: Mit dicker Luft gegen den Super-GAU
RWE, Eon, Vattenfall und EnBW wollen mit einem Nebelwandsystem ihre Atomkraftwerke gegen Flugzeugabstürze sichern. Dafür erteilten sie Rheinmetall einen Auftrag. Keine wesentliche Schutzverbesserung, urteilt das Bundesumweltministerium
VON NICK REIMER
Was alle längst wussten, ist jetzt auch eingestanden: Weil ihre Atomkraftwerke gegen Terrorangriffe aus der Luft nicht sicher sind, haben die deutschen Betreiber nun ein Abwehrsystem in Auftrag gegeben. Eon, RWE, Vattenfall und EnBW haben einen Rahmenvertrag geschlossen, über den beim deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall Nebelsysteme rund um die AKWs aufgebaut werden sollen, die uns vor dem GAU schützen sollen. „Zeitnah“ soll das geschehen, bestätigte EnBW-Sprecher Dirk Ommeln: „Spätestens Ende 2005 könnten alle AKWs mit den Systemen ausgestattet sein.“ Der Konjunktiv liegt in den Spezifika jeder einzelnen Anlage begründet, an die die Systeme angepasst werden müssen. Über den Umfang des Auftrags machten die Konzerne keine Angaben.
Das System, dass bislang als taktische Waffe in Panzersystemen oder Fregatten verwendet wird, soll technisch so funktionieren: Falls ein Passagierflugzeug entführt und auf ein AKW gesteuert wird, baut sich per Knopfdruck binnen weniger Sekunden eine Nebelwand um den Reaktor auf. Die Wirksamkeit eines Flugzeugeinschlags hängt nämlich entscheidend vom Aufprallwinkel ab. Die Wand soll es den Piloten erschweren, diesen optimal zu treffen. Zudem soll der Nebel durch seine Zusammensetzung Infrarot- oder Radarfrequenzen des Fliegers stören und so den Flug selbst beeinträchtigen. Mit dem Auftrag kommen die deutschen Energiekonzerne offenbar den Aufforderungen eines Gutachtens nach, dass die Terrorsicherheit der deutschen AKWs untersucht hatte. Die Ergebnisse werden wegen ihrer Brisanz nach wie vor unter Verschluss gehalten.
Aufsichtsbehörden und Umweltschützer zweifeln an der Wirksamkeit des Nebels. „Durch dieses Konzept wird der Schutz gegen Terror nicht wesentlich verbessert“, erklärt Michael Schroeren, Sprecher des Bundesumweltministeriums. Allenfalls könne ihm ein „gewisser Beitrag“ zugebilligt werden, „falls das Konzept nachgebessert wird“, meint Schroeren.
„Hauptproblem ist, dass der Luftraum in Deutschland so eng ist“, erklärt Susanne Ochse, Atomexpertin von Greenpeace. Zum Beispiel Biblis: Würde eine Passagiermaschine über dem Flughafen Frankfurt am Main entführt, müsste sie zunächst identifiziert werden. „Angesichts des regen Luftverkehr ist das dort schwierig und zeitaufwändig.“ Bevor also die Nebelwand aufgebaut werden könne, sei das Kraftwerk längst erreicht.
Ein Gutachten, dass Greenpeace bei Hannoveraner Wissenschaftlern in Auftrag gegeben hatten, untermauert dies: Rechtzeitiges Auslösen des Nebels gewährleistet bei den militärischen Systemen ein automatischer Auslösemechanismus. Der kann aber wegen des dichten Flugnetzes in den AKWs nicht eingebaut werden. Zudem seien die Nebelsysteme für bewegliche Ziele entwickelt worden – Erfahrungen mit der Tarnung eines festen Ziels liegen nicht vor.
Die Konzerne wollen jetzt dennoch eine derartige Nachrüstung der Atomanlagen bei den Landesaufsichten genehmigen lassen. „Wir haben die Unterlagen bereits eingereicht“, bestätigte EnBW-Sprecher Ommeln. Trittin-Sprecher Schroeren: „Wir als Bundesaufsicht werden darauf achten, dass die Nachbesserungen eingearbeitet werden.“ Benennen wollte Schroeren diese aber nicht – ist ja alles so geheim.