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Zypern mischt Champions League aufHakenkreuze in Nikosias Stadion

Apoel Nikosia aus Zypern ist die Überraschung im europäischen Fußball. Der umstrittene national-hellenistisch und erzkonservativ gesinnte Verein steht vor dem Achtelfinaleinzug.

Zyprischer Griechenfreund: Apoel-Anhänger mit Fanschal. Bild: dpa

BERLIN taz | Apoel Nikosia, Zenit St. Petersburg, Shakhtar Donetsk und der FC Porto. Das sind nicht gerade die klangvollsten Vereinsnamen, die da in die Champions-League Gruppe G zusammengelost wurden. Dennoch hat gerade diese Konstellation ihren ganz besonderen Reiz.

Es ist zum Beispiel die einzige Gruppe im Wettbewerb, in der ausschließlich Landesmeister gegeneinander spielen. Das war einstmals die Voraussetzung, um an diesem Wettbewerb überhaupt teilnehmen zu dürfen. Und an der Spitze eben dieser Gruppe G thront mit APOEL Nikosia zudem ein ungeschlagener Außenseiter, der heute bei Zenit Petersburg etwas richtig Großes im Sinn hat.

Sollte der zypriotische Hauptstadtklub nämlich gewinnen, dann wäre er für das Achtelfinale der Champions League qualifiziert. Das ist bisher noch keinem Verein aus Zypern gelungen. "Wir sind stolz auf uns, den Verein und vor allem auf Zypern", so jubelte der Brasilianer Ailton nach dem denkwürdigen 2:1 Heimerfolg am 1. November gegen den FC Porto, der die vorzügliche Ausgangslage heute überhaupt ermöglichte.

23.000 Zuschauer im frisch renovierten GSP-Nationalstadion Stadion von Nikosia feierten eine Nacht lang den Sieg über den Favoriten aus Porto mit vor allem pro-zypriotischen Gesängen. Eine unglaubliche Zahl. Vor allem wenn man bedenkt, dass im griechischen Teil der durch die "Grüne Linie" geteilten Stadt nur 50.000 Menschen leben. Doch woher kommt dieser Stolz, diese permanenten Verweise auf die Nation, die Spieler, Fans wie Funktionäre seit Wochen hinausbrüllen?

Griechen aus Nikosia

Wie eigentlich alles auf Zypern, so muss man auch den Fußballklub Apoel Nikosia politisch einordnen, um ihn zu verstehen. Der Vereinsame macht es ein wenig leichter. Denn er zeigt an, worum es in diesem Klub neben Fußball auch geht. Athlitikos Podosfairikos Omilos Ellinon Levkosias, kurz Apoel, steht für den Sport- und Fußballverein der Griechen aus Nikosia. Sie gründeten am 8. November 1926 den Klub, der in diesem Jahr seinen 85. Geburtstag feiert.

Die Vereinsfarben gelb und blau verweisen unmissverständlich auf die beiden Länder Griechenland (blau) und Zypern (gelb). Apoel gilt als einer der einflussreichsten Sportvereine auf Zypern und das Jahr 1948 als das entscheidende Jahr in der Klubgeschichte.

Eine Grußadresse von Apoel an den neu gegründeten Griechischen Sportbund (Segas), in der der ausgehende griechische Bürgerkrieg als "Kommunistische Revolte" diffamiert wurde, sorgte damals für eine politisch motivierte Spielerflucht. Viele verließen den Verein und wirkten bei der Gründung von Omonia Nikosia mit. Seit dieser Spaltung ist Apoel politisch stramm konservativ und national-hellenistisch ausgerichtet.

Antikolonialistische Kämpfe

In der Zeit des zypriotischen Aufstands gegen Großbritannien in den Jahren 1955 bis 1959 wurde an dem nationalen Mythos Apoels weiter kräftig gearbeitet. Einige Apoel-Kicker beteiligten sich an den antikolonialistischen Kämpfen. Manche sogar aktiv in der Befreiungsbewegung Eoka.

Die berühmtesten von ihnen waren Michalis Karaolis und Andreas Dimitriou. Die beiden wurden 1956 von den Briten erst gefangengenommen, dann erhängt. Seitdem gelten sie als Nationalhelden des Unabhängigkeitskriegs und Apoel als der ganze Fußballstolz des national-konservativen Establishments. Im Jahr 1974, zur Zeit der griechischen Militärjunta, spielte Apoel in der griechischen Liga, "zur Stärkung der griechisch-zypriotischen Beziehungen", wie es in der Vereinschronik geschrieben steht.

Noch heute schwenken die Apoel-Fans die blau-weißen Griechenlandfahnen. Auch das offene Zeigen von Nazi-Symbolen wie Hakenkreuze ist manchem Apoel-Fan nicht fremd. "Ein überzeugtes Eingreifen der Vereinsführung gegen diese Umtriebe sucht man vergebens", beklagt sich der zypriotische Sportjournalist Panos Lakos vom staatlichen TV-Sender Zyperns gegenüber der taz.

Vielfalt und Unberechenbarkeit

Der 21malige zypriotische Meister Apoel wirtschaftet mit einem Saisonetat von rund 13 Millionen Euro. Das Team bringt es auf einen geschätzten Marktwert von 17 Millionen Euro. Von einem europäischen Fußballwunder aber möchte Trainer Ivan Iovanovic trotzdem nicht sprechen.

"Die Vielfalt des Kaders und damit seine Unberechenbarkeit macht uns stark", erklärt der Serbe in diesen Tagen all den Journalisten, die den Erfolgen von Apoel auf die Schliche kommen wollen. Wie zum Beweis stellte er sein Team gegen den FC Porto aus Brasilianern, Portugiesen und Griechen zusammen. Ein einziger Zypriote war immerhin auch dabei.

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6 Kommentare

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  • J
    joe

    Sie stehen hinter dem Fussball, dort wie hier, wie sonstwo. Sie haben aber gar nichts mit Sport und Fussball zu tun. Sie sind stolz, wenn sie siegen und empört, wenn sie verlieren. Sie beschimpfen und beleidigen den Unterlegenen und seine Anhänger. Andererseits wie groß wären die gesellschaftlichen Reibungen, wenn diese Menschen im Fussball nicht ihr Zuhause fänden? Eine Alternative ist die Anhänger zu Sportlern zu machen, damit sie die schöne Seite des Wettkamps kennenlernen.

    Rauchende, trinkende Anhänger zum Teil alles andere als sportlich körperlich strukturiert gehen nicht ins Stadion, um die Reize des Sports zu erleben, sie laden ihre Angriffslust ab und wehe dem, der dazwischen geht.

  • C
    Canazzo

    @kotsch

     

    Natürlich gibt es auch sehr angenehme RUM (Zypern-Türkeigriechen) aber ich sag das mal so, die politischen Parteien und orthodoxe Religionsführer stacheln die Menschen mit ihren Äußerungen immer wieder gegen Türken auf. Und da gibt es ebenfalls noch eine Partei, die von einem türkenreinen Zypern träumt, wie sie das auch vor dem türkischen Eingriff durch Massaker versucht haben, zu erreichen. Also ist immer Vorsicht geboten auf Zypern.

  • K
    kotsch

    ich war noch letzte woche auf zypern und kann die kommentare von neo und canazzo in keinster weise bestätigen. ich habe mit vielen gr. zyprioten gesprochen. sie hegen keinen hass auf die tr. zyprioten. die festlandstürken sind schon eher unbeliebt.

    lieber canazzo, wie kriegen denn tr. zyprioten die feindeseligkeit der gr. seite zu spüren?

  • M
    Mirko

    Diffamieren kann schon spass machen.

  • C
    Canazzo

    Die Hakenkreuze sind nicht nur im Stadion, sondern auch in den Köpfen und tief im Herzen dieser Menschen. Was glauben sie, warum die Türkei 74 eingreifen musste. Die Feindseligkeit gegenüber Türken kriegt man noch heute zu spüren!

  • N
    Neo

    Griechische Zyprioten und Hakenkreuze?

     

    Liebe Taz, waren Sie ebenfalls jahrzehntelang auf dem rechten Auge blind?

    Es ist doch kein Geheimnis, dass die Mehrheit der griechischen Zyprer rechtsextremistisches Gedankengut hegen und pflegen. Der ewige Nationalheld "Nicos Sampson" und Konsorten, ein massenhafter Türkenschlächter aus dem Lehrbuch (mehr als 200 Frauen und Kinder), entstammt(e) ebenfalls aus dieser "erzkonservativen" Mitte.

     

    Die türkischen Soldaten sind genau aus diesem Grund auf der Insel bei den Inseltürken.