Verfahren gegen Glaeseker: „Schnulli“ auf der Anklagebank
Christian Wulffs Exregierungssprecher Olaf Glaeseker steht nun wegen Korruption vor Gericht. Er soll sein Amt für private Gefälligkeiten missbraucht haben.
HANNOVER taz | Die Wulff-Affäre beschäftigt ab Montag eine weitere Strafkammer des Landgerichts Hannover. Dann beginnt der Korruptionsprozess gegen Olaf Glaeseker, der über zehn Jahre Sprecher und Berater des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) war.
„Im Kern identisch“, nennt die Staatsanwaltschaft Hannover die Verfahren gegen den einstigen Dienstherrn und seinen früheren Staatssekretär. Beide sollen sich durch Vergünstigungen spendabler Privatunternehmer bei dienstlichen Entscheidungen beeinflussen lassen haben.
Wulff steht wegen Vorteilsannahme rund um einen Oktoberfestbesuch 2008 vor Gericht, Gesamtwert knapp 720 Euro. Glaeseker wegen Bestechlichkeit durch 9 Gratisurlaube in Ferienhäusern des Eventmanagers Manfred Schmidt sowie 19 Freiflüge, Gesamtwert 12.000 Euro. Im Gegenzug soll sich Glaeseker als niedersächsischer Regierungssprecher für die Polit-Promi-Partys Nord-Süd-Dialog eingesetzt, Sponsoren gesucht und Landesgelder organisiert haben.
Eventmanager Schmidt, der ab Montag wegen Bestechung ebenfalls auf der Anklagebank sitzt, firmierte als Privatveranstalter der Lobbyistentreffen zwischen Politikern, Wirtschaftsbossen, Stars und Sportlern. Über eine Million Euro soll er mit den Nord-Süd-Dialogen eingenommen haben, die der Imagepflege von Niedersachsen und Baden-Württemberg dienen sollten.
Stargäste und Gratisferien
Dreimal fanden die Events zwischen 2007 und 2009 statt, abwechselnd in Hannover und Stuttgart. Schirmherren waren der damalige Ministerpräsident Wulff und sein baden-württembergischer Amtskollege Günther Oettinger (ebenfalls CDU). 2009 mietete man einen ganzen Terminal des Flughafens Hannover für die Party. Stargäste: Die Schauspielerinnen Faye Dunaway und Veronica Ferres, samt ihrem Verlobten Carsten Maschmeyer, Gründer des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD.
Dass er sich wegen der Gratisferien bei Veranstalter Schmidt für die Partys engagierte, streitet Glaeseker ab. Insgesamt 650.000 Euro Sponsorengelder warb der langjährige Wulff-Vertraute ein. Schmidt soll er zudem „bei Vertragsverhandlungen unterstützt“ haben, lastet ihm die Staatsanwaltschaft an.
Glaesekers Verteidiger berufen sich stattdessen auf ein „fast familiäres Verhältnis“ der beiden, die einander laut Ermittlungsakten „Schnulli“ und „Oberschnulli“ tauften. Rein privat habe Glaeseker Schmidt unterstützt, aus reiner Freundschaft habe der ihn nach Spanien und Frankreich eingeladen.
Nichts gewusst
20 Verhandlungstage sind beim Landgericht bislang angesetzt, um das zu überprüfen, 18 Zeugen geladen. Im Frühjahr wird Wulff selbst erwartet. Er gab schon bei den Ermittlungen zu Protokoll, weder vom Einsatz seines Sprechers für die Nord-Süd-Dialoge noch von den Urlauben bei Schmidt gewusst zu haben. „Null Kontakt“ will er während der Reisen zu Glaeseker gehabt haben, den er einst seinen „siamesischen Zwilling“ nannte.
Eventmanager Schmidt hat dem bereits scharf widersprochen: Wulff sei „immer“ informiert gewesen und habe sich sogar ausdrücklich bei ihm dafür bedankt, dass seine erste Frau Christiane nach der Trennung gemeinsam mit Glaeseker bei ihm urlauben durfte.
Wird Wulff eine Falschaussage nachgewiesen, könnte das seine Glaubwürdigkeit auch in seinem eigenen Prozess ankratzen. Für die Staatsanwaltschaft ist das Glaeseker-Verfahren nur ein weiterer Beleg, dass „es im Umfeld des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten mit hinreichender Sicherheit zu Korruptionsstraftaten gekommen ist“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!