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Die Polizei schnüffelt in der Post

Bei der Fahndung nach militanten Anti-Globalisierungs-AktivistInnen führt das Hamburger Landeskriminalamt offenbar umfangreiche Briefkontrollen durch. Ganze Stadtteile sind ins Visier der so genannten Vorfeldermittlungen geraten

Fahnder in der Drogerie

Die Fahndung nach militanten G 8-Gegnern läuft auf verschiedenen Ebenen: Das LKA versucht, Internet-Cafés dazu zu bewegen, Videokameras zu installieren und die Aufnahmen der Polizei zur Verfügung zu stellen. Außerdem hat der Staatsschutz sein Auge auf die Drogeriekette Schlecker geworfen. Mehrere Filialen werden nach taz-Informationen daraufhin observiert, ob dort szeneverdächtige Leute bestimmte Dinge einkaufen. Offensichtlich sind an den Orten der Anschläge Utensilien gefunden worden, die ausschließlich zum Schlecker-Sortiment gehören. Hamburgs Polizeisprecher Ralf Meyer mochte das nicht kommentieren: „Auch zu Observationen sagen wird grundsätzlich nichts.“   KVA

VON KAI VON APPEN

Der Erfolgsdruck auf Polizei und Verfassungsschutz scheint groß zu sein. Um Ermittlungsergebnisse gegen militante Anti-Globalisierungs-AktivistInnen zu präsentieren, die für die vergangene Anschlagsserie verantwortlich gemacht werden, nimmt der Staatsschutz weitere Grundrechtseingriffe vor. So haben sich nach taz-Informationen Fahnder im Briefzentrum Hamburg-Mitte am Kaltenkirchener Platz in einem Raum eingenistet und kontrollieren die Postsendungen mehrerer Zustellungsbezirke – vor allem für die Szenestadtteile Altona, St. Pauli, Eimsbüttel sowie das Schanzen- und das Karoviertel. Die Ermittler fangen demnach für sie verdächtige Postsendungen ab und öffnen sie. Hamburgs Polizeisprecher Ralf Meyer wollte diese Maßnahme weder dementieren noch bestätigen. „Zu polizeitaktischen Fragen machen wir grundsätzlich keine Angaben.“

Die Aktion läuft unter der Federführung des Bundeskriminalamtes, die Ausführung hat das Hamburger Landeskriminalamt (LKA) übernommen. Ein Dutzend LKA-BeamtInnen sind in der „Außenstelle Post“ zurzeit rund um die Uhr im Einsatz. Welches konkrete Ausmaß die Schnüffelaktion hat, ist bisher nicht genau bekannt. Fest steht nur, dass es nicht nur darum geht, mögliche Bekennerbriefe an die Medien frühzeitig abzufangen und dass es nicht nur die Post der zurzeit von einem 129a-Verfahren betroffenen sieben Hamburger betrifft. Denn der Paragraf 129a Strafgesetzbuch („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) gibt den Ermittlern ein Instrumentarium an die Hand, umfangreiche Umfeld- und Kontakt-Ermittlungen vorzunehmen. Das heißt jeder, der sich momentan in der Anti-Globalisierungsbewegung aktiv engagiert, steht mehr oder weniger unter Verdacht. Der Eifer der Fahnder ist sogar schon so weit gegangen, dass Postkasten-Entleerern bestimmter Touren die Briefe aus dem Beutel heraus abgenommen und direkt der LKA-Briefkontrolle zugeführt worden sein sollen, bevor sie in die Briefverteilung gelangten.

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski hat erhebliche Zweifel, dass es für derartige Maßnahmen eine „rechtliche Grundlage“ gebe. „Ich habe erhebliche Bedenken und halte das für unangemessen“. Obwohl die „Gefahrenszenarien idiotisch“ seien, hätten in Sachen G 8-Gipfel die „Sicherheitsbehörden ihre Überwachungs-Phantasien nicht mehr im Griff“. Da den Ermittlern „der Täter abhanden gekommen ist“, würden sie ihre Ermittlungsmethoden ins Vorfeld verlagern, vom Wunsch geprägt, „vor dem Täter am Tatort zu sein“. Man könne aber „nicht ganze Stadtteile unter Generalverdacht stellen“, sagte Lubomierski.

Ähnlich sieht es der Staatsrechtler und Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, Norman Paech: „Sollte dies durch einen gerichtlichen Beschluss gedeckt sein, dann haben die Richter jedes Maß für Grundrechtsschutz verloren.“ Ein solches Vorgehen könne er nur als „abenteuerlich und völlig maßlos“ bezeichnen. Es würden immer exzessiver unter dem Deckmantel der Terrorvermutung unhaltbare Grundrechtseingriffe vorgenommen, sagte Paech.

Staats- und Verfassungsschutz fühlen sich offenbar in der Bredouille. 18 Monate nach Beginn der Anschlagsserie auf Autos und Häuser von Managern und Politikern in Hamburg und zwei Wochen nach den Razzien gegen mutmaßliche G 8-Gegner stehen sie immer noch mit leeren Händen da. Lediglich Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) spricht unbeirrt davon, dass sich die Ermittlungen auf einem guten Weg befänden: „Es hat noch keine Festnahmen gegeben. Das stimmt“, räumt er ein. Aber allein die bundesweiten Razzien in 40 Objekten – darunter der Szenetreffpunkt „Rote Flora“ und das Schauspielhaus in Hamburg oder die Maus und die Universität in Bremen – sehe er sehr wohl als Ermittlungserfolg, sagte der Innensenator. Derzeit werde das beschlagnahmte Material ausgewertet, „um am Schluss eventuell zu Festnahmen und im Weiteren zu Anklagen zu kommen“.

Dagegen räumt Hamburgs Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck durchaus ein, dass die Ermittler nach wie vor weitgehend im Dunkeln tappen. „Das sind abgeschottete Gruppierungen, die wie Profis agieren“, sagt Vahldieck. „Kriminaltechnisch verwertbare Spuren werden nicht hinterlassen.“ Die Aktionen würden „hochkonspirativ“ und in kleinen Gruppen vorbereitet. „Da wird nicht groß gelabert, da wird gehandelt“, sagte Vahldieck.

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