Rechtsprechung in Malawi: 14 Jahre Haft für schwules Paar
Weil sich Tiwonge Chimbalanga und Steven Monjeza lieben, erwartet sie 14 Jahre Haft mit Zwangsarbeit. Das Urteil zeigt die öffentliche Stimmung in dem christlich missionierten Land.
BERLIN taz | Die Publikumsbänke waren voll. Über tausend Menschen drängelten sich vor dem Gerichtsgebäude. Die Polizei musste die Straßen abriegeln. Als Richter Nyakwawa Usiwa Usiwa gestern Morgen in Malawis Hauptstadt Blantyre die Protagonisten der ersten Homoehe Afrikas zu 14 Jahren Haft mit Zwangsarbeit verurteilte, wurde er berühmt. Menschenrechtler aus aller Welt üben scharfe Kritik an dem Urteil gegen Tiwonge Chimbalanga und Steven Monjeza. Großbritannien, auf dessen Kolonialgesetze Malawis Verbot von Homosexualität zurückgeht, nannte den Richterspruch "untragbar".
"Ich verurteile Sie zu jeweils 14 Jahren Haft mit Zwangsarbeit", sagte der Richter. "Das ist das Maximum im Strafgesetzbuch. Ich gebe Ihnen ein abschreckendes Strafmaß, damit die Öffentlichkeit vor Leuten wie Ihnen geschützt wird und wir nicht in Versuchung geraten, dieses schreckliche Beispiel nachzuahmen." Das "schreckliche Beispiel" war die kirchliche Verlobung, die die beiden Männer am 26. Dezember 2009 vor Hunderten Gästen miteinander zelebriert hatten. Die Polizei nahm sie wenig später wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses" und "unnatürlicher Akte" fest. Am vergangenen Dienstag wurde Monjeza wegen Analverkehr verurteilt, Chimbalanga wegen Zulassung davon. Dies sei "gegen die natürliche Ordnung", so der Richter.
Während ihrer Haft wurden die beiden angeblich gefoltert. Chimbalanga erkrankte an Malaria, stand aber trotzdem vor Gericht und musste nach einer Verhandlung sein Erbrochenes selber wegwischen. Die Verhandlungen waren öffentlich, die Angeklagten wurden immer wieder vom Publikum beschimpft.
Iran: Homosexualität ist ein Tabu in der streng religiösen Gesellschaft. Gleichgeschlechtliche Handlungen sind illegal und werden bei Männern mit Todesstrafe durch Erhängen geahndet. Als Nachweis reichen vier Zeugen. Homosexuelle Handlungen zwischen Frauen werden meist mit Auspeitschen bestraft.
Jamaika: Auf der Karibikinsel steht Homosexualität zwischen Männern unter Strafe. Bis zu zehn Jahre Haft drohen. Selbst Händchenhalten kann bestraft werden. Schwule müssen ständig Angriffe der Bevölkerung fürchten. Die Homophobie wird befeuert durch schwulenfeindliche Texte von Reggae- und Dancehallsängern.
Polen: Gilt in Europa als intolerantestes Land gegenüber Homosexuellen. Zwar sind Schwule und Lesben dem Gesetz nach Heterosexuellen gleichgestellt, seit 2005 nahm die Diskriminierung unter der konservativen Regierung wieder stark zu. Demonstrationen wurden verboten, Aktivisten festgenommen. In der katholisch geprägten Gesellschaft wird das Thema tabuisiert.
Sudan: Im Norden gilt für Muslime die Scharia. Homosexuelle Handlungen werden mindestens mit Gefängnisstrafe geahndet. Im Höchstmaß mit der Todesstrafe. Schwule werden durch die strenge Gesetzgebung in den Untergrund gedrängt, aufgrund der Illegalität besteht keine Community.
Saudi-Arabien: Homosexuelle Handlungen sind verboten und werden mit Peitschenhieben und Gefängnis bestraft. 2007 noch wurden zwei schwule Männer zu je 7.000 Peitschenhieben verurteilt. Die Todesstrafe wird nicht mehr verhängt. Die Stellung der Frau ist stark reglementiert, das betrifft auch lesbische Frauen. Eine Religionspolizei überwacht das gesellschaftliche Leben.
Dass Chimbalanga angab, er sei eigentlich eine Frau, und Tiwonge sich auf Trunkenheit während der Verlobungsfeier berief, ließ die beiden eher noch sündhafter aussehen. Malawi ist ein selbst für afrikanische Maßstäbe extrem konservatives Land nach intensiver schottischer christlicher Missionierung während der Kolonialzeit.
Gerade durch die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit sah sich der Richter nun offenbar verleitet, an den beiden ein Exempel zu statuieren. Staatsanwältin Barbara Mchenga gab der Affäre in ihrem Plädoyer eine nationale Dimension: "Dieser Fall hat eine Wunde in Malawis Moral geschlagen", sagte sie. Verteidiger Mauya Msuku plädierte vergeblich, das Verbrechen sei eigentlich nur ein "technisches Vergehen".
Das Exempel des Richters Usiwa Usiwa könnte nun auf ganz Malawi in unangenehmer Weise zurückfallen. Rund 40 Prozent seines Staatshaushaltes bezieht Malawi aus der internationalen Entwicklungshilfe. Diese Budgethilfe wird innerhalb des Geberkoordinierungsforums CABS (Common Approach to Budget Support) abgewickelt, und dieses Forum drohte am 16. März mit einer Sperrung von Hilfsgeldern. CABS-Vorsitzender Frank Kufwakwandi, Leiter des Malawi-Büros der Afrikanischen Entwicklungsbank, erklärte damals: "Respektierung der Menschenrechte ist eines der Grundprinzipien für die Budgetzusammenarbeit mit Malawi. Wenn wir ,Menschenrechte' sagen, reden wir nicht nur von der Mehrheit, sondern auch von Minderheiten wie Homosexuellen."
Malawi, eines der ärmsten Länder im südlichen Afrika mit 13 Millionen Einwohnern, gilt eigentlich seit einigen Jahren als Erfolgsmodell der Armuts- und Hungerbekämpfung. Die Regierung hat in den vergangenen Jahren durch Vergabe von Saatgut die landwirtschaftliche Produktivität stark gesteigert. Dass die reichen Industrienationen nun wegen zwei Schwulen mit Geldentzug drohen, dürfte in Malawi auf Kopfschütteln stoßen. Denn erst im Januar gab der Internationale Währungsfonds (IWF) grünes Licht für die Freigabe von 545 Millionen US-Dollar internationaler Hilfsgelder an Malawi, die in Ermangelung eines neuen Rahmenabkommens mit dem IWF eingefroren worden waren. Das einzige Problem daraufhin war der Kauf eines Präsidentenjets. Von Schwulenverfolgung war erst die Rede, als die Gelder ausgezahlt waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“