Urteil gegen Journalisten in Ecuador: "Diktator"-Polemik verboten
Ecuadors linker Präsident siegt zwar vor Gericht, verliert aber in der Öffentlichkeit. Nach einem Urteil gegen Journalisten und Verleger hagelt es Kritik an Rafael Correa.
PORTO ALEGRE taz | Ein dienstfertiger ecuadorianischer Richter hat Präsident Rafael Correa zu einem Pyrrhussieg verholfen: Das Medienecho auf das Urteil, wonach ein ehemaliger Redakteur und drei Verleger der renommierten Tageszeitung El Universo wegen eines polemischen Kommentars eine Millionenstrafe zahlen und ins Gefängnis sollen, fiel verheerend für den Staatschef aus.
Die BBC, CNN en español und andere Leitmedien berichten ausführlich. Es ist der bisherige Höhepunkt im seit jeher gespannten Verhältnis zwischen dem Linkspräsidenten und Ecuadors Medien - El Universo aus der Pazifikmetropole Guayaquil ist Ecuadors größte Tageszeitung. In seinem Leitartikel vom Donnerstag wehrt sich das liberale Blatt gegen die "Einschüchterung, die zu Selbstzensur und Schweigen führen wird".
Auch Reporter ohne Grenzen, Medienverbände und Menschenrechtler geißelten das bizarre Verfahren und seinen - vorläufigen - Ausgang. "Die strafrechtliche Verurteilung jener, die den Präsidenten kritisieren, ist ein frontaler Angriff auf die Pressefreiheit", erklärte José Miguel Vivanco von Human Rights Watch. In Ecuador hagelte es Proteste von allen Seiten, vor dem Verlagsgebäude des Universo gab es am Donnerstag eine große Solidaritätskundgebung.
Tags zuvor hatte der Richter Juan Paredes in Guayaquil den Journalisten Emilio Palacio sowie die Verlegerbrüder Carlos, César und Nicolás Pérez zu je drei Jahren Haft verurteilt. Zudem sollen die vier und die Zeitung umgerechnet 28 Millionen Euro zahlen. Beide Seiten gehen in die Berufung, Correas Anwälte beharren auf einer doppelt so hohen Geldstrafe.
Präsident von rebellierenden Polizisten festgehalten
Mit der Verleumdungsklage reagierte der Staatschef auf Palacios Kommentar mit dem Titel "Nein zu den Lügen", der Anfang Februar im El Universo veröffentlicht worden war. Der damalige Chef der Meinungsredaktion bezeichnet Correa darin mehrfach als Diktator und nimmt vor allem dessen Verhalten am 30. September 2010 aufs Korn. Damals war Correa von rebellierenden Polizeieinheiten stundenlang in einem Krankenhaus gefangengehalten worden. Schließlich kam er durch einen bewaffneten Einsatz frei, bei dem fünf Menschen getötet wurden.
In der von Correa besonders monierten Schlusspassage hatte Palacio geschrieben, ein künftiger, "ihm vielleicht feindlich gesinnter Präsident" könne "den Diktator" vor ein Strafgericht stellen lassen, weil er "willkürlich und ohne Vorwarnung" angeordnet habe, "ein Krankenhaus voller Zivilisten und unschuldiger Menschen unter Feuer zu nehmen. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das möge er nicht vergessen, verjähren nicht."
Im Siegestaumel legte Correas Rechtsanwalt Alembert Vera noch eins drauf: Er feierte das Urteil als "Sieg für die Meinungsfreiheit". Und die "Entschädigung" wolle der Staatschef in voller Höhe dem "Dschungel statt Öl"-Projekt Yasuní-ITT zukommen lassen.
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