Vegetation als Kohlenstoffspeicher: Den Wald besser in Ruhe lassen
Der Mensch forciert nicht nur den Klimawandel, er erschwert auch den Umgang mit ihm. Biologische Vielfalt begünstigt die Anpasssung.
Pflanzen sind ein flüchtiger Speicherplatz. Sie nehmen Kohlenstoffdioxid auf, wachsen und geben die Kohlenstoffatome nach einer gewissen Zeit an die Atmosphäre oder den Boden ab. Bisher war es unklar, wie lange der Kohlenstoff in der Biomasse gespeichert wird.
Ein Forscherteam um Karlheinz Erb, Professor am Institut für Soziale Ökologie der Universität Klagenfurt, hat diese Zeitspanne definiert und festgestellt, dass sie sich durch das menschliche Handeln verkürzt (Nature Geoscience). „Wir konnten herausfinden, dass sich die durchschnittliche Speicherungsfähigkeit der Vegetation durch die Landnutzung von 13 Jahren auf 7 Jahre reduziert“, erklärt Erb gegenüber der taz.
Um diese „Biomasseumsatzrate“ zu berechnen, verglichen die Forscher weltweit die Speicherungsfähigkeit der aktuellen Vegetation mit jener einer „potentiellen Vegetation“, einer quasi naturbelassenen Pflanzenwelt. Dazu gingen die Forscher von einer hypothetischen Pflanzenwelt ohne menschlichen Einfluss, aber unter den gleichen klimatischen Bedingungen wie heute aus. Die Unterschiede sind enorm – die Zeitdauer, in der Kohlenstoff gespeichert wird, halbiert sich fast.
Ein Großteil dieser Beschleunigung wird laut Erb durch die landwirtschaftliche Nutzung von Wäldern verursacht. Wird ein Regenwald abgeholzt und zur Agrarfläche umgestaltet, verkürzt sich die Fähigkeit der Vegetation insgesamt, Kohlenstoff zu speichern. Zudem seien die waldwirtschaftliche Nutzung zu 26 Prozent und beweidete Grünflächen zu 15 Prozent für die verkürzte Zeitdauer verantwortlich.
Möglich war die Forschung durch einen enormen Datensatz. Bereits in den 70er Jahren begannen Wissenschaftler Daten zu Bäumen und Wäldern zu sammeln und zu vereinheitlichen – daraus leiten die Wissenschaftler ab, wie lange Kohlenstoff gespeichert werden kann. So konnte ein weltweites Bild erstellt werden: „Die globale Perspektive ist wichtig. Wenn beispielsweise in Europa der Wald zurückkommt, werden für europäische Nahrungsmittel woanders Flächen genutzt“, erklärt Karlheinz Erb.
Der menschliche Faktor
Hilfreich ist das neue Wissen für die Klimaforschung. Durch die Studie kann sie die Menge Kohlenstoff, die von Pflanzen gespeichert wird, besser abschätzen. Für Erb ist das aber nur der Anfang: „Es ist wichtig ,den menschlichen Einfluss stärker in die Klimaforschung miteinzubeziehen.“ Dies sei nur durch eine interdisziplinäre Forschung mit beispielsweise der Wirtschaftsforschung möglich. Aber auch klimapolitisch werden Fragen aufgeworfen: „Mit der wachsenden Bevölkerungszahl werden mehr landwirtschaftliche Flächen benötigt. Kann so die Biomasse umweltschonend energetisch genutzt werden?“, fragt Erb.
Boris Sakschewski, Klimaforscher
Doch die Abholzung der Bäume verschärft nicht nur den Klimawandel, durch sie wird es für die bestehenden Wälder schwieriger, auf den Klimawandel zu reagieren. Dies zeigt eine Studie vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht wurde. In umfassenden Computer-Simulationen des Amazonas-Regenwaldes stellten die Wissenschaftler fest, dass die biologische Vielfalt eines Waldes ihm den Umgang mit dem Klimawandel erleichtert.
„Diese Vielfalt ist wie ein Werkzeugkasten. Sie erweitert die Möglichkeiten des Waldes, auf unterschiedliche Gegebenheiten zu reagieren“, erklärt Boris Sakschewski, Leitautor der Studie und Forscher am PIK. Mit dem sich verändernden Klima ändert sich auch die Zusammensetzung der Wälder. Jeder Baum hat eine unterschiedliche „Blatt- und Holzökonomie“. So haben unterschiedliche Bäume verschiedene Blatt- oder Holzdichten. Dies beeinflusst, ob sie bei einem bestimmten Klima überleben und welche Leistung die Bäume zeigen.
Daher sei es laut Sakschewski „wichtig, die Biodiversität nicht nur aus dem Blickwinkel des Naturschutzes, sondern auch ihren funktionellen Wert für den Klimaschutz zu sehen“. DieDiversität könne helfen, den Regenwald unter dem Einfluss des Klimawandels zu erhalten – solange dieser moderat ausfällt.
Biodiversität ist ein Muss
Möglich wurde diese Erkenntnis durch eine Vegetationssimulation: „Von Klima- und Erdsystemmodellen erhalten wir Prognosen zur zukünftigen Temperatur, Bewölkung, Niederschlag und dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Mit diesen Daten können wir die Auswirkungen auf die Vegetation simulieren.“ Dabei zeige sich: „Biodiversität ist nicht nur schön zu haben, sondern ein Muss.“
Doch diese positive Wirkung ist begrenzt – bei massivem Klimawandel kann auch die Biodiversität dem Wald kaum noch helfen. Sakschewski betont, dass es deshalb wichtig sei, die Emissionen von Kohlenstoffdioxid zu reduzieren: „Wird der Ausstoß nicht eingeschränkt, könnte ein Großteil der Wälder verschwinden“.
Wie auch Erb arbeitet Sakschewski mit seinen Kollegen daran, die Computermodelle stetig zu erweitern. „Die Natur ist diverser als in vielen Modellen angenommen.“
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