: Uran aus Kongo
Atomenergiebehörde bestätigt: Angereichertes Uran wurde aus Kinshasa gestohlen. Spur zu al-Qaida?
BERLIN taz ■ Vergessen und strahlend steht er in Kinshasa: Der Forschungsreaktor des „Regionalen Zentrums für Nuklearstudien“ in der Demokratischen Republik Kongo, aus dem nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ein Brennstab mit angereichertem Uran spurlos verschwunden ist. IAEA-Sprecher Mark Gwozdecky sagte gestern der taz, es seien zwei Brennstäbe aus dem Reaktor gestohlen worden, von denen nur einer wieder aufgetaucht ist.
Das Uran ist eine Altlast aus den 70er-Jahren, als Kongo noch Zaire hieß und unter Diktator Mobutu wichtigster Verbündeter der USA in Afrika war. Der Reaktor des Typs Triga II stammt aus dem Jahr 1972 und wurde damals von der US-Firma General Atomic mit Brennstäben ausgerüstet, die etwa 20 Prozent angereichertes Uran enthalten. Er ist einer von vielen Forschungsreaktoren auf der Welt, die weder der Strom- noch der Waffenproduktion dienen, sondern der Herstellung radioaktiver Isotope.
Die Anlage selbst wurde 1958 von den USA gebaut, als Kongo noch Belgisch-Kongo war und Uran für Atomwaffen nach Amerika verkaufte. Der Reaktor wurde 1992 offiziell stillgelegt, weil die USA die Lieferung wichtiger Ersatzteile verweigerten. Seitdem wird er nur noch sporadisch angeschaltet. Erdrutsche haben Risse in die Mauern des Forschungszentrums gezogen. Auf Drängen der IAEA wurden jetzt immerhin Feuermelder und Notbeleuchtung installiert.
Als Diktator Mobutu 1997 von Laurent Kabila gestürzt wurde, der Zaire zur Demokratischen Republik Kongo umbenannte, und Hals über Kopf aus Kinshasa floh, soll seine Entourage mindestens einen Brennstab mitgenommen haben. Jedenfalls tauchte ein Stab mit 190 bis 200 Gramm hoch angereichertem Uran und einem Gesamtgewicht von zehn Kilogramm im März 1998 in Rom auf. V-Männer der italienischen Polizei stellten ihn bei der Mafia sicher.
Die Version des Direktors der Anlage in Kinshasa sowie der IAEA ist, dass dieser Brennstab in den 70er-Jahren gestohlen wurde. Aber erst jetzt sagt IAEA-Sprecher Mark Gwozdiecky, dass nicht ein Stab damals verschwunden sei, sondern zwei. Dem US-Regierungssender Voice of America zufolge könnte der zweite Stab in die Hände von Terroristen zur Herstellung einer „schmutzigen Atombombe“ gefallen sein. Gwozdecky nannte den Brennstab eine „schlechte Wahl“ für Bombenbauer.
David Kyd, ein Experte der IAEA, sagte schon vor Jahren gegenüber der Financial Times, angereichertes Uran aus dem Reaktor befinde sich „wahrscheinlich irgendwo im Busch“. Versuche der USA, das Uran aus dem Kongo zurückzukaufen, sind bisher regelmäßig gescheitert. In den Wirren des Kongokrieges, wo Schmuggler aus aller Welt am Mineralienhandel teilnehmen, wird immer wieder reales oder imaginäres Uran zum Kauf angeboten. So offerierte im Mai 2000 Philemon Luhwindja, traditioneller König aus Ostkongo und Direktor der von Kabila gegründeten Bergbaufirma Somico, zwei Franzosen in Kinshasa angereichertes Uran. Als Frankreichs Geheimdienst die Probe analysierte, stellte er fest, dass das Uran minderwertig war. Luhwindja bekam ein Visum nach Frankreich, wurde verhört – und starb zu Weihnachten 2000 bei Lyon durch einen Genickschuss in seinem Auto.
Immer wieder ist der Verdacht laut geworden, auch in Italien zirkuliere mehr angereichertes Uran aus Kinshasa als 1998 sichergestellt wurde. Im November 2001 begann Italiens Polizei, nach Brennstäben aus dem Kongo zu fahnden, die möglicherweise al-Qaida angeboten werden könnten. In „gewissen Zonen“ von Rom, wo sich die Atomschmuggler der Mafia aufhielten, war laut La Repubblica „abnormal hohe radioaktive Strahlung“ gemessen worden.
DOMINIC JOHNSON
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