Staatsanwaltschaft zum Dopingskandal: Blut aus der Garage
Die Operation Aderlass ist der größte Coup in der Geschichte der Münchner Dopingstaatsanwaltschaft. Die Spuren führen bis nach Hawaii.
Viel mehr wollte er nicht preisgeben, schon gar keinen Sportlernamen, um die Ermittlungen nur ja nicht zu gefährden. Aber eines wurde immerhin klar: Die Operation Aderlass ist eine große Nummer. Ein Fall, wie ihn die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Dopingdelikte in München noch nie zu aufzuklären hatte.
Die gibt es seit zehn Jahren. Auch deswegen hatte die Staatsanwaltschaft München I zur Pressekonferenz geladen. Man wollte die Erfolge der Strafverfolgungsbehörde in dieser Zeit feiern. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich war gekommen, um seinen Mitarbeitern zu danken für ihre Ermittlungen in mehr als 7.100 Fällen, in deren Folge es zu etwa 1.200 Verurteilungen allein an bayerischen Amts- und Landgerichten gekommen ist. Es sind wirklich beeindruckende Zahlen. Und doch wird sich kaum jemand erinnern an einen prominenten Dopingfall, der vor einem bayerischen Gericht verhandelt worden wäre.
Kein Wunder: Bei den meisten Dopingermittlungen wird nach Tätern in der Bodybuildingszene, im Kraftsport und in Fitnessstudios gesucht. Es sind gewiss faszinierende Fälle, um die es da geht. Behördenleiter Hans Kornprobst berichtete am Mittwoch über das Ausheben von 20 Untergrundlabors, in denen Kriminelle ohne pharmazeutische Ausbildung Substanzen, die sie sich über illegale Kanäle besorgten, zu bisweilen höchst gesundheitsgefährdenden Mittelchen zusammenmixten.
„Eigenblutbodypacker“
Aber es waren gewiss nicht solche Fälle, die den politischen Kämpfern für ein Antidopinggesetz, wie es seit Dezember 2015 in Deutschland in Kraft ist, vorschwebten. Ihnen ging es um die Bekämpfung von Doping im Leistungssport. Doch in diesem Bereich gelang den Ermittlern lange kein großer Wurf – bis zur Operation Aderlass.
Auch dieser Fall lässt sich erzählen wie ein filmreifer Krimiplot. Er beginnt mit dem Dopinggeständnis des österreichischen Langläufers Johannes Dürr Ende Januar in der ARD. Unmittelbar danach begannen die Ermittlungen mit der Überwachung von Telefonaten. Dabei sei ein Gespräch des Hauptbeschuldigten, des Erfurter Arztes Mark Schmidt, abgehört worden, in dem er mit einem Komplizen verabredet habe, alle Beweismittel im Fall Dürr zu vernichten.
Kai Gräber, Staatsanwalt
Die Ermittler fanden heraus, dass sich die Blutdopinganbieter ein Apartment und ein Hotelzimmer in Seefeld gemietet hatten, sie wussten um die Termine für die Bluttransfusionen. Sie koordinierten Hausdurchsuchungen in Deutschland und Österreich. Dabei entdeckten sie in einer Mehrgaragenanlage in Erfurt einen Verschlag, in dem sich Blutzentrifugen, spezielle Tiefkühlschränke mit Blutbeuteln und eine Auftauvorrichtung befanden. Nach Sicherung dieser Beweismittel und nach Einvernahme von Mark Schmidt sind sich die Behörden sicher, dass sie schon bald ganz genau sagen können, welche Sportler in das Dopingnetzwerk involviert waren.
Und sie wissen, dass während der Olympischen Spiele von Pyeongchang 2018 ebenso Blut aufgefrischt worden ist wie auf Hawaii, wo jedes Jahr die Ironman-WM der Triathleten stattfindet. Ein beinahe geschmackloses Detail ließ bei der Pressekonferenz aufhorchen. Bei Langstreckenflügen seien die Sportler, so Kai Gräber, als „Eigenblutbodypacker“ unterwegs gewesen und hätten einen Liter mehr Blut durch ihre Adern laufen lassen als normalerweise. Es war höchste Zeit für eine Operation Aderlass.
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