Ein heißer Hamburger Herbst

Hamburger Sozialforum beschließt umfangreiches Aktionsprogramm gegen Sozialabbau und die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen. Chaos-Versammlung zeigt Risse im Forum-Bündnis auf. SPD plant antikommunistische Gegenkampagne

Von Marco Carini

„Raus auf die Straße“ lautet die Botschaft. In den kommenden Wochen werden zahlreiche Demonstrationen und sonstige Aktivitäten gegen den mit Hartz IV verordneten Sozialabbau, Hamburger Sparpläne und die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Einrichtungen stattfinden. Das beschlossen am Donnerstagabend die rund 300 TeilnehmerInnen des Hamburger Sozialforums nach einer zeitweise chaotisch verlaufenen mehrstündigen Debatte.

Eine „Enteignung der Menschen, die Zorn und Erregung provoziert“ und den „Ausverkauf Hamburgs“ machte Forums-Moderator Andreas Grünwald zu Beginn der Veranstaltung aus. Die Mehrheit der TeilnehmerInnen machte schnell deutlich, dass sie nicht in den vorgesehenen Arbeitsgruppen diskutieren, sondern ihre Wut auf die Straße tragen wollte. Bereits am 16. August soll eine Montagsdemo gegen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe um 17 Uhr am Gerhard-Hauptmann-Platz starten. Ab dem 6. September soll es dann auch in Hamburg regelmäßige Montagsdemos geben.

Tatkräftig unterstützt werden vom Sozialforum zudem die am 23. August startenden Volksbegehren gegen die Privatisierung der Hamburger Wasserwerke und der Berufsschulen. Die Organisatoren müssen bis Anfang September jeweils 60.000 Unterschriften beibringen, damit es zum Volksentscheid kommt. Bereits am 2. September planen die freien Träger der Hamburger Kindertagesstätten eine Protestdemo in der City gegen die drohende Heraufsetzung der Gruppengröße bei Beibehaltung des Personals (siehe Bericht unten). Am 30. 10. schließlich wollen verschiedene Hamburger Frauengruppen gegen die Schließung des 1. Hamburger Frauenhauses auf die Straße gehen.

Höhepunkt des Demo-Marathons soll jedoch eine Aktionswoche gegen den Sozialkahlschlag vom 11. bis zum 18. November werden. Den Auftakt bildet am Faschingsbeginn eine von der Ge werkschaft ver.di organisierte Demonstration, der sich zwei Tage später ein „Bettlermarsch“ und erneut vier Tage später Aktionen vor den neu gegründeten Arbeitsagenturen anschließen sollen.

Während sich das Sozialforum nach außen so als breites, kraftvolles Aktionsbündnis präsentiert, wurden am Donnerstag abend die inneren Risse deutlich. Ein inhaltlich unabgesprochener Beitrag des Ex-RAF-Mitglieds Karl-Heinz Dellwo enthielt nicht nur eine schneidende Kapitalismus-Kritik, sondern auch harsche Angriffe gegen die versammelten Gewerkschafter und die in Gründung befindliche Wahlalternative. „Das war Ausgrenzung pur“, ärgert sich einer der Forum-Initiatoren – „die versammelten Gewerkschaftsvertreter hatten das Gefühl, in der falschen Veranstaltung zu sitzen“.

Die inneren Risse von außen zu verstärken haben sich nach Information der taz zudem maßgebliche Funktionäre der SPD vorgenommen. Demnach sollen antikommunistische Muster reaktiviert, die politische Vergangenheit von Sozialforums-Sprecher Andreas Grünwald (früher DKP und PDS) und dem Hamburger Interims-Chef der Wahlalternative Joachim Bischoff (bis vor kurzem PDS) als Waffe gegen die Oppositionsgruppen eingesetzt werden.