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Umsetzung von S21 stocktDie Winterruhe der Fledermäuse

Um mit den Bauarbeiten für den Tiefbahnhof Stuttgart 21 zu beginnen, fehlt der Bahn die Genehmigung zum Roden. Dass sorgt für neuen Mut bei den Protestlern.

Neue Hoffnung: Protestcamp im Stuttgarter Schlossgarten. Bild: dpa

STUTTGART taz | Nach der Volksabstimmung hatte das Bahnprojekt Stuttgart 21 eine neue Zeitrechnung angekündigt. Die Bahn AG wolle nun schnell beginnen, den Stuttgarter Kopfbahnhof zu einem Tiefbahnhof umzubauen. Deshalb sollte am Montag der Abrissbagger am Südflügel anrollen. Doch die Umsetzung stockt, die Arbeiten könnten sich um Monate verschieben. Die nach dem Referendum bedrückte S-21-Bewegung wittert Morgenluft.

Für den heutigen Samstag hat das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 zu einer Kundgebung auf dem Schlossplatz aufgerufen. Anschließend soll es einen Schweigemarsch zum Südflügel geben. Befeuert wird der Protest von neuen Problemen der Bahn.

Wie jetzt bekannt wurde, sind die für Januar geplanten Baumfällungen noch gar nicht genehmigt. Bereits am 5. Oktober hatte das Eisenbahn-Bundesamt der Bahn aufgegeben, vor weiteren Fällarbeiten zusätzliche artenschutzrechtliche Untersuchungen durchzuführen und darzulegen, wie sie Schäden vermeiden wolle. Die Bahn hatte die Unterlagen aber erst im Dezember eingereicht, derzeit prüft das Bundesamt sie noch.

Katz-und-Maus-Spiel

Nicht nur die Öffentlichkeit wusste lange nichts von der fehlenden Genehmigung, auch die Polizei war nicht informiert. Sie hatte monatelang einen Großeinsatz mit Beamten aus dem ganzen Bundesgebiet geplant. Nun stellte sie ihre Vorbereitungen erst einmal ein. "Wir wollen keine unrechtmäßigen Bautätigkeiten schützen", sagte der Stuttgarter Polizeipräsident Thomas Züfle der Stuttgarter Zeitung.

Bis zum 12. Januar soll eigentlich auch das Zeltlager der S-21-Gegner im Schlossgarten geräumt werden. Doch die Polizei hält das nicht für sinnvoll, wenn nicht direkt danach auch gebaut wird. "Dann fängt ein Katz-und-Maus-Spiel an", sagte Züfle.

Das Verzögern der Baumfällungen könnte die Gesamtbauzeit enorm beeinträchtigen. Denn Anfang März beginnt die Vegetationsperiode, in der das Fällen nicht erlaubt wäre. Insgesamt geht es um 176 Bäume, von denen 69 nach Empfehlung von Sachverständigen versetzt und die restlichen gefällt werden sollen. Dies könnte drei Wochen dauern. Sind die Bäume nicht rechtzeitig weg, kann die Bahn im Sommer nicht die geplanten Tunnelarbeiten beginnen.

Artenschutzrechtliche Konflikte

Und auch für den Abriss des Südflügels hat das Eisenbahn-Bundesamt der Bahn Auflagen erteilt. Sie muss dafür sorgen, dass die Winterruhe der Fledermäuse im benachbarten Schlossgarten nicht gestört wird. Die Bahn "muss grundsätzlich sicherstellen, dass bei den Abrissarbeiten artenschutzrechtliche Konflikte entweder ausgeschlossen sind oder durch geeignete Maßnahmen vermieden werden", so eine Pressemitteilung der Behörde. Die Genehmigung für den Abriss aber besteht.

"Die inneren Widersprüche des Projekts sind geblieben", sagt der Sprecher des S-21-Aktionsbündnisses, Hannes Rockenbauch. "Jetzt kommt noch der Umgang der Bahn mit Recht und Gesetz dazu. Das ist natürlich was Mobilisierendes." Für den heutigen Samstag rechnet Rockenbauch noch mit eher weniger Teilnehmern. "Der wirkliche Stimmungstest steht an, wenn es an den Südflügel und an die Bäume geht. Das sind Bilder, die emotionalisieren."

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9 Kommentare

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  • E
    Enrico

    Ich lach mich schlapp.

    Das ganze Projekt gerät mehr und mehr zur Farce.

  • KH
    Karl H.

    an Hari Seldon:

     

    Wie arm im Geist muss man sein, um so einen Kommentar zu schreiben?!

    Nur für Ignoranten wie Sie kann eine angebliche Parkverschmutzung (das Gegenteil ist der Fall: nicht die Staddt, sondern eben diese Parkschützer haben den Schlossgarten nach den Zerstörungen durch die illegalen Arbeiten der Bahn wieder begrünt!) schlimmer sein als die geplante Parkzerstörung!

     

    Bevor Sie Beleidigungen aussprechen, sollten Sie lieber mal recherchieren: Hannes Rockenbauch ist seit Jahren Stadtrat im Stuttgarter Gemeinderat und hat sein Studium mit Erfolg abgeschlossen! - oder reicht IHRE Ausbildung vielleicht nicht so weit, solche Sachverhalte zu erkennen...?

     

    Das könnte dann wohl auch Ihre recht eigenwillige Interpretation des Ergebnisses der VA erklären, wo Ihnen durchaus auch entgangen ist, dass die Stuttgarter Innenstadtwahlkreise mit Mehrheit FÜR den Ausstieg gestimmt haben!

  • R
    Rechtsstaatler

    Es ist eine skandalöse Missachtung von Recht und Gesetz,

     

    wenn die Bahn auf eine Verfügung des Eisenbahnbundesamtes von vor über 15 Monaten (5. Oktober 2010)

     

    bis zum heutigen Tage nicht angemessen reagiert hat und meint, sich einmal mehr über alle Regeln des Rechtsstaates hinwegzusetzen!

     

    Ebenso über das aktuelle Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim (16.12.2011), das die 5. Planfeststellungsänderung zur Errichtung des Grundwassermanagements - für welches am 30.09.2010 illegal Bäume gefällt wurden - für rechtswidrig und nicht vollziehbar (wörtliches Zitat) erklärt hat.

     

    Des Weiteren gibt es unzählige Planfeststellungsänderungen oder -genehmigungen, die für S21 bisher nicht erteilt sind.

     

    Ebenso hat die Bahn bisher kein Unternehmen gefunden, das den Bau des Nesenbachdükers, der zur Absenkung des Grundwassers für die Baugrube im bisherigen Schlossgarten (ehemaliges Sumpfgebiet) unabdingbar ist, übernehmen will.

     

    Und unter solchen Bedingungen erlaubt sich das S21-Kartell allen Ernstes, gleich wieder ununumkehrbare Fakten und Zerstörung zu schaffen.

     

    Der Widerstand der Stuttgarter Innenstädter, die ihren Lebensraum gegen dieses Unrecht verteidigen, ist nicht nur legitim, sondern dringend notwendig.

     

    Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.

     

    Die SteuerzahlerInnen in der ganzen Republik, die den S21-Wahnsinn, der nichts anderes als ein Rückbau von Gleiskapazitäten ist (der vom Bund erst als solcher genehmigt werden müsste) und am Ende mindestens das Doppelte der intern schon lange als völlig fakten- und realitätsfern kommunizierten 4,5 Milliarden kosten wird, ebenfalls finanzieren müssen, sollte der Widerstandsbewegung dankbar sein.

     

    S21 ist ein Paradebeispiel für die neoliberale Plünderung der Staatskassen und die Durchsetzung der Profitinteressen einiger Weniger gegen Recht und Gesetz.

  • S
    Stuttgart-City

    Die im Artikel erwähnte Verfügung des Eisenbahnbundesamtes zum Artenschutz im mittleren Schlossgarten

     

    stammt vom 5. Oktober 2010 (!), wurde also wenige Tage nach den inzwischen gerichtlich als illegal bestätigten Baumfällungen vom 30.09.2010 erlassen (damals ebenso unter illegalem polizeilichen Geleitschutz wie bei der jetzt vorgesehenen, weiteren Zerstörung.)

     

    Per Urteil des VGH Mannheim vom 16.12.2011, mit der die Errichtung des Grundwassermanagements ab dem 30.09.2010 ohne vorherige rechtskonforme Bearbeitung sämtlicher arten- und naturschutzrechtlicher Fragen als rechtswidrig bestätigt wurde,

     

    sind ALLE weiteren Baumaßnahmen ohne vorherige Beseitigung der Rechtsmängel ebenso illegal.

     

    Da bisher keinerlei stichhaltige Untersuchung der Auswirkungen eines möglichen Abrisses des Südflügels beispielsweise auf die im unmittelbar angrenzenden Teil des Schlossgartens Winterruhe haltenden Fledermäuse vorliegt und da inzwischen bekannt wurde, dass die Bahn auf dem Gelände des Südflügels ein weiteres Gebäude zum Grundwassermanagement errichten will, obwohl der VGH dessen Weiterbau bis zur Ausräumung aller Rechtsmängel klar und eindeutig untersagt hat,

     

    ist es ein Skandal, dass die grün-rote Landesregierung diesen illegalen Bautätigkeiten, der sinnlosen und unumkehrbaren Zerstörung eines Kulturdenkmals und des Lebensraumes der Stuttgarter Innenstädter (die übrigens auch am 27.11 mehrheitlich mit 52% für den Ausstieg des Landes aus der S21-Finanzierung gestimmt haben), einmal mehr auf Kosten des Steuerzahlers mit einem Mega-Polizeieinsatz jede Rechtsstaatlichkeit mit Füßen tritt.

  • V
    vic

    Super Planung,

    das muss man dem S21 Hurra-Bündnis lassen.

     

    Verbrecher im Schlossgarten, Monster-Windräder?

    Ja das ist schlimm. Aber die Welt ist schlecht. Is so.

  • M
    Müller

    Die Bahn sollte nur unter Einhaltung von Recht und Gesetz agieren, auch wenn es sich "nur" um Artenschutzregelungen handelt. Allerdings frage ich mich, inwieweit die Fledermaus-Ruhe nicht auch durch die Demos gestört wird.

  • D
    Dirk

    @Seneca

    Ich habe schon lange den Glauben daran verloren, dass es den spätpubertären Räuber-und-Gendarm-Spielern tatsächlich um die Sache geht. (Ausnahmen mag es freilich geben).

  • HS
    Hari Seldon

    Augenscheinlich stören die ungesetzlichen Zelte und die Hütten in den Baumkronen nicht. Der Zeltlager und die Hütten mussten schon längst entfernt werden, und haben nichts mit den Auflagen der EBA oder Artenschutz zu tun. Hier geht es um selbsernannte Parkvershcmutzer, welche denken, dass sie über die Gesertze stehen, und machen das, was sie wollen. 19:4 auf den Punktzettel sogar in Stuttgart am 27. November 2011 (Volksabstimmung) hat ganz klar gezeigt, dass die Bevölkerüng die Nase mit dem Aktionsbündnis (und auch mit Rockenbauch (der Dauerstudent)) voll hat.

  • D
    dw-seneca

    Die Winterruhe der Fledermäuse darf nicht gestört werden, da sie zu Recht unter Artenschutz stehen. Warum spielen solche Überlegungen keine Rolle, wenn es um Windräder geht? Jahr für Jahr sterben ca. 25.000 Fledermäuse alleine in Brandenburg an diesen Monstern. Stehen sie dort nicht unter Artenschutz?

     

    Dieses Messen mit zweierlei Maß, diese moralinsaure Verlogenheit widert mich an.