Rechtsruck in Kroatien: Antifaschismus als Floskel
Die Politik der neuen nationalkonservativen Regierung zementiert die Spaltung der kroatischen Gesellschaft. Besonders die Kulturpolitik ist gefährdet.
S eit Ende Januar steht die neue rechtsgerichtete Regierung des EU-Mitgliedsstaats Kroatien. Ihr Profil ist sonderbar. So hat Premierminister Tihomir Orešković, ein politisch unerfahrener Geschäftsmann aus Kanada mit kroatischen Wurzeln, nur mangelnde Kenntnisse der kroatischen Sprache. Dass verständliche Rhetorik und klare Sprache in der Politik eine Schlüsselfunktion besitzen, scheint dabei nur wenige zu interessieren.
Orešković möchte sich auf den wirtschaftlichen Fortschritt im Land konzentrieren, die Politik hat er offenbar seinen beiden Vizepremiers Tomislav Karamarko (Kroatische Demokratische Union) und Božo Pertov (“Die Brücke“) überlassen. Auf der ministeriellen Ebene könnte der Fehlstart dieser Regierung kaum gravierender sein. Der für Kriegsveteranen zuständige Minister Mijo Crnoja geriet wegen dubioser Geldaffären und der erklärten Absicht, ein Register anzulegen, in dem „Verräter“ des Krieges in den 1990ern namentlich aufgelistet werden sollten, massiv unter Druck. Letztendlich legte er ziemlich rasch sein Amt nieder – nach sechs Tagen Amtszeit. Sein Nachfolger steht immer noch nicht fest.
Im Besonderen gerät nun aber Kulturminister Zlatko Hasanbegović in Kritik, weil seine Äußerungen und Handlungen viele an die nationalistisch geprägten neunziger Jahre erinnern. Zuletzt hat der Minister, von Haus aus Historiker, den Rat für unabhängige Medien aufgelöst. Vor seinem Amtsantritt bezeichnete er in einer Fernsehsendung den Antifaschismus als „Floskel“. Obendrein befürwortete er vor ein paar Jahren die Benennung einer Schule in Bosnien-Herzegowina nach dem umstrittenen Imam Husein-ef. Ðozo, der im Zweiten Weltkrieg als Hauptsturmführer in der Waffen-SS-Division Handschar diente.
Viele Eltern protestierten erfolglos gegen diese Entscheidung der Schule. Vor Kurzem sind Artikel des Kulturministers aufgetaucht, in denen er sich positiv über die kroatischen Ustascha-Faschisten äußerte. Diese Texte hatte er noch als Student für die Ustascha-Exilzeitschrift Der Unabhängige Staat Kroatien geschrieben, dessen Herausgeber der Schwager des berüchtigten Ustascha-Führers Ante Pavelić war.
Künstler fordern Rücktritt
Tausende angesehene Kulturschaffende und Vertreter der Zivilgesellschaft wollen dies so nicht hinnehmen. Sie sehen ihr eigenes Handeln und Wirken von Anfang an durch den neuen Minister bedroht. Kreativer Protest ist die öffentliche Kampfansage. Gleich an Hasanbegovićs erstem Arbeitstag projizierte die Nichtregierungsorganisation Domino auf das Gebäude des Kulturministeriums ein Lichtbild mit der Aufschrift „Antifaschismus ist eine Floskel“. Künstler fordern in einem Appell Hasanbegovićs Rücktritt.
Kultur, so ihr Credo, solle weder ideologisch gefärbt sein noch sich des Revisionismus bedienen. Sie sollte frei und unabhängig sein. Zuletzt richtete auch Efraim Zuroff, der Direktor des Simon Wiesenthal Zentrums, an die kroatische Regierung die Forderung, den „faschistischen Kulturminister“ abzusetzen. Auch Josip Juratović,SPD-Bundestagsabgeordneter mit kroatischen Wurzeln und Berichterstatter für Südosteuropa im Auswärtigen Ausschuss, betrachtet die Entwicklung mit großer Skepsis. Seit Hasanbegovićs fragwürdige Artikel kursieren, fordern auch konservative Politiker, wie die ehemalige Premierministerin Jadranka Kosor (Kroatische Demokratische Union), seinen Rücktritt.
Es ist allerdings stark zu bezweifeln, ob diese vielen Proteststimmen Wirkung zeigen werden. Aus dem politisch rechten Spektrum bekommt Hasanbegović nach wie vor großen Rückhalt. Zu seiner eigenen Verteidigung erklärte der Minister, es würde sich hier lediglich um politische Manipulation handeln. Er sei gegen jedwede Form von Totalitarismus und verurteile die Verbrechen der Ustascha.
Die Verbrechen würde er zwar verurteilen, aber nicht das faschistische Regime per se, erwidern wiederum seine Kritiker. Auch habe sich der Minister nicht von seinen früheren Aussagen und Schriften distanziert.
Immer noch „Vaterlandsliebe“
Immer offensichtlicher wird, dass die Politik der neuen nationalkonservativen Regierung zu einer zementierten Spaltung der kroatischen Gesellschaft führen kann. Die neuen politischen und kulturellen Spannungen erscheinen als Folge versäumter Vergangenheitsaufarbeitung und einer immer noch stark polarisierten und emotional geführten Debatte über die Bedeutung von Antifaschismus, Faschismus, Nationalismus und „Vaterlandsliebe“.
Doch damit nicht genug: Auch ethnische Spannungen scheinen wieder zu wachsen. So berichtete der serbisch-kroatische Politiker Milorad Pupovac in einem an Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović gerichteten Brief, dass er seit der Formierung der neuen Regierung vermehrt zum Ziel nationalistisch gesinnter Anfeindungen wurde. Die Präsidentin, bei ihrem Wahlkampf wurde sie von der Kroatischen Demokratischen Union unterstützt, verteidigte die jetzige Regierung, indem sie bekundete, Intoleranz sei in Kroatien schon während der sozialdemokratischen Regierungszeit zu beobachten gewesen.
Auch das kroatische Parlament in Zagreb scheint nun merklich nach rechts zu rücken: Am 4. Februar dieses Jahres übernahm es die Schirmherrschaft für die Gedenkfeier an das Massaker von Bleiburg. Im Mai 1945 hatte die jugoslawische Volksbefreiungsarmee unter Josip Broz Tito in Slowenien Tausende Menschen getötet, die sich auf der Flucht befanden. Unter ihnen waren viele Zivilisten, neben kroatischen, slowenischen, serbischen und deutsche Soldaten; nicht wenige davon waren ihrerseits Kriegsverbrecher.
Die Gedenkfeier für die Getöteten von Bleiburg löst jedes Jahr vor allem deshalb Kopfschütteln aus, weil viele der Teilnehmer faschistische Ustascha-Symbole offen zur Schau tragen. Der ehemalige sozialdemokratische Premierminister Zoran Milanović interpretierte die Gedenkveranstaltung in Bleiburg nun als Nachtrauern um den kroatischen Marionettenstaat von 1941 bis 1945. Kann Kroatien einer solchen gesellschaftlichen Spaltung wieder Herr werden? Im Moment ist dies eher zu bezweifeln.
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