Wahlrechtsreform in Ungarn: Protestierende Politiker eingesperrt
In Ungarn sind ein Dutzend grüne Parlamentarier und prominente Sozialisten festgenommen worden. Sie protestierten gegen umstrittene Reformen der rechtskonservativen Regierung.
BUDAPEST rtr/dpa | In Ungarn spitzt sich der Konflikt um die Reformen der rechtskonservativen Regierung von Ministerpräsident Victor Orban zu. Die Polizei nahm am Freitag während einer Demonstration vor dem Parlament in Budapest mehr als ein Dutzend Oppositionelle fest, darunter elf Abgeordnete der grünen Partei LMP. Letztere hatten sich vor dem Gebäude an ein Gitter gekettet.
Zu den Festgenommenen gehörten auch der frühere Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany sowie der Fraktionschef der sozialistischen Partei, Attila Mesterhazy. Gyurcsany, der zwei sozialistische Regierungen angeführt hat, wurde nach eigenen Angaben nach kurzer Zeit wieder freigelassen.
Mesterhazy wurde abgeführt, als er versuchte, die Festnahme weiterer LMP-Abgeordneter zu verhindern. Angaben der LMP zufolge waren bis zum Nachmittag 11 der 15 Fraktionsmitglieder in Gewahrsam der Polizei. Sie hatten demnach zuvor ihr Einverständnis für eine Aufhebung ihrer Immunität gegeben.
Die Demokratie mit dem Körper verteidigen
"Ich bin hier, weil es eine Schande für die Regierungsmehrheit ist, dass wir die parlamentarische Demokratie mit unserem Körper verteidigen müssen", sagte LMP-Vertreter Gabor Scheiring. Die angeketteten Parlamentarier und Aktivisten hielten Fotos hoch, die die einzelnen Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) zeigten, mit der Unterschrift: "Du wirst doch die Demokratie nicht verraten, oder?"
Konkret richtete sich die Demonstration vor allem gegen eine Wahlrechtsreform, die durch Stärkung des Mehrheitswahlrechts und einen Neuzuschnitt der Wahlkreise aus Sicht der Opposition der Regierungspartei Vorteile verschafft. Weiter stimmten die Parlamentarier für eine Verlängerung der einheitlichen Unternehmensbesteuerung mit einem Einheitssteuersatz von 16 Prozent und ihre Festschreibung in einem Verfassungsgesetz, womit sie zukünftig nur noch mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann.
Mit demselben Gesetzespaket billigten die rechten Regierungsfraktionen auch eine Lockerung der Schuldenbremse, die in der neuen, ab 2012 geltenden Verfassung verankert ist. Sie soll nun erst ab 2016 wirksam werden. Weiter ging es um ein neues Zentralbankgesetz, das nach Ansicht von EU und EZB die Unabhängigkeit der Notenbank gefährdet. Wegen des Konflikts liegen derzeit Verhandlungen Ungarns mit IWF und der EU über weitere Finanzhilfen auf Eis.
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