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Krieg & Kino

1882 verbindet Etiénne-Jules Marey in seiner chronofotografischen Flinte, die zwölf Aufnahmen pro Sekunde schießen kann, die Serienfotografie mit dem Rotationsprinzip des Revolvers. Die lichtempfindlichen Platten sind dabei in einer Trommel kreisförmig vor dem Objektiv angeordnet. Die Erfindung gilt als Meilenstein auf dem Weg zur Filmkamera.

Im selben Jahrzehnt führt Eastman-Kodak Nitrozellulose (Zelluloid) als Trägermaterial des Filmbandes ein – eine Verbindung, die so leicht entflammbar ist, dass sie auch als Grundlage zur Sprengstoffproduktion diente. Erst ab den Fünfzigerjahren ersetzen Sicherheitsfilme das gefährliche Material, das in den Vorführkabinen umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen notwendig machte.

Aufwändige Kriegsfilmproduktionen wie „Black Hawk Down“ oder „Windtalkers“ sind auf die Zusammenarbeit mit dem Pentagon angewiesen, das militärisches Gerät, Knowhow und Personal bereitstellt – falls das Drehbuch den Militärs gefällt. Eine eigene Stabstelle im amerikanischen Verteidigungsministerium sichtet und bewertet die Skripte.

In seinem Buch „Krieg und Kino“ beschreibt der französische Medientheoretiker Paul Virilio, wie militärische Luftaufklärung, moderne Waffentechnik und die Geschichte des Kinos sowie der elektronischen Medien in einer „Logistik der Wahrnehmung“ zusammengehen. In seiner Nachfolge skizziert der amerikanische Politikwissenschaftler James Derian in „Virtuous War“ die nahe Zukunft des militärisch-kulturindustriellen Komplexes: in welcher der Krieg und seine Simulation sich so ähnlich werden, dass sie ineinander übergehen.

So genannte intelligente Waffensysteme, mit Kameraauge und automatischen Steuerungssystemen, erlauben die „Operation“ Krieg als ferngesteuertes Medienereignis. Der Soldat erlebt die Kriegshandlungen nicht mehr als Teilnehmer, sondern als Zuschauer – während die Zuschauer in den Kinosesseln dank des Überwältigungsrealismus von Kriegsfilmen wie „Pearl Harbour“ sich in die (im doppelten Sinne) historisch gewordenen Schlachtfelder versetzt sehen.

DIETMAR KAMMERER

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