Regierungswechsel in Norwegen: Konservative erlangt Mehrheit
Die Koalition von Ministerpräsident Stoltenberg verliert die Parlamentswahl. Vor den Konservativen stehen schwierige Verhandlungen – auch mit Rechtspopulisten.
OSLO taz | Jens Stoltenberg und seine Koalition aus Sozialdemokraten, Linkssozialisten und Zentrum haben die Parlamentswahl klar verloren. Wahlsiegerin Erna Solberg, Vorsitzende der Konservativen, wird bei der Regierungsbildung auch mit der rechtspopulistischen „Fortschrittspartei“ verhandeln müssen. Nach der Sozialdemokratin Gro Harlem-Brundtland wäre Solberg die zweite Frau an der Spitze einer norwegischen Regierung.
Die Sozialdemokraten um Ministerpräsident Stoltenberg kamen auf 30,8 Prozent und damit knapp über die symbolisch wichtige 30-Prozent-Marke. Die Sozialdemokraten bleiben damit stärkste Kraft im Land, eine Position, die die Partei seit 1927 kontinuierlich hält. Mit einem Verlust von 4,5 Prozent und dem zweitschlechtesten Wahlergebnis seit über 80 Jahren reichte es aber nicht fürs Weiterregieren. Stoltenberg gestand nach den ersten Prognosen seine Niederlage ein und kündigte für Oktober den Rücktritt seiner Regierung an.
Solberg und ihre konservative „Høyre“ rangieren mit 26,9 Prozent zwar nur auf dem 2. Platz, konnten aber fast 10 Prozent dazugewinnen, das beste Ergebnis seit drei Jahrzehnten. Sie verdrängten die bei den Wahlen von 2009 zweitplatzierte rechtspopulistische „Fortschrittspartei“ auf den dritten Platz, die 16,3 Prozent der Stimmen bekam (2009 noch 22,9 Prozent).
Die „Umweltpartei – Die Grünen“, denen Umfragen monatelang einen Einzug ins Parlament vorhergesagt hatten, fehlten am Montagabend dann doch 1,2 Prozent an der 4-Prozent-Hürde. Aber sie sind trotzdem erstmals mit einem Abgeordneten im Parlament präsent: Rasmus Hansson, ehemaliger Vorsitzender von WWF-Norwegen, holte in Oslo 5,5 Prozent und damit ein Direktmandat.
Zwei Frauen an der Spitzen
Noch in der Nacht sprachen sich Solberg und die „Fortschrittspartei“-Vorsitzende Siv Jensen dafür aus, gemeinsam eine Koalition zu bilden. Für eine parlamentarische Mehrheit brauchen sie aber mindestens einen weiteren Partner. Vermutlich wird das die liberale „Venstre“ (5,3 Prozent) sein, an deren Spitze mit Trine Skei Grande ebenfalls eine Frau steht.
Solbergs Wunschkoalition würde zwar auch die „Christliche Volkspartei“ (5,6 Prozent) mit einschließen, doch gibt es in dieser starken Widerstand gegen eine Zusammenarbeit mit der „Fortschrittspartei“.
Wobei Wahlsiegerin Solberg selbst noch vor vier Jahren eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten, deren Mitglied der Attentäter Anders Behring Breivik in seiner Jugend war, ausgeschlossen hatte. Damals hatte sie eine mögliche Koalition noch als „unverantwortlich“ bezeichnet. Mittlerweile betont Solberg aber vor allem die Gemeinsamkeiten, die „Høyre“ und „Fortschrittspartei“ miteinander verbinden.
Dass eine Partei binnen vier Jahren erst das Etikett „nicht stubenrein“ erhält und nun als uneingeschränkt kabinettstauglich gilt, hat nach Einschätzung von Staatswissenschaftlern wie Signe Bock Segaard von der Universität Oslo mehrere Gründe. Zum einen habe die Partei nach den Terroranschlägen von Breivik ihre Rhetorik tatsächlich gezügelt und trete nicht mehr so offen rassistisch auf. Darüber hinaus bemühe sie sich, auch andere Themen als die Ausländerpolitik in den Vordergrund zu stellen.
Harte Asylpolitik
Wenn Solberg in der Wahlnacht ausdrücklich betonte, sie sehe gerade in der Ausländerpolitik wenig Probleme mit der „Fortschrittspartei“, dann auch, weil sich die Politik des Landes in diesem Bereich in den letzten Jahren stetig verschärft hat und die Vorstellungen von der „Fortschrittspartei“ um Siv Jensen deshalb plötzlich nicht mehr so sehr aus dem Rahmen fallen.
Die Regierung Stoltenberg erschwerte etwa die Möglichkeiten für den Ehegattennachzug so massiv, dass nun Hunderte von Paaren mit einem norwegischen Partner gezwungen sind, außerhalb des Landes zu leben. In Norwegen gibt es nur eine Aufenthaltserlaubnis, wenn der norwegische Ehepartner umgerechnet mindestens 2.500 Euro monatlich verdient.
Sich in der Koalition weder gegenüber der Asylpolitik noch in der Umwelt- und Klimapolitik gegen die Sozialdemokraten durchgesetzt zu haben, wurde vor allem dem linkssozialistischen Regierungspartner fast zum Verhängnis. Mit 4,1 Prozent, dem schlechtesten Resultat seit 1969, schaffte es diese rot-grüne Linkspartei gerade noch über die Sperrklausel. Sie verlor ein Drittel ihrer Wählerschaft.
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