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Archiv-Artikel

Norweger planen „Null-Emission“

Skandinavisches Land will für eine reine Klima-Bilanz sorgen – als erster Staat der Welt

STOCKHOLM taz ■ Norwegen will bis 2050 der erste „Null-Emissions-Staat“ der Welt sein. Dieses ehrgeizige Ziel verkündete Ministerpräsident Jens Stoltenberg am Donnerstag auf dem Parteitag seiner sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Oslo. Er will den klimaneutralen Staat in Etappen erreichen: Bis 2020 soll der Ausstoß des Klimagases CO2 bereits um ein Drittel vermindert werden.

Dieser Kraftakt sei zu erreichen, ohne Jobs in der Industrie zu gefährden, versprach der Regierungschef. Bei seinen Genossen bekam er viel Applaus. Der Naturschutzverband „Naturvernforbundet“ sprach von einem „historischen Schritt“. Die Umweltschutzorganisation „Bellona“ zeigte sich hingegen nicht überzeugt. Sie will erst einmal „konkrete Pläne“ sehen. Denn: Derzeit ist Norwegens Klimapolitik alles andere als Spitze.

Die Vorgaben des Kioto-Abkommens sind für das Land kaum einzuhalten. Darin hatten sich Norwegen und andere Industriestaaten verpflichtet, bis 2012 den Ausstoß klimaschädlicher Gase um 5 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Norwegens Emissionen steigen aber trotzdem: Sie liegen derzeit um 8,5 Prozent höher als 1990. Und das, obwohl das Land den eigenen Strombedarf fast zu hundert Prozent mit CO2-freier Wasserkraft deckt.

Ursache der schlechten Klimabilanz: Norwegen ist der größte europäische Erdöl- und Gasproduzent. 25 Prozent der Treibhausgas-Emissionen entfallen auf die Förderung, 18 Prozent auf den Verkehr. Kurzfristiges Einsparpotenzial sieht die norwegische Regierung aber vor allem bei der Industrie. Sie setzt 29 Prozent aller Klimagase frei und ist damit der größte Verschmutzer.

Norwegen wird darum den Handel mit Emissionsrechten einführen. Vier Fünftel der Verschmutzungslizenzen sollen gratis verteilt werden, die anderen werden verkauft. Das trifft vor allem Firmen, die Erdöl- und Erdgasfelder im Meer ausbeuten. Denn die Plattformen werden fast alle mit Strom versorgt, der durch die Verbrennung von Erdgas gewonnen wird. Das Ziel: Sie sollen sich umstellen und große Stromkabel bis zum Festland legen, damit sie von dort Strom aus Wasserkraft beziehen können. Darüber hinaus soll Bahnfahren attraktiver und Autofahren zugleich teurer werden.

Den größten Schritt zum klimaneutralen Staat will Norwegen aber offenbar machen, indem es nicht selbst Emissionen einspart, sondern sie an anderer Stelle wieder ausgleicht. Das funktioniert so: Norweger finanzieren zum Beispiel die Umrüstung einer Schulküche auf Solarherde in Indien oder China. Rasmus Hansson, Generalsekretär von WWF Norwegen, kritisiert: „Ablassbriefe sind nicht der richtige Weg. Norwegen muss seinen Job schon schon selbst erledigen.“ REINHARD WOLFF