sich gezielt an sozial Benachteiligte wenden.

Die Regierung setzt derweil auf rechtlichen Druck. Im Januar will sie ein Gesetz vorlegen, das die Kassen verpflichtet, jährlich 250 Millionen Euro für Prävention auszugeben. Ein guter Ansatz, aber noch keine Lösung, meint Rosenbrock. „Was die derzeitige Arbeitsmarktkrise an der Gesundheit der Menschen anrichtet – das kann kein Präventionsgesetz ausgleichen“.

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