piwik no script img

Zeitplan für Corona-ImpfungenFrisch geimpft in den Sommerurlaub

Die Kampagne zur Corona-Immunisierung wird sich in den nächsten Wochen stark beschleunigen. Man kann schon ausrechnen, wann das Ziel erreicht ist.

Ein Hausärztin im Landkreis Hof führt in einem Pilotprojekt eine Corona-Impfung durch Foto: Nicolas Armer/dpa

Berlin taz | Lange Zeit dominierten beim Thema Impfen die schlechten Nachrichten: Weil die EU-Kommission zu zögernd bestellt hatte, war der Impfstoff zu Beginn extrem knapp. Überlastete Hotlines und fehlende Termine sorgten für Frust bei vielen, die für eine frühe Impfung berechtigt waren. Ende Februar tauchte dann plötzlich ein neues Problem auf: Mehrere Millionen Impfstoffdosen, die längst ausgeliefert waren, wurden nicht verwendett – vor allem wegen schlechter Organisation durch die zuständigen Bundesländer.

Dass die Impfkampagne durchaus schon Erfolge zeigt, ist dabei ein wenig untergegangen: So sind die Be­woh­ne­r*in­nen und Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Alten- und Pflegeheime mittlerweile fast komplett geimpft – und das schlägt sich bereits deutlich in den Zahlen nieder: So ist die Inzidenz bei den Menschen über 80 seit Jahresbeginn weitaus stärker zurückgegangen als im Gesamtschnitt der Bevölkerung. Und auch der weiterhin deutliche Rückgang der täglichen Zahl der Coronatoten dürfte bereits teilweise auf die Impfungen zurückzuführen sein.

Noch mehr Anlass zum Optimismus bietet aber der Blick nach vorn. Denn es wird immer klarer, dass die Impfstoffmengen in den nächsten Wochen und Monaten stark ansteigen. In der letzten Woche wurden in Deutschland rund 1,5 Millionen Impfdosen verabreicht – schon das ist eine deutliche Steigerung gegenüber den Werten vom Februar. Doch schon Ende März kann dieser Wert doppelt so hoch liegen, im Laufe des Aprils kann er auf 5 Millionen Impfungen pro Woche steigen, bis Ende Juni könnten 10 Millionen erreicht werden.

So hoch sind zumindest die angekündigten Liefermengen der bisher zugelassenen Hersteller Biontech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca sowie von Johnson & Johnson, für den die EU-Zulassung in Kürze erwartet wird. Wenn noch weitere Impfstoffe dazukommen – etwa von Curevac oder der russische Impfstoff Sputnik V –, kann die Zahl weiter steigen.

Impfen auch in Arztpraxen

In den Mittelpunkt rückt darum immer stärker die Frage, wie die Impfstoffe schnell genug genutzt werden können. Die bestehenden Impfzentren, in denen er bisher überwiegend gespritzt wird, haben zwar vielerorts noch freie Kapazitäten. Doch von April an könnten sie überlastet sein.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt soll darum – wie von Anfang an geplant – auch in Arztpraxen geimpft werden. Im Grundsatz hatten sich Bund und Länder darauf schon bei ihrem letzten Gespräch in der vergangenen Woche geeinigt. Details zum geneuen Start­termin und zur Impfstoffmenge, die den Praxen zur Verfügung gestellt werden, wollten die Ge­sund­heits­mi­nis­te­r*in­nen aus Bund und Ländern an diesem Mittwoch diskutieren. Es ist absehbar, dass die Haus­ärz­t*in­nen schon bald eine zentrale Rolle spielen werden.

Denn nur auf diese Weise wird es gelingen, die großen Impfstoffmengen zeitnah zu nutzen. Die Impfzentren haben derzeit nur eine Kapazität von 2,4 Millionen Impfungen pro Woche. Selbst wenn diese, wie in den Szenarien der Bundesregierung vorgesehen, bis zum Sommer auf 5 Millionen verdoppelt wird, decken die Zentren höchstens die Hälfte des Bedarfs.

Die andere Hälfte müssten Ärzte übernehmen – und das ist durchaus realistisch: Wenn in etwa 50.000 Haus- und Facharztpraxen jeweils 20 Impfungen am Tag durchgeführt werden, sind das genau 5 Millionen Impfungen pro Woche; wenn wie vorgesehen auch Betriebsärzte impfen, würden die Impfzentren noch stärker entlastet.

Welche Reihenfolge gilt, ist offen

Doch auch wenn ab April die Arztpraxen eingebunden werden, kann sich dort nicht sofort jeder impfen lassen. Wie genau künftig mit der Reihenfolge verfahren wird, ist noch offen; auch darüber wollten Bund und Länder am Mittwoch beraten. Bisher gibt es gemäß der Impfverordnung vier Gruppen, die nacheinander geimpft werden sollen; sie orientieren sich vor allem an Alter, Vorerkrankungen und Beruf.

Dabei solle es auch bleiben, forderte der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. „Bundesregierung und Bundestag haben versprochen, alte und kranke Menschen zuerst durch eine Impfung zu schützen“, sagte er der Agentur AFP. „Schließlich sind sie am stärksten bedroht.“ Wenn die Ärzte selbt entscheiden dürften, wer geimpft wird, drohe Willkür.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, forderte dagegen mehr Flexiblität für die Ärzte. „Wir sollten nicht alles bis ins Kleinste regeln wollen“, sagte er der Welt. Um schnell so viele Bürger wie möglich zu impfen, müsse die strenge Priorisierung der Ständigen Impfkommission schrittweise zurückgezogen werden, sagte Gassen.

Sicher aufgehoben wird die Priorisierung zunächst nur in Grenzregionen zu Tschechien, in denen es besonders viele Infektionen gibt. Dort sollen schon bald alle Menschen geimpft werden dürfen; weil die EU-Kommission dafür zusätzlichen Impfstoff zur Verfügung stellt, sollte es dadurch nicht an anderer Stelle zu Knappheiten kommen. Ansonsten will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zunächst an der be­stehenden Impfreihenfolge festhalten. „Grundsätzlich ist es noch wichtig, die Priorität einzuhalten“, sagte er am Mittwoch im ZDF.

Doch egal wie die genaue Reihenfolge aussieht – zumindest der Endpunkt der Impfkampagne bleibt gleich: Selbst wenn nur die bisher zugelassenen Impfstoffe genutzt und nur 90 Prozent der bestellten Menge geliefert werden, kann bis Mitte August in Deutschland je­de*r über 18 die erste Impfung erhalten. Und wenn komplett geliefert wird, auch Johnson & Johnson zugelassen wird und nur 80 Prozent geimpft werden wollen, ist das schon Ende Juni der Fall. In den Sommerurlaub kann es es also – wenn ab jetzt alles nach Plan läuft – bereits frisch geimpft gehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Als ersten würde ich dazu raten, das Thema "Urlaubsreise" für dieses Jahr mal unter der Kategorie "Unwichtig" zu verbuchen. Urlaub hatten wir doch schon so oft..

    Aber nun zum Kern. "Ja, die Einbeziehung der Hausärzte ist wichtig".

    Und umso unnachvollziehbarer ist es, warum die Politik nun - nach einem Jahr Notfallmodus - immer noch ihre 08/15 - Routine durchleiert. Erst muss man sich mal mit den Ländern absprechen und dann die noch mit dem Landkreisen und das alles dauert und dauert.

    Erst hieß es: Die Hausärzte werden ab Anfang April eimbezogen. Und schon kurz danach verfallen sie wieder in ihren so geliebten lahmen Trott - man muss wieder erstmal irgendwas irgenwie abklären - und schon sind wir bei Mitte April. Wieder 2 Wochen verloren.

    Ich hoffe nur, ein Anwalt oder mehrer schaffen es, sie wegen Fahrlässigkeit zu verklagen, wenn es unnötige Tote gibt.

    Und zwar persönlich.

    • @Bunte Kuh:

      Urlaub hatten wir schon so oft:) ja nach dem Argument könnten wir gleich alles bleiben lassen.



      So wäre zunächst die Frage weshalb wir doch etwas öfter machen sollten? Bier hatte ich auch schon öfter. Auto auch und Klopapier und Tageszeitungen. Machen wir alles zu. Nicht so wichtig.

      Zweitens gab es vom RKI die Nachricht das ende der Sommerferien die Reiserückkehrer nur eine untergeordnete Rolle bei der Coronaausbreitung gespielt haben

      • @maerz001:

        Normalerweise wäre es egal. Aber hier - bei Prioritäten? Fallen dann "Urlaubsreisen" nicht maximal in die Kategorie "Nice to have"?

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @maerz001:

        Wäre jetzt für mich ein wenig unsensibel, wenn man geimpft in ein Land fahren würde, dass noch unter Corona leidet.



        Macht keinen guten Eindruck, jetzt Cocktails am Strand zu schlürfen und Party zu machen.



        Ein wenig mehr Demut und Dankbarkeit der Geimpften würde ich erwarten.



        Gegen einen ruhiger Urlaub zur Erholung ist sicherlich nichts einzuwenden.

        • @4813 (Profil gelöscht):

          Eben. Wenn alles gut läuft, ist der Mist im Herbst dann richtig vorbei. Und dann auch jeder wieder gern seinen Rucksack packen und um die Welt tingeln. Entspannt.

  • Ich halte "50.000 Haus- und Facharztpraxen jeweils 20 Impfungen am Tag" für illusorisch. Meine Hausärztin hat weder die Räumlichtkeiten, noch das Personal, noch die Zeit (wg. der anschließenden Nachbeobachtung!) um überhaupt zu impfen.

    • @Michael Wiedmann:

      Warum? Anders als beim Testen behalten Patient:innen beim Impfen die Maske auf - es bedarf also keiner zusätzlicher Schutzkleidung oder "Infektionsräume". Meine Hausarztpraxis hab ich auch gefragt. Die haben außer eines zusätzlichen Kühlschranks keinen Mehraufwand und machen im eigenen Interesse mit. Je schneller ihre Risikopatient:innen geimpft sind desto weniger Sorgen haben sie dann wegen Ansteckungsgefahr in der Praxis und um so weniger müssen sie sich um Covid-19 Erkrankungen ihrer Stammpatient:innen kümmern. Das ist verbunden mit Hausbesuchen komplett Schutzausrüstung Abwägung wer ins Krankenhaus sollte wer zu Hause bleibt noch immer am stressigsten für sie.