Die Sonne, die nicht täuscht

In den 60ern stilbildend, vorübergehend in Vergessenheit geraten und in jüngster Zeit etwas häufiger gewürdigt: Mit einem Kurzfilmprogramm im Metropolis präsentiert sich fünf Tage lang das Filmland Georgien

„Humor ist, wenn man trotzdem Filme macht“

von ALEXANDER MIRIMOV

Wer je geglaubt hat, das Filmland befände sich in Kalifornien (USA), hat sich gewaltig geirrt. Es befindet sich nämlich sich im Kaukasus und heißt Georgien. Nicht so groß und auch nicht so reich wie Kalifornien ist das Land, aber darum geht es freilich am wenigsten bei den traditionellen georgischen Filmtagen im Metropolis-Kino.

„In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts – wenn ich das schreibe, kommt es mir wie eine Ewigkeit vor – kreiste ein Gerücht unter Cineasten: In Georgien entstehen Filme, deren Poesie und Bildersprache man gesehen haben musste, wenn man weiter mitreden wollte“, heißt es in einem vom Hamburger Filmemacher Hark Bohm für die Filmreihe verfassten Programmtext. Die Zeit der Gerüchte ist vorbei: Zum vierten Mal in Folge hat der sonnige georgische Film den deutschen Nordwesten erreicht.

Nach dem Stummfilmland im vorletzten und dem Musikfilmland im letzten Jahr gilt es in diesem Jahr das Kurzfilmland Georgien zu entdecken. Diese Schwerpunktwahl begründet sich neben der zeitlichen Nähe zum Hamburger Kurzfilmfestival darin, dass in der georgischen Filmlandschaft die Kurzfilme immer eine ganz besondere Rolle gespielt haben und eine Art Markenzeichen des nationalen Kinos darstellen.

„Ich glaube nicht, dass es ein anderes Land gibt, das in seiner Weltsicht einen solchen Sinn für das Lächerliche hat“, so der weltbekannte georgische Regisseur Otar Iosseliani (ihm widmet das Metropolis im Herbst eine spezielle Retrospektive) über den berühmten georgischen Humor. „Wenn die Leute sich über jemanden lustig machen, machen sie es mit einer ganz ernsten Miene, so gut, dass man erst am Ende versteht, dass es ein Witz war.“ Da ein Witz, um witzig zu sein, nicht zu lang sein sollte, ist der Kurzfilm eine ideale Form dafür. Auch ein Gedicht sollte lieber nicht zu lang sein, um poetisch zu bleiben: ein weiterer Grund dafür, warum man in Georgien Kurzfilme dreht.

Zwei hoffnungslos verliebte Männer, ein dicker und ein kleiner, kämpfen um die Aufmerksamkeit einer Frau. Aus der Liebesgeschichte wird eine Farce, im Laufe derer die beiden Protagonisten, die längst vergessen haben, warum sie kämpfen, erkennen, dass sie inzwischen einander näher stehen als irgend jemandem sonst auf der Welt. Diese Geschichte erzählt Serenade von Kartlos Chotiwari, ein kleines Meisterwerk aus dem Jahr 1968.

Zwölf Jahre später drehte Nana Djordjadze Die Reise nach Sopot: Zwei komische Vagabunden verkaufen erotische Fotos in überfüllten staubigen Zügen. Ständig von der Polizei und den Kontrolleuren verfolgt, setzen sie ihre Irrfahrt fort und träumen von einem besseren Schicksal. Doch anstatt nach Sopot geht die Reise ins Nirgendwo. Gezeigt werden insgesamt 14 Filme, zum größten Teil kleine poetisch-tragikomische Geschichten, mit einem leichten Hang zum Absurden und dem unverwechselbaren typisch georgischen „mediterranen“ Touch.

Aber nicht nur Geschichten: Dem einzigartigen Universum der georgischen naiven Malerei begegnen wir in Sergo Paradjanovs Variationen auf Pirosmani, einer vom Maler Pirosmani inspirierten Kollage. Gleich neben Paradjanov steht ein weiterer Erneuerer der Film- und Bildsprache: Gogita Tschkonia mit seinem avantgardistischen Irisis Iberika. Um die spirituelle Wiedergeburt des Volkes und einen Versuch, die zum Ritual verkommene Tradition mit neuem Sinn zu füllen, geht es in Alawerdoba von Giorgi Schengelaja.

Einen ganz besonderen Höhepunkt bildet die kleine Werkschau des inzwischen, wie viele in der Reihe vertretenen Regisseure, im Westen lebenden Michail Kobachidze. Die ersten fünf seiner musikalischen Kurzstummfilme (so lässt sich wohl am besten das vom Kobachidze erfundene einzigartige Genre beschreiben) hat er in den Sechziger Jahren gedreht. Den sechsten und bisher letzten, nach mehr als dreißig Jahren Berufsverbot, 2001 in Frankreich.

„Humor ist, wenn man trotzdem Filme macht“, sagt der georgische Filmhistoriker Nino Ketschagmadze über den aktuellen Zustand der nationalen Kinematographie. Humor ist auch, wenn man in der Lage ist, Humor zu verstehen, sagt die Reihe dem geschätzten Hamburger Filmpublikum und schickt es auf die Reise.

Programm I (Alawerdoba, Serenade, Irisis Iberika + Iaw-Nana): Mo, 21.15 Uhr (mit Gästen) + Mi, 19 Uhr; Programm II (Variationen auf Pirosmani, Kewri, Die Reise nach Sopot + Stumrebi): Di, 19 Uhr (mit Gästen) + Fr, 31.5., 21.15 Uhr; Filme von Michail Kobachidze: Di, 21.15 Uhr (mit Gästen) + Do, 30.5., 21.15 Uhr, Metropolis