VFB Stuttgart in der Krise: Wie einst unter Egon Coordes
Nach dem 1:4 gegen Bremen hat der VfB Stuttgart ein Problem. Damit haben die Verantwortlichen des Vereins gar nicht gerechnet.
STUTTGART taz | Über die Strafraumlinie hinaus trauten sich die VfB-Spieler mit ihrem Maskottchen nicht. Vor ein paar Minuten hatte Schiedsrichter Günter Perl das Spiel gegen Werder Bremen abgepfiffen und jetzt mussten die Unterlegenen gemäß dem üblichen Bundesligaprotokoll zu ihren Fans, die aber nach dem 1:4 daheim keine besonders gute Laune hatten.
„Wir haben die Schnauze voll“, tönte es den Stuttgartern entgegen. Die Haupttribüne ließ die Cannstatter Kurve noch wissen: „Stuttgart retten, Vorstand raus“. Das hörte dort kaum noch einer. Stuttgarts kritisches Tribünenpublikum war schon ab der 70. Minute in Scharen aus dem Stadion geflohen.
Die geknickten Kicker winkten den Anhängern ungefähr so energetisch, wie sie in der zweiten Hälfte gegen Werder verteidigt hatten, und trollten sich dann schnell Richtung Kabine. Die Krise ist wieder da am Neckar. Die lokale Presse sah am Sonntag den VfB „im freien Fall“. Viel fehlt dazu wirklich nicht. Das 1:4 war die fünfte Niederlage in Folge. Die Mannschaft nähert sich mit hohem Tempo ihrem bisherigen Negativrekord, der seit der Saison 1986/87 bei sieben verlorenen Spielen in Serie steht.
Trainer war damals der Schleifer Egon Coordes – danach natürlich nicht mehr. So einfach wird sich die Situation jetzt sicher nicht lösen lassen. Bruno Labbadia hat sich lange geziert seinen Vertrag beim VfB zu verlängern. Vor gut zehn Tagen unterschrieb er dann doch, was man beim Verein als großen Erfolg feierte. Labbadia jetzt zu feuern, wäre nun wirklich kaum jemandem zu erklären. Doch was tun, wenn kommenden Sonntag das Lokalderby bei der TSG Hoffenheim auch noch in die Hose geht?
Rechnerisch würde dann die unangenehme Nähe zur Abstiegszone drohen, gepaart mit einem ausgemachten Herbstblues im beginnenden Frühjahr. Der Trainer ist dabei nur Teil der Geschichte, wenn auch ein wichtiger. Bei der Niederlage gegen Bremen brachten den Verein seltsame Fehler und eine insgesamt schwache Defensivleistung aus dem Takt.
„Zu viele Fehler“
Nachdem Ibrahima Traore das 0:1 durch Mehmet Ekici zu Beginn der zweiten Halbzeit ausgleichen konnte, ließ sich der Däne William Kvist uninspiriert den Ball abknöpfen. Aaron Hunt gelang das 2:1, das Ekici und Kevin de Bruyne später mit druckvollem Offensivspiel zum 4:1 ausbauten.
„Wir machen einfach zu viele Fehler“, klagte VfB-Kapitän Serdar Tasci. In Bremen ist nach dem 4:1 jedenfalls die leise Diskussion um Trainer Thomas Schaaf beendet, während eine Debatte um Labbadia heftig auflodert – trotz der Vertragsverlängerung. Und es passieren merkwürdige Dinge in Stuttgart. Am Samstag fehlte der italienische Linksverteidiger Cristian Molinaro im Kader. Nach seinen schwachen Leistungen zuletzt nicht besonders überraschend, aber wieder ein Puzzlesteinchen einer sonderbaren VfB-Politik.
Molinaro wollte im Winter weg und hatte angeblich ein Angebot aus der englischen Premier League, durfte aber nicht, weil man ihn brauche, wie es hieß. Jetzt nahm ihn der Trainer aus dem Kader, was nicht einmal Manager Fredi Bobic wusste.
Seit Monaten giert das schwäbische Umfeld nach einer Rückkehr zur alten Politik, junge Eigengewächse zu integrieren, was den Trainer nicht besonders beeindruckt und Manager Bobic im Winter junge, durchaus hoffungsvolle Kicker aus Italien (Federico Macheda), Brasilien (Felipe Lopes) und Rumänien (Alexandru Maxim) holen ließ.
Gegen Bremen wurden Lopes und Macheda eingewechselt, während der eigene Nachwuchs in Person von Raphael Holzhauser oder Antonio Rüdiger auf der Bank blieb. Rami Khedira, der jüngere Bruder von Nationalspieler Sami Khedira, war erst gar nicht im Aufgebot. Und so hallten auch einige „Bruno raus“-Rufe durchs Rund, aber in Stuttgart könnte es in der Causa Labbadia bei anhaltendem Misserfolg schnell gehen. Thomas Schaaf ging dagegen lächelnd in die Katakomben. So was kennt der Bremer nicht. Er trainiert die Werder-Profis seit 1999.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung