Zukunft der Mietenproteste: Routine oder Renitenz
In München trafen sich Mieterinitiativen und Verbände zur bundesweiten Konferenz. Auf dem Abschlusspodium bleiben die entscheidenden Fragen aus.
„Wenn München die Stadt des Mietenwahnsinns ist, dann ist Berlin die Stadt der wohnungspolitischen Renitenz“, hatte der Stadtplaner Robert Kaltenbrunner am Vortag den vierten Kongress des „Netzwerk Mieten & Wohnen“ mit rund 150 Teilnehmern eröffnet. In ihm koordinieren sich seit wenigen Jahren wichtige Mieteraktivisten und Verbände wie der Deutsche Mieterbund.
Dieses Jahr traf man sich in München, gleich aus mehreren Gründen: nicht nur weil die bayerische Landeshauptstadt die Stadt der höchsten Mieten ist, sondern auch, weil die städtische Politik seit Langem Antworten auf das Problem sucht – etwa im Vorgehen gegen Airbnb. Nicht zuletzt hatte die „Ausspekuliert“-Demonstration im vergangenen Herbst mit über 10.000 Teilnehmern die Hoffnung genährt, auch im bislang ruhigen München könnte sich eine größere Mieterbewegung etablieren.
Zwei Tage ging es in Workshops um den Aufbau vom Mieterinitiativen, die Bekämpfung von Obdachlosigkeit und kommunale Wohnungspolitik. Den spannendsten Punkt versprach die Podiumsdiskussion zum Abschluss mit der Frage, wie die Bündnisse gegen Wohnungsnot mehr Durchschlagskraft bekommen könnten.
Lukas Siebenkotten, Deutscher Mieterbund
Die spärlich besuchte Kundgebung in München bot eigentlich eine Steilvorlage: Warum ist der Protest dort, wo die Mieten am höchsten sind, geringer als in Städten wie Berlin? Und warum steigen Mieten trotz einer mieterfreundlichen Stadtverwaltung – gibt sich die Zivilgesellschaft möglicherweise mit zu wenig zufrieden? Aber die Debatte blieb aus.
„Es hat uns vom Hocker gerissen, dass wir im letzten Herbst so viele mobilisieren konnten“, sagte Jennifer Wallace von „ausspekuliert“. In der Initiative hatten sich anfangs drei von Mietsteigerungen betroffene Häuser zusammengeschlossen.
Simone Burger (DGB München) sprach davon, dass „Offenheit und Vertrauen“ für die Zusammenarbeit mit den Initiativen notwendig seien. Obwohl das Mietenthema in München schon „immer da war“, war sie vom großen Zulauf für „ausspekuliert“ überrascht.
Magnus Hengge von Berliner Initiative Bizim Kiez äußerte sich dagegen enttäuscht über die Zusammenarbeit mit den Verbänden. Diese seien davon überrascht, „wie stark die Aufwallung von unten ist“. Viele lokale Ableger des Mieterbundes beschränkten sich auf die rechtliche Beratung, die politische Unterstützung bleibe aus. Viele Mieterinitiativen seien oft durch die Koordinierungsarbeit mit anderen Gruppen zeitlich überfordert. In seinem Kreuzberger Bezirk gebe es jetzt endlich nach langen Monaten einen Hauptamtlichen, der die verschiedenen Kiezgruppen zusammenbringe.
Mieterbund-Bundesdirektor Lukas Siebenkotten pflichtete ihm teilweise bei: Der Mieterbund sei „nicht in der Lage, alleine 30.000 Menschen auf die Straße zu bringen“. Die lokalen Gruppen des Mieterbundes seien autonom, Mitglieder von „DKP bis CDU“ aktiv. Noch vor einiger Zeit habe man im DMB vertreten, dass man nicht mit anderen zusammenarbeiten müsse. „Die Lust, mit anderen Bündnisse zu schmieden, steigt aber.“
Stephan Nagel (Diakonisches Werk Hamburg) meinte, soziale Bewegungen machten die „Spielräume für die großen Tanker“, also den Mieterbund oder Parteien, größer. Das klang nach traditionell linker Bewegungstheorie.
Dabei ging die Sensation des Wochenendes, nämlich das „Deutsche Wohnen & Co enteignen“-Volksbegehren in Berlin, von Leuten wie Rouzbeh Taheri aus, die weder in der Initiativszene noch den Verbänden richtig zu Hause sind. Taheri beschäftigt sich seit langem damit, mit Volksbegehren den Berliner Senat von links unter Druck zu setzen.
Vielleicht besteht der Konflikt in der Mieterbewegung daher gar nicht zwischen Initiativen und Verbänden, sondern in der Frage, ob man kreativ ist – und die große Konfrontation mit der Immobilienwirtschaft sucht.
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