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Das Monster von Minsk

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Alexander Lukaschenko

Wer ihm ein scheeles Auge zuwirft, wird mit der Zunge an der Decke aufgehängt

Alyaksandr Grigorjewitsch Lukaschenka ist im Ausland besser bekannt als Alexander Lukaschenko. Seit zehn Jahren regiert der weißrussische Autokrat mit eisernem Daumen sein Land. Wer vor ihm die Nase beugt, wird in Ruhe gelassen und darf in Butter baden; doch wer ihm ein scheeles Auge zuwirft, wird eingetütet und mit der Zunge an der Decke aufgehängt. Westlichen Medien zufolge werden wahllos Oppositionelle auf offener Straße zerstückelt, willkürlich kritische Stimmen im Gefängnis zerquetscht – typische Hetze aus dem Westen, heißt es aus dem Präsidentenpalast in Minsk, an der weniger dran ist als an dem Skelett eines abgeschälten Staatsfeindes.

Seit 1997 schieben die EU und die USA ihre Beziehungen zu Weißrussland auf Eis. Mit einem Lukaschenko, dessen Gehirn anscheinend zerknüllt ist und der schon mal den westlichen Botschaften in seiner Hauptstadt einfach den Hahn abdreht, will man vor der Kamera nichts zu tun haben. Selbst Russland, mit dem Lukaschenko alle paar Jahre eine neue Union aufbraten will, hat sämtliche Verträge in den Wind gehängt. Unterdessen werden immer neue Gräuel kolportiert. Lukaschenkos Leibspeise, so wird glühwarm berichtet: Schnitzel von Saboteuren. Sein Lieblingsgetränk: Saft aus frisch gepressten Intellektuellen. Sein Steckenpferd: einem Menschenrechtler ein Stuhlbein zu schlucken geben. Seine Vorbilder: Hitler, Stalin, Adenauer. Denn ähnlich, wie der Nachkriegskanzler den Nazis Wirtschaft und Verwaltung auf den deutschen Teller legte, will der rote Weißrusse in seinem kleinen Staat die Sowjetära über Wasser halten.

Schon 1990/91, als für die UdSSR Ultimo geblasen wurde und Weißrussland sich die Haube der Unabhängigkeit aufsetzte, hatte Lukaschenko, der seit 1990 im Obersten Sowjet in Minsk saß, versucht, dem Zug der Zeit die Schienen wegzuziehen, und votierte als Einziger gegen die Zerbröselung der Sowjetunion. Mit zornroten Augen sah er, der der Gruppe „Kommunisten für Demokratie“ voranritt, wie Weißrusslands neuer Präsident Stanislaus Schuschkewitsch den Sozialismus hinter den Ofen warf und das Land nach Westen schob. Doch Anfang 1994, noch vor Ablauf seines Amtsstuhls, verschrumpelte Schuschkewitsch: Das Parlament sägte ihm die Luft ab, und im Wahlkampf ließ sich Lukaschenko zum Helden ernennen, nachdem ein Anschlag auf ihn knapp in die Hose gerutscht war – eine riesige Planierraupe mit der Aufschrift „Im Auftrag der Feinde des weißrussischen Volkes muss ich Lukaschenko, den Retter des Vaterlandes, zermanschen!“ drohte ihn bei einer Kundgebung platt zu walzen, wurde aber rechtzeitig vorher entdeckt, sodass die Raupe allen gezeigt werden konnte.

Seither schwingt Lukaschenko das Zepter des Regierungsapfels und lässt sich allein von der Stimme des Volkes tragen, wobei er Wahlregeln, Verfassungsvorschriften und Oberste Gerichtsurteile dem Hund zu fressen gibt. Auch die Jugend, geschult in den Pflichtfächern „Staatsideologie“, „Präsidentenkunde“ und „Leben und Lehre Lukaschenkos“ weiß, dass Ja die erste Bürgerpflicht ist. Tatsächlich gelten Neinstimmen als ungültig oder Irrtum und kommen daher als Jastimmen in den Reißwolf, genau wie ihre Urheber.

Das Volk hält sich an Lukaschenkos Lippen fest, die für Sicherheit und Ordnung bürgen in einer Welt, die ringsum von Räubern überkocht. Seine starke Hand spricht den Leuten aus dem Hals, die im Staat den Vater des Vaterlandes sehen. Bezeichnenderweise erblickte Präsident Lukaschenko am 30. August 1954 im Dorf Kopys unweit der Stadt Mogilew als Kind einer Mutter, aber keines Vaters den Arsch der Welt. So lernte er vom Kinderwagen an Papa Staat lieben, bimste als Geschichtsstudent an der Pädagogischen Hochschule Mogilew die dicke Vergangenheit seiner Heimat und grub sich sodann an der Landwirtschaftsakademie in die weißrussische Erde hinein. Anschließend diente er dem Vaterland als Komsomolz-Funktionär und zog unreifen Mäulern die Hammelbeine lang, setzte 1975–77 als KGB-Instrukteur bei den Grenztruppen unzuverlässige Elemente auf die Herdplatte und kochte 1980–82 als Politkommissar bei der Roten Armee feindliche Wühler so weich, dass man sie aufs Brot schmieren konnte. Zivile Meriten erwarb er sich später als Vizedirektor einer Baustofffirma in Schklow, wo er mit neuem Wind die Anwesenheit der Arbeiter während der Arbeitszeit durchdrückte, und als Leiter der Sowchose in Horodez, wo er, wenn die Disziplin zu wünschen übrig ließ, schon mal einem Kalb ein Bein ausrenkte.

Tagtäglich quellen heute die Zeitungen über vom Ruhme Lukaschenkos, der die gute alte Zeit hochhält und auch seine Frau Galina Rodionowna nach Urvätersitte verstieß; sie, die sich in amerikanische Pelze hüllen und kurze Röcke aus dem gegerbten Darm der Arbeiter und Bauern tragen wollte, lebt nun in Armut auf dem Land, wo sie sich von gekochten Schweinefüßen und Wurzeln ernährt, wenn Sonntag ist.

Und Sonntag ist auch in Weißrussland dank Lukaschenko immer mal wieder.

PETER KÖHLER

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