Rechtsradikale in Rumänien: Gericht verbietet Faschistenpartei
Die Gruppe „Alles für das Land“ soll gegen das Parteiengesetz verstoßen haben. Ein Gründungsmitglied bestreitet das Judenpogrom von 1941.
BERLIN taz | Ein Bukarester Gericht hat die 1993 gegründete neofaschistische Partei „Alles für das Land“ (Partidul Totul pentru Tara) verboten. Zum ersten Mal in den 25 Jahren seit der Revolution untersagt damit ein rumänisches Gericht die Tätigkeit einer ultrarechten Gruppierung.
In der Urteilsbegründung heißt es, die Partei habe es bei den Parlamentswahlen von 2008 und 2012 nicht geschafft, auf Landesebene 50.000 Stimmen zu erhalten. Zudem habe die Gruppierung es unterlassen, sich an den letzten Wahlen mit eigenen Kandidaten zu beteiligen, was ein Verstoß gegen das rumänische Parteiengesetz darstelle und die Auflösung einer politischen Formation zur Folge haben könne.
Das Urteil sei eine Folge der Einsicht, wie gefährlich der „Fortbestand einer derartigen legionsartigen Organisation im 21. Jahrhundert“ sei, meint der Leiter des Landesinstituts für die Erforschung des rumänischen Holocaust, Alexandru Florian, zur taz. Die Staatsanwaltschaft hatte die Partei als faschistisch bezeichnet, weil sie sich als Nachfolgerin der 1927 gegründeten rechtsextremen und antisemitischen Legion des Erzengels Michael definiert.
Die jetzt verbotene Partei wurde 1993 von früheren Legionären und antikommunistischen Freischärlern unter dem Namen Partei für das Vaterland (Partidul pentru Patrie) gegründet und 2012 in Partei Alles für das Land umbenannt. Sie beschränkte sich zunächst auf die Herausgabe von Mitteilungsblättern. Eine große Breitenwirkung entfalteten mehrere Bücher von Parteimitgliedern.
Einen besonderen propagandistischen Stellenwert haben die Memoiren von Ion Gavrila Ogoranu (1923–2006). Dieser gehörte einer bewaffneten, antikommunistischen Freischärlergruppe an. Der zur antikommunistischen Identifikationsfigur verklärte Ogoranu diente der Partei als Vehikel zur Verbreitung von Geschichtsklitterung.
Genauso wichtig sind die Erinnerungen eines Gründungsmitglieds der Partei, Nistor Chioreanu. Er behauptet, nicht Juden seien während eines Pogroms 1941 an Fleischerhaken im Bukarester Schlachthaus aufgehängt worden, sondern Mitglieder der Legion. Zudem seien damals nur zwei Juden ums Leben gekommen. Tatsächlich wurden in Bukarest 120 Juden von den rechtsextremistischen Legionären ermordet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient