: Die Rohstoffe des Krieges
Diamanten, Öl, seltene Erze: Die G-8-Regierungen überlegen den Ausbau internationaler Regelwerke für den Handel mit Rohstoffen aus Konfliktgebieten. Aber weder der Konkurrent Asien noch die eigenen Unternehmen ziehen bislang richtig mit
VON DOMINIC JOHNSON
Warlords besorgen Gold mit vorgehaltener Waffe von Schürfern in matschigen Gruben. Regierungen erwerben mit Ölexporterlösen Waffen und schießen dann auf die eigene Bevölkerung. Rohstoffe aus Kriegsgebieten können ein Kriegsfaktor sein – wenn sie einen Markt finden. Die Bundesregierung hat dies auch auf die Tagesordnung der deutschen G-8-Präsidentschaft gesetzt: „Wir wollen uns mit den G-8-Partnern über zentrale Fragen der internationalen Rohstoffpolitik verständigen und mit dazu beitragen, dass Mindeststandards gerade beim Bezug von Rohstoffen aus Konfliktregionen geschaffen und eingehalten werden“, heißt es in der deutschen G-8-Agenda.
Zwei Modelle gibt es bereits. Der Kimberley-Prozess, benannt nach der südafrikanischen Bergbaustadt, in der er 2003 entstand, ist ein Selbstregulierungsmechanismus des internationalen Diamantenhandels. Diamanten waren die wichtigste Geldquelle von brutalen Rebellen in Angola und Sierra Leone in den 90er-Jahren. Das Prinzip des Kimberley-Prozesses ist, dass Rohdiamanten nur noch mit einem staatlichen Herkunftszertifikat in den Handel geraten. Dieses wird unter strengen Kontrollen ausgegeben und soll Bürgerkriegsfraktionen vom Markt ausschließen. Bis heute sind 45 Länder dem Kimberley-Prozess beigetreten und nach eigenen Angaben umfasst er inzwischen 99,8 Prozent der Weltproduktion.
In diesem Jahr hat die EU-Kommission den Vorsitz des Kimberley-Prozesses, Deutschland hat den EU-Vorsitz und nach deutscher Vorstellung soll das Verfahren weiterentwickelt werden. Bisher gibt es keine unabhängigen Kontrollen der Einhaltung der Kimberley-Regeln. Es gibt keine Handhabe gegen Regierungen, die wissentlich Schmuggelware zertifizieren.
Ein staatliches Zertifikat sagt auch nichts darüber aus, ob der Diamant unter sozial und ökologisch akzeptablen Bedingungen gefördert worden ist. In Ländern, in denen der Staat selbst eine kriminelle Vereinigung darstellt, sind staatliche Zertifikate kein Fortschritt. Der informelle Abbau und Handel von Mineralien, der in Afrika 20 Millionen Menschen beschäftigt, könnte mit den Mitteln des Kimberley-Prozesses komplett von Diktatoren zerschlagen werden.
Vorbild Diamantenhandel
Trotz aller Mängel gibt es Bestrebungen, das Kimberley-Modell auf andere Rohstoffe auszuweiten, insbesondere andere Metalle. Innerhalb der EU hat Deutschland die Führungsrolle in Bezug auf Coltan (Colombit-Tantalit) übernommen, eine aus der Computer- und Mobilfunkindustrie nicht mehr wegzudenkende Erzkombination. Ihr Abbau in der Demokratischen Republik Kongo während des Krieges Anfang dieses Jahrzehnts trug zur Finanzierung von Bürgerkriegsarmeen bei.
Ein Zertifizierungssystem, das Coltan auch aus dem Kongo unter bestimmten Bedingungen wieder auf den Markt lassen würde, interessiert unter anderem den deutschen Weltmarktführer bei der Verarbeitung von Tantalit, die Goslarer Firma H. C. Starck. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe testet derzeit die Möglichkeit der Herkunftsbestimmung von Coltan. Doch Überlegungen, nach dem Modell des Kimberley-Prozesses für Diamanten einen „Durban-Prozess“ für Coltan einzurichten und diesen im Naturpark Kahuzi-Biega im Ostkongo auszuprobieren, den die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mitverwaltet, sind bisher nicht umgesetzt worden.
Nun prüft Belgien, wie man Kupfer und Kobalt aus dem Süden des Kongo zertifizieren könnte. Experten sind skeptisch: Wo der Verbraucher weder erkennen kann noch wissen will, was die Rohmaterialien seiner Waren sind und wo sie herkommen, gibt es keinen Anreiz dafür.
Nur bei Prestigegütern wie eben Diamanten oder auch Tropenholz, vielleicht noch Gold, besteht ein Marktinteresse an sauberem Rohstoffhandel. Tropenholz-Zertifikate, die ökologische Unbedenklichkeit garantieren sollen, sind weit verbreitet. Noch fehlt allerdings eine Verknüpfung zwischen diesen Zertifikaten und breiteren Programmen zum Regenwaldschutz.
Ein zweites Modell zur besseren Regulierung des Rohstoffhandels ist die „Extractive Industries Transparency Initiative“ (EITI), die der britische Premierminister Tony Blair 2002 ins Leben rief. In der EITI haben sich bislang 22 Regierungen rohstoffproduzierender Länder freiwillig zu Transparenz im Rohstoffgeschäft verpflichtet, vor allem bei Erdöl und Erdgas: Wer zahlt wie viel, wer erhält wie viel, was passiert mit den Einnahmen.
Ob ein Land EITI umsetzt oder nicht, gilt mittlerweile als Signal für Investoren. Sie wissen, dass es mit EITI für sie klare Regeln gibt, und mehr Transparenz kann ihnen im Konfliktfall auch nützen. Das korrupte Nigeria hat durch den Beitritt zu EITI seine Attraktivität für Investoren erheblich gesteigert.
Doch ähnlich wie der Kimberley-Prozess kennt EITI kein Verfahren, die Umsetzung der Regeln zu erzwingen. Wer nicht mitmachen will, muss auch nicht. Angola und Kongo-Brazzaville sind EITI-Länder und veröffentlichen ihre Öleinnahmen, verfolgen aber Kritiker juristisch, wenn sie die Verwendung der Gelder anprangern.
China treibt den Markt
Ein Grundproblem für all diese Regelwerke ist, dass der globale Rohstoffboom der vergangenen Jahre, der die Preise für Erdöl und strategische Metalle in ungeahnte Höhen treibt, fast ausschließlich von der gesteigerten Nachfrage aus China und anderen asiatischen Schwellenländern getragen wird. Diese aber nehmen an Regelwerken wie EITI nicht teil. Die rohstoffverarbeitende Industrie in Deutschland weist darauf hin, dass es wenig Sinn macht, von Produzenten die Einhaltung kostspieliger Regeln zu verlangen, wenn asiatische Kokurrenten höhere Marktpreise zahlen und billigere Konditionen akzeptieren. Man verdrängt sich damit bloß selbst vom Markt und überlässt ausgerechnet die problematischsten Förderländer den skrupellosesten Ankäufern. Im Mineraliensektor des Kongo oder in der Ölindustrie des Sudan ist dieser Trend bereits deutlich.
Die G-8-Runde, in der Asiens Schwellenländer fehlen, kann dagegen nicht viel tun. Das deutsche Bestreben, auf dem Gipfel mit China, Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika einen „Heiligendamm-Prozess“ zum ständigen Dialog einzurichten, ist allerdings als erster Schritt gedacht, um dem Abhilfe zu schaffen.
Wichtig wäre allerdings auch, in den G-8-Staaten selbst mehr zu tun. Die G-8-Regierungen unterstützen zwar öffentlich Regelwerke, hindern aber Unternehmen aus den eigenen Ländern nicht daran, diese zu brechen. Überhaupt keine Kriterien gibt es für die Vergabe von Konzessionen zur Ölförderung, zum Holzschlag oder zum Erzabbau. Aber in diesen Verträgen liegt der Ursprung vieler Konflikte und Probleme in der Rohstoffextraktion.