Unruhe im DFB vor dem Portugal-Spiel: Stress zu Hause
Während es dem deutschen Team gut geht, kämpft der DFB gegen Störgeräusche. Der Verband muss seinen Kaiser schützen und Theo Zwanziger ausbremsen.
SANTO ANDRÉ/SALVADOR taz | Die Zeiten sind unruhiger als es dem Deutschen Fußball-Bund lieb sein kann. Um die Mannschaft muss man sich keine großen Sorgen machen. Ihr geht es gut in ihrem abgeschiedenen Domizil am Atlantik, und auch Bundestrainer Jogi Löw wirkt vorm Spiel am Montag gegen Portugal seltsam aufgekratzt. Wenn man seine Stimmung als Maßstab ansetzt, dann müsste die DFB-Elf das Team um Cristiano Ronaldo vom Platz fegen.
Nichtsdestotrotz dringen ein paar Störgeräusche in die Idylle der Reisegesellschaft. Zunächst einmal musste DFB-Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt lange Telefonate mit seinem Anwalt führen, weil ihm vorgeworfen wurde, er habe Franck Ribéry, der wegen eines Rückenleidens die Weltmeisterschaft verpasste, falsch behandelt. Von zu vielen Spritzen mit dem Kälberblutkonzentrat Actovegin war die Rede. Ribéry, so ließen die Ärzte der Equipe Tricolore mitteilen, leide wegen der Vielzahl der Injektionen an einer „Spritzenphobie“.
MV, wie der Münchner Arzt kurz genannt wird, konterte: Er gehe davon aus, „dass im Falle einer Behandlung durch ihn eine WM-Teilnahme möglich gewesen wäre“, ließ der 71-Jährige über die Medienanwaltskanzlei Schertz Bergmann ausrichten. Auch stehe das Mittel nicht auf der Dopingliste; in Frankreich ist die Methode des Fitspritzens allerdings verboten. Damit nicht genug, sperrte die Fifa Franz Beckenbauer für 90 Tage, weil er nichts Schriftliches hinterlegen wollte im Zusammenhang mit seinen mutmaßlichen Verstrickungen bei der Vergabe der Fußball-WM 2022 ans Scheichtum Katar.
In Kreisen des DFB war die Causa Beckenbauer freilich schnell abgehakt. Beckenbauer ist zwar ein Repräsentant des deutschen Fußballs, aber in der Funktionärskaste des DFB mischt er seit 2010, als er noch als DFB-Vizepräsident amtierte, nicht mehr mit, jedenfalls nicht an vorderster Front. Auch Theo Zwanziger hat dem DFB längst den Rücken gekehrt – und doch kommt er nicht los von ihm.
Ein geltungssüchtiger Herr
Der ehemalige Präsident des größten Sportverbandes der Welt, ein durchaus geltungssüchtiger älterer Herr, nutzte das Forum der WM, um seinen Nachfolger Wolfgang Niersbach zu attackieren: „Ich kann mir doch nicht bei Hunderttausenden von Menschen, die unter Ehrenamt im Fußball etwas ganz anderes verstehen, aus der Kasse des DFB Vergütungen in einer deutlich sechsstelligen Größenordnung zahlen lassen“, sagte Zwanziger in der Rhein-Zeitung, „das ist Heuchelei. Der DFB ist schließlich ein gemeinnütziger Verband. Aus diesem Grund habe ich die Distanz gesucht.“
Es geht um die Zahlung einer Aufwandsentschädigung für Niersbach im sechsstelligen Bereich und eine Altersvorsorge. Zwanziger unterstellt, die Summen seien unverhältnismäßig. Der DFB, offenbar an einer empfindlichen Stelle getroffen, reagierte prompt und mit „großem Befremden“. Die Anschuldigungen seien völlig haltlos und rufschädigend.
In einer Pressemitteilung des DFB heißt es: „Die Aufwandsentschädigung für Niersbach entspricht exakt der des Amtsvorgängers Zwanziger, die Altersversorgung ist gutachterlich geprüft und vollumfänglich mit den Vorgaben des gemeinnützigen Verbandes vereinbar.“
Und weiter: „Die Mitglieder des Präsidiums kommen zu dem Schluss, dass Theo Zwanziger persönliche Motive über die Interessen des Fußballs stellt und damit dem Verband nachhaltigen Schaden zufügt. Da er nach Einschätzung des Gremiums auch in der Fifa nicht die Interessen des deutschen Fußballs angemessen vertritt, fordert das Präsidium des DFB Dr. Theo Zwanziger auf, von seinem Amt im Exekutivkomitee des Weltverbandes zurückzutreten.“ So etwas hat es in der 114-jährigen Verbandsgeschichte auch noch nie gegeben.
Zwanziger, der noch bis Mai 2015 Amtsträger in der Fifa-Exekutive ist, anwortete dann auch prompt und sagte dem Internetportal Sport1, er werde „natürlich nicht“ zurücktreten. Niersbach solle doch mit Fifa-Boss Joseph Blatter über das Thema sprechen.
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