Mit der Schuhsohle einen Quader kneten

Vom Versuch, Kasimir Malewitschs zum „reinen Bild“ destillierte Selbstbezüglichkeit neu in des Besuchers Museumsalltag zu tragen: Der Kunstverein Hannover präsentiert in der Ausstellung „beautiful one day – perfect the next“ exklusiv Arbeiten von Leni Hoffmann

Kunst reduziert auf Farbe. Farbe reduziert auf monochrom-geometrische Flächen. Da haben wir zwei hochformatige Vierecke in Betongrau und vier querformatige in Grün und Rot. Wieder einmal wehrt sich die Kunst gegen Abbildhaftigkeit und setzt sich ausschließlich mit intuitiv gesetzten Gestaltungselementen wie Farbe, Form und Komposition auseinander. Aber was macht das onamdade betitelte Bild da mitten im Raum? Ist es von der Wand gefallen? Hat es jemand von der Vertikalen in die Horizontale genötigt?

Täterin ist Leni Hoffmann. Sie verlagert ihre Kunst in die grellweißen Zellen des Kunstvereins Hannover. Die onamdade-Grauflächen wurden um 90 Grad nach vorn gekippt, so dass jetzt viereinhalb Tonnen schwere Sichtbeton-Quader schwebeleicht in den Raum ragen und zum Herumturnen animieren. Die vier bunten Flächen kleben derweil auf dem Fußboden und laden zum Betrampeln ein, handelt es sich doch um schlichte Knete.

Schon nach der ersten Ausstellungswoche zeigt sich, dass Turnschuhträger besonders gern ihre Sohlen in die so formbare wie formbeständige Masse drücken. Andere haben Fingerabdrücke hinterlassen. Leni Hoffmann sagt: „Das Original existiert nicht durch seine Schöpfung, sondern erst durch die Kommunikation zwischen Werk und Betrachter.“

Malerei, die sich durch das Betreten des Kunstwerkes erst konstituiert, so könnte man den Ansatz der 1962 in Bad Pyrmont geborenen Künstlerin beschreiben. Zu erleben sind begehbare Skulpturen als Raum. Wer also die Schau „beautiful one day – perfect the next“ aufsucht, wird gezwungen, mit der Kunst zu interagieren. Meist steht sie nämlich im Weg. Mühsam muss man die leere, den quadratischen Saal 5 komplett füllende Betonarena erklimmen, in die Mitte des umbauten Raumes rutschen, um den Rundgang fortsetzen zu können. Bis zum Ausgang, der mit beknetetem Sicherheitsglas verbaut ist. Das macht Spaß? Das ist Unsinn? So etwas Ähnliches wie Unsinn: Metakunst. Leni Hoffman reflektiert über Kunst. Diese Selbstbezüglichkeit ist so neu nicht. Bereits 1914/15 schuf Kasimir Malewitsch das Schwarze Quadrat auf weißem Grund, das das letzte aller Bilder, das reine Bild sein sollte. Wie aber wird nun diese kühle Metaphysik wieder lebendig? Indem sie in den Alltag des Betrachters hineintritt. Was Land-, Body- und Minimal-art schon in der Natur probiert hätten, so Kurator Martin Engler, versuche Hoffmann mit den für Hannover gefertigten Werken im Museumsraum. Egal, was der Besucher macht: Er steht im Bild, er belebt das Bild.

Gelungen ist übrigens die Hinführung zum Thema: Noch ordentlich an der Wand hängt blixa: ein schwarzes Karo-Gewebe nachlässig verarbeiteter Kunststofffasern vor einer gelben Knetfläche. „Nicht berühren“, steht daneben. Schräg gegenüber hängen Kabelstränge, locker geschwungen an die Wand genagelt. Der Durchgang zum nächsten Raum wird durch eine Kalksandsteinmauer ummantelt. Magenta und gelb durchgefärbten Kunststoffputz hat Hoffmann rechteckig an Wand und Mauer aufgetragen. Wie auch immer man das frei stehende Werk REM umschreitet – Schritt für Schritt zeigen sich Farbflächen in neuen Konstellationen.

Wie unterschiedlich solche Kunst wahrgenommen wird, zeigt Brisago im Treppenhaus. Zwölf Stufen tief wurde eine Asphaltfläche über Straßensplitt geteert. Hoffmann erklärt sie zum „perfekten schwarzen Monochrom“, das seine Aura aber selbst dekonstruierte, da es von Tag zu Tag weiter einbreche. Und der Kunstverein freut sich, dass mit dem Werk „die Symmetrie des Aufgangs“ gebrochen wird.

Jens Fischer

Kunstverein Hannover. Di–So 11–17, Mi bis 21 Uhr; bis 11.4.