Wissenschaftler über Gentechnik: „Soja erhöht das Allergierisiko“
Christoph Then vom gentechnikkritischen Institut Testbiotech über veränderte Sojabohnen, Pflanzenschutzmittel und die derzeitige Zulassungspraxis.
taz: Herr Then, die EU-Kommission hat den Import einer gentechnisch veränderten Sojasorte erlaubt. Warum finden Sie diese Sorte so problematisch?
Christoph Then: Es ist die erste Sorte, die in mehreren Merkmalen gentechnisch verändert ist. Sie ist resistent gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat und bildet gleichzeitig ein Insektengift, das sie vor Schädlingen schützen soll. Anlass zur Sorge gibt vor allem das Insektengift. Das ist ein Eiweißstoff, der Reaktionen des Immunsystems verstärkt. Und Soja ist sowieso eine der bedenklichsten Nahrungspflanzen, wenn es um Allergien geht. Wenn also noch ein Stoff dazukommt, der immunverstärkend wirkt, besteht die Gefahr, dass Allergien verstärkt werden.
Welche Arten von Allergien sind das?
Es ist möglich, dass Menschen, die empfindlich sind gegenüber Sojaeiweiß, eine heftigere allergische Reaktion nach dem Verzehr bekommen oder dass diese Allergien noch zunehmen.
Sie haben angekündigt, rechtliche Schritte einleiten zu wollen.
Ich sitze gerade an einer Beschwerde an die EU-Kommission. Das Risiko für Allergiker wird da ein wesentliches Argument. Wir haben darüber hinaus ein Rechtsgutachten erstellen lassen, wonach die derzeitige Zulassungspraxis nicht in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen ist. Das betrifft vor allem die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. Außerdem müssten nach der Zulassung die gesundheitlichen Auswirkungen überwacht werden. Wenn die EU-Kommission nicht reagiert, wäre der nächste Schritt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Wir werden diesen Schritt ernsthaft prüfen.
50, ist seit 2008 Leiter des gentechnikkritischen Instituts Testbiotech. Zuvor war der Tierarzt bei Greenpeace zuständig für Themen aus dem Bereich Landwirtschaft.
Ist so ein Vorgehen schnell genug, um zu verhindern, dass das Soja auf den Markt kommt?
Das ist möglich. Monsanto will die Sorte vor allem in Brasilien anbauen und hat damit wohl noch nicht angefangen. Die Ernte dort ist nächstes Jahr, die Sojabohnen würden also erst im Frühjahr in die EU kommen.
Falls das nicht klappt – was raten Sie Verbrauchern?
Zumindest in Europa wird das Soja vermutlich nur als Futtermittel eingesetzt werden, weil die Widerstände gegen Gentechnik groß sind. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass das Allergierisiko durch die Nahrungskette durchgereicht wird. Wer aber sichergehen will, dass die Tiere kein Futter aus gentechnisch veränderten Pflanzen bekommen haben, muss auf biologische Herstellung achten oder das Siegel „Ohne Gentechnik“.
Also ist das gesundheitliche Risiko erst einmal theoretisch.
Erst einmal ja. Aber es wäre bereits jetzt erlaubt, aus der importierten Sojabohne Sojamilch zu machen oder Sprossen zu ziehen. Und man kann sich nicht darauf verlassen, dass die Lebensmittelindustrie ewig darauf verzichtet, solche Produkte anzubieten.
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