: Literarische Le(s)benskunde
Andrea Krug und Dagmar Schadenberg steuern seit zehn Jahren ihren Verlag„für frauengeneigte Frauen“ erfolgreich durch die Untiefen des Buchmarktes
Mit Susie Sexperts „Sexwelt für Lesben“ hat es angefangen. Da war Andrea Krug noch als Übersetzerin und Lektorin und Dagmar Schadenberg noch als Grafikerin beim Orlanda Frauenverlag tätig. Allerdings wurden beide der Auftragsarbeiten langsam überdrüssig. Selbstständigkeit, eigene Verantwortung,Unabhängigkeit, schwebte ihnen vor. Sie wollten Einfluss nehmen. Susie Sexperts Sexbuch kam ihnen da gerade recht. Der Ratgeber fürs Sapphische war von verschiedenen Verlagen abgelehnt worden, auch von ihren Auftragsgeberinnen. Die beiden Frauen zeigten Mut zum Trendigen und Sachverstand fürs Wirtschaftliche. Kurzerhand hoben sie den Verlag Krug & Schadenberg aus der Taufe und machten das in ihren Augen bedeutende Buch auch dem deutschsprachigen Publikum zugänglich.
Immerhin über zehntausend Exemplare wurden in den Folgejahren verkauft. Inzwischen liegt die dritte Auflage vor. Zu lesbischer Sexualität und Erotik veröffentlichten die frisch gebackenen Verlegerinnen noch weitere Bücher, dazu kamen im Laufe eines Jahrzehnts Historisches und Zeitgeschichtliches, Coming-out- und Entwicklungsromane, lesbische Liebessoaps in der Art einer Lindenstraße sowie eine Reihe von Beinahe-Sachbüchern zu Themen wie Lesben und Alter, Lesben und ihre Mütter, lesbische Mode.
„Mit dem Modebuch waren wir Trendsetterinnen“, meint Andrea Krug, „darüber zu diskutieren, soweit waren die Lesben noch gar nicht. Dabei inszeniert sich doch jede, ob sie es zugibt oder nicht.“ Das im Herbst heraus kommende Buch „Astro- Guide für Lesben“ wird einen ähnlichen Zuspruch von den Leserinnen erhalten. Das zumindest erwartet Krug. Gibt es ein besseres Thema für Smalltalk als Sternzeichen? „Ich glaube, sie werden es alle lesen, auch wenn sie in der Öffentlichkeit vielleicht bestreiten, dass sie dran glauben.“
Folgen die beiden Verlegerinnen also nur heimlichen Trends? Sind sie mit diesem Buch am Markt orientiert? Natürlich sei das auch ein Kriterium, aber ein untergeordnetes, meint Krug. Mit ihrem Konzept des erzählenden Sachbuches haben sich Krug & Schadenberg auf ernst zu nehmende und unterhaltsame Art den eher trockenen Nischenthemen angenähert, die – abgesehen vom Coming-out – vor ihnen kein Verlag angefasst hätte.
Auf dem Gebiet der Belletristik gelangen Krug & Schadenberg sogar Highlights, die Diskussionen voranbrachten. Dazu gehört vor allem Leslie Feinbergs Kultbuch über Lesben, die als Männer in den USA der McCarthy-Ära lebten. Dessen unübersetzbarer englischer Titel „Stone Butch Blues“ wurde zu dem freundlicheren „Träume in den erwachenden Morgen“. Mittlerweile ist es eines der Standardbücher der Genderdebatte.
Historische Romane über lesbische Lebensentwürfe, wie Elana Dykewomons „Sarahs Töchter“ über jüdische Lesben in Odessa und New York am Anfang des 20. Jahrhunderts oder Alicia Gaspar de Albas „Sor Juana“ über die Sappho Mexikos, wecken besonders Andrea Krugs Begeisterung. Alles dicke Wälzer, dessen Veröffentlichung sich der kleine Verlag allein von den Übersetzungskosten her gar nicht leisten kann. So macht die studierte Übersetzerin es eben selbst und freut sich an der Ausgrabung eines weiteren Teils der Frauen liebenden Frauengeschichte.
Nur vier bis sechs Titel im Jahr erscheinen in dem kleinen Verlag. Davon können die beiden Büchermacherinnen ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Deshalb arbeiten sie nebenbei in ihren alten Berufen weiter. Ihre Verlagsarbeit sehen die beiden Frauen und erklärten Feministinnen als politisches Engagement. Um Bücher dreht sich ihr Leben, Alltag und Beruf sind dabei nicht mehr zu trennen.
Auf ihrer Webseite bitten Krug und Schadenberg um Konzepte für neue Geschichten und Ideen für neue Bücher, aber „nicht gleich ein ganzes Manuskript schicken!“ In ihrem Einzimmerbüro in Kreuzberg wäre dafür auch gar kein Platz mehr.
Geschichte ist inzwischen auch die Liebesbeziehung von Andrea Krug und Dagmar Schadenberg, doch ihr gemeinsames Kind, der Verlag, hat im Gegensatz zu manch anderem Frauenprojekt solche emotionalen Höhen und Tiefen überlebt: „Es gab natürlich eine ziemlich schlimme Zeit. Keine von uns wollte den Verlag aufgeben, und so mussten wir uns zusammenraufen, aber das ist jetzt auch schon wieder ein paar Jahre her“, sagt die Löwin und blinzelt die Wasserfrau mit der Sicherheit langjähriger Partnerschaft an.
IRENE HUMMEL
Geburtstagsparty – nur für Frauen – Samstag, 20. 9., 19.30 Uhr im Schoko-Café, Mariannenstr. 6, Kreuzberg. Special Guest: Katharina Herb mit „Erotische ErOperungen – 400 Jahre Sex in der Oper“
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