piwik no script img

Terror in FrankreichAttentäter und vier Geiseln getötet

Die drei Geiselnehmer und mehrere Geiseln sterben bei Zugriffen der Polizei. Darunter sind die beiden Hauptverdächtigen des Anschlags auf „Charlie Hebdo“.

Bei der von der Polizei beendeten Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt sind fünf Menschen getötet worden. Bild: dpa

PARIS afp/dpa | Elite-Polizisten haben die beiden Hauptverdächtigen des Anschlags auf die Satire-Zeitung Charlie Hebdo getötet. Die Brüder wurden laut Ermittlern am Freitagnachmittag bei einem Einsatz in einem Gewerbegebiet nordöstlich von Paris erschossen. Die Täter hatten sich dort mit einer Geisel verschanzt. Fast gleichzeitig beendete die Polizei auch die Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris, dort gab es fünf Tote.

Chérif und Said Kouachi hatten sich am Morgen mit einer Geisel in einer Druckerei in der Nähe des Pariser Flughafens Charles de Gaulle verschanzt. Die Elite-Einheit GIGN umstellte das Gebäude in dem Ort Dammartin-en-Goële. Gegen 17.00 Uhr erfolgte nach Angaben der Ermittler dann der Zugriff. Die Geisel ist nach Angaben aus Polizeikreisen frei und unversehrt. Ein GIGN-Polizist sei bei dem Einsatz verletzt. Die beiden Brüder seien aus der Druckerei gestürmt und hatten das Feuer auf die Polizisten eröffnet.

Beinahe gleichzeitig griff die Polizei auch in einem jüdischen Supermarkt im Osten von Paris zu, wo ein mutmaßlicher Komplize der beiden Brüder am Mittag mehrere Geiseln genommen hatte. Polizisten drangen in den Supermarkt ein, zuvor waren mehrere Explosionen zu hören. Mehrere Geiseln rannten aus dem Geschäft, wie AFP-Journalisten berichteten. Fünf Menschen wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen bei der Geiselnahme und ihrer Beendigung getötet, unter ihnen der Geiselnehmer. Vier weitere Menschen wurden demnach lebensgefährlich verletzt.

Bei dem Geiselnehmer handelte es sich nach Angaben der Ermittler um den Islamisten Amedy Coulibaly, der bereits am Donnerstag südlich von Paris eine Polizistin getötet haben soll und Verbindungen zu einem der mutmaßlichen Charlie Hebdo-Attentäter hatte. Coulibaly und Chérif Kouachi sollen sich vor mehreren Jahren im Gefängnis kennen gelernt haben.

Sorge vor weiteren Attentaten

Die beiden Brüder waren seit dem Angriff auf Charlie Hebdo, bei dem am Mittwoch zwölf Menschen getötet worden waren, auf der Flucht. Am Freitag lieferten sie sich auf der Nationalstraße 2 einen Schusswechsel und eine Verfolgungsjagd mit der Polizei. Anschließend verschanzten sich die schwer bewaffneten Flüchtigen offenbar mit einer Geisel in der Druckerei.

Die Brüder waren den Sicherheitsbehörden schon seit langem bekannt. Chérif Kouachi war wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Dschihadisten-Netzwerk zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Nach Angaben eines US-Vertreters standen die Brüder zudem seit Jahren auf einer Terrorliste der USA und durften nicht in die USA einreisen. Said Kouachi ließ sich demnach 2011 vom Terrornetzwerk Al-Kaida im Jemen ausbilden.

Der Anschlag auf Charlie Hebdo hat die Sorge vor terroristischen Attentaten nicht nur in Frankreich wachsen lassen. So warnte der Chef des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, Andrew Parker, Extremisten planten umfangreiche „Angriffe gegen den Westen“. Frankreichs Premierminister Manuel Valls sagte, Frankreich sei „im Krieg mit dem Terrorismus“, aber „nicht im Krieg gegen eine Religion“.

Frankreichs Präsident François Hollande hat die doppelte Geiselnahme durch Terroristen als „Tragödie für die Nation“ bezeichnet. In einer im Fernsehen live übertragenen Rede an die Nation sprach Hollande mit Blick auf die Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt von einem „antisemitischen Akt“.

Der Staatschef lobte die Sicherheitskräfte, die die Geiselnahmen in Paris und nordöstlich der Hauptstadt professionell und effektiv beendet hätten. Er forderte die Franzosen auf, bei dem Solidaritätsmarsch für die Opfer der Terroristen am Sonntag mitzumachen und für Freiheit, Demokratie und Pluralismus einzutreten.

Dieser Artikel ist die Fortsetzung des Artikels „Geiseln in koscherem Supermarkt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Risiken zu minimieren, ist Aufgabe aller tatsächlcihen und vermeintlichen "Sicherheitsbehörden". Die französischen haben diese Aufgabe dergestalt gelöst, daß sie die beiden mutmaßlichen Täter getötet haben. Wie seinerzeit Mohamed Merah, den Attentäter von Toulouse. Tote Hauptzeugen sind stets eine praktische Sache für Sicherheitsbehgörden, wie sich auch im deutschen NSU-Komplex unschwer erkennen läßt. Zugegeben - dies alles sind Hypothesen. Aber sind die kruden regierungsamtlichen Verschwörungstheorien, welche nach solchen Anschlägen stets prompt präsentiert werden, glaubwürdiger? - Selbstverständlich ist nicht auszuschließen, daß dies eine Tat fanatisierter Einzelgänger war. Aber wem nützt sie politisch? Wer gewinnt mit welcher Reaktion auf solche Attentate? Warum waren die Täter den Sicherheitsbehörden längst bekannt - und wurden nicht als Bedrohung erkannt?

    • @Albrecht Pohlmann:

      Ich hoffe, letzteres kann auch noch geklärt werden, obwohl die Täter tot sind. Irgendwie sollte diesbezüglich in Frankreich mal eine ähnliche öffentliche Empörung stattfinden wie hier im Bereich der NSU-Morde. Geklärt ist hier zwar auch nix, aber durch die öffentliche Empörung über unsere Behörden ist evtl. die Chance größer geworden, dass das nicht noch mal passiert.

      Jch hoffe nur dabei, dass sich linke Kräfte dabei nicht die Debatte von LePens aus der Hand nehmen lassen.

    • @Albrecht Pohlmann:

      Ich denke, du unterschätzt den Grat des Fanatismus dieser Leute.

       

      Die Situation ist in Frankreich schon eine etwas andere, auch hätte der französische Geheimdienst so etwas wie NSU zur Massenmanipulation um krasse Dinge gesellschaftlich zu legitimieren gar nicht nötig, denn man hat ganz andere "Möglichkeiten". Kleines Beispiel:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Paris_1961

      Die Story: Verordnetes Schweigen - Die blutige Nacht von Paris (Film von Michael Gramberg und Jacques Panijel, WDR/2002)

       

      Logisch hingegen ist, dass jetzt die üblichen Verdächtigen, und nicht nur in Frankreich, natürlich versuchen dieses Drama für sich zu nutzen.

      https://pbs.twimg.com/media/B618n8VIQAIAkzE.jpg

  • La Paix des Braves -

    Der Frieden der Mutigen

     

    Das fürchterliche Gemetzel, das jetzt in Paris unschuldige Menschen getötet und unermessliches Leid und Trauer für Angehörige und Freunde gebracht hat, war kein Gewaltverbrechen von Kriminellen. Es war auch kein Angriff auf demokratische Werte wie die Pressefreiheit, genauso wenig, wie eine explodierende Präzisionsbombe, die von einem französischen Rafale Jagdbomber im Nord-Irak abgeworfen wird und Kollateralschäden (zivile Opfer) erzeugt, ein Angriff auf den Propheten ist. Wir sind im Krieg. Der Westen hat nach den Angriffen vom 11. September 2001 den „War on Terror“ erklärt. Diejenigen, die sich vom Westen angegriffen fühlen, haben dem Westen den Krieg erklärt. Sie nennen ihn Jihad, den heiligen Krieg. Kriegshandlungen des War on Terror und des Jihad befinden sich in einer Zirkularität. Wer angefangen hat und wer Recht hat, ist Ansichtssache. Wenn wir wollen, dass das Töten und Sterben aufhört und Frieden eine Chance bekommt, dann muss dieser Teufelskreis gebrochen werden. Dazu gehört viel Mut. Der große französische Staatsmann Charles de Gaulle hatte ihn, als er den blutigen Algerienkrieg beendete.

    La Paix des Braves.

    http://www.kamus-quantum.com/11.html

    • @Ulrich Scholz:

      Glückwunsch. Das sind wirklich mal klar formulierte Gedanken. Angst macht mir weniger das verübte Verbrechen bzw. die Gefahr die vom Islamismus ausgeht, als die Reaktion des Öffentlichkeit, siehe die Kommentare viel Nutzer sogenannter sozialer Netzwerke. Es gleicht einer Massenhysterie die ihresgleichen sucht. Ich denke denke, die wirkliche Gefahr für die zivilisiere Welt besteht in Ungeist und Dummheit. Ob diese nun in der geistlosen Reaktionen der allgemeinen Öffentlichkeit zutagen treten, oder in Form undiplomatischen Vorgehens unserer Vertreter in der Politik.



       

      • @ReinerBewersdorff:

        " Angst macht mir weniger das verübte Verbrechen bzw. die Gefahr die vom Islamismus ausgeht, als die Reaktion des Öffentlichkeit"

         

        Ob Sie das noch so kaltschnäuzig sagen und sehen würden, wenn Familienangehörige von Ihnen untern den Opfern der islamistischen Fanatiker wären?

  • Ach Scheiße.

     

    Mein Beileid den Angehörigen.