Video von Occupy-Berlin: Auch Polizisten dürfen mitreden
Bei Occupy Berlin wollte der Polizeiführer auch mal was sagen - und er durfte. Die Demonstranten wollten ihn gleich zu ihrem Leiter machen.
BERLIN taz | "Ich merke, Sie sprechen's mir nach", sagt Polizeiführer Manske am Sonntag vor dem Bundestagsgebäude. Er will die versammelten Menschen auf der Wiese ansprechen, die sich wie an vielen Orten auf der Welt der kapitalismuskritischen "Occupy"-Bewegung angeschlossen haben. Jeder Satz, den der belustigte Polizist spricht, wird von allen wiederholt.
"Das hier ist kein... Gebet," klärt ihn einer der Anwesenden in kurzen, wiederholbaren Sätzen auf. "Das dient... dass auch die Schwerhörigen... in der letzten Reihe... jedes ihrer wichtigen Worte... verstehen." Polizeiführer Manske verspricht auch in kurzen Sätzen zu sprechen.
Das "menschliche Mikrofon" ist eine New Yorker Erfindung. Dort dürfen die Wall-Street-Besetzer keine elektrischen Geräuschverstärker nutzen, und nutzen deshalb natürliche Verstärkung. Will jemand etwas durchsagen, ruft die sprechende Person "Mic Check", die Umstehenden wiederholen die Worte bis die Aufmerksamkeit aller gesichert ist. Dann wird die Rede Satz für Satz von allen wiederholt.
Empfohlener externer Inhalt
Das gilt auch für Polizeiführer Manske, der aber keine Protestrede hält, sondern behauptet, dass auch die Spontandemonstration einen Leiter brauche – fälschlicherweise, wie er den Hinweisen der Berliner Polizei zum Demonstrationsrecht hätte entnehmen können. "Wir sind die 99 Prozent", antworten die Versammelten. "Wollen Sie unser Leiter werden?" "Ich bin doch schon der Leiter der Polizei", gibt er charmant zurück.
Als sich kein Leiter findet, will Polizeiführer Manske die Versammlung auflösen. Doch dann machen die Menschen auf der Wiese ihren Gegenvorschlag: "Wenn Sie die Versammlung, die keine Versammlung ist, auflösen wollen... dann haben Sie sicherlich auch Polizeikräfte... zur Verfügung... uns auf einem Spaziergang zu begleiten... Wir wollen nämlich gerade... alle zusammen... zum Pariser Platz laufen... vor das Brandenburger Tor."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod