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Gesetze aus der NS-Zeit, die bis heute geltenWo Adolf noch regiert

Vom Ehegatten-Splitting über die Stellplatzpflicht bis zur Mord-Definition stammen viele noch heute gültige Gesetze aus der NS-Zeit. Das hat nicht nur symbolische Bedeutung sondern auch konkrete Konsequenzen

Bekannteste, aber nicht die einzige Hinterlassenschaft des Nazi-Regimes: die Autobahn Bild: dpa

BREMEN taz | 68 Jahre nach Hitlers Tod und dem Ende des „Dritten Reiches“ sind noch immer zahlreiche Gesetze und Verordnungen in Kraft, die vom „Führer“ und dessen Reichsregierung erlassen wurden. Auch in den aktuell gültigen Ländergesetzen sind diverse NS-Relikte zu finden – insbesondere in Norddeutschland, dem Besatzungsgebiet der Briten und US-Amerikaner. „Die Franzosen und Sowjets haben in ihren Zonen strenger durchgegriffen“, sagt der Bremer Völkerrechtler Gerhard Stuby.

Wer in Hamburg Lotto spielt oder in Bremens Kleingärten seine Hecke kurz hält, tut dies nach den Regeln des NS-Staates. Das „Gesetz über den Grunderwerb für die Kanalisierung der Mittelweser“ – ein rotes Tuch für niedersächsische Umweltschützer – stammt von 1936. Und wer sich etwa in Schleswig-Holstein über Sonderrechte der Jäger ärgert, für die Teile des Tierschutzgesetzes nicht gelten, verdankt das den NS-Jagdbestimmungen. Auch schwerere juristische Kaliber wurden aus dem NS-Staat übernommen. So der „Tätertypus“-orientierte Mord-Paragraf oder auch das Ehegatten-Splitting – das die geringfügige berufliche Tätigkeit von Ehefrauen steuerlich belohnt.

Trotz der „Unrechtsbereinigungs-Gesetze“ von 2002 und 2009, die endlich die „Volksschädlingsverordnung“ und die Deserteurs-Verurteilungen aufhoben, sind nach Auskunft des Bundesjustizministeriums noch 29 NS-Gesetze auf Bundesebene unmittelbar gültig. Zudem wurde bei vielen umformulierten Gesetzen „die Rechtssubstanz im Wesentlichen beibehalten“, sagt der Bremer Staatsrechtler Dian Schefold. Gab es nach dem Krieg keine Diskussion um eine juristische „Stunde Null“, eine pauschale Aufhebung aller im NS-Staat gesetzten Rechtsnormen? „Durchaus“, sagt Schefold – „allerdings kaum unter Juristen.“ Denn die seien in ihrer großen Mehrheit selbst Teil der NS-Justiz gewesen.

Und die Besatzungsmächte? Deren Alliierter Kontrollrat hob auf Reichsebene zwar einige der schlimmsten NS-Gesetze auf, entschied sich aber aus pragmatischen Gründen gegen ein grundsätzlicheres Vorgehen. Ein solcher Einschnitt jedoch, meint Schefolds Kollege Stuby, wäre „die richtige Antwort auf den einmaligen Zivilisationsbruch durch die Nationalsozialisten“ gewesen.

1990 war man konsequenter

Beim Systemwechsel 1990 gingen die Deutschen deutlich radikaler zu Werk: Während die BRD schlicht die Rechtsnachfolge des „Dritten Reiches“ angetreten hatte, wurde die Eliminierung des DDR-Rechts im Einigungsvertrag festgeschrieben. Die Folge: Aus der NS-Zeit blieb alles erhalten, was nicht ausdrücklich aufgehoben wurde – von der DDR nur das, was die BRD explizit übernahm. Und das war wenig.

Für Helmut Kramer, der in Wolfenbüttel das Internetportal „Justizgeschichte“ betreibt, ist auch „das Fortwirken von Auslegungskonstruktionen und Denkfiguren“ eklatant. Der frühere Richter am Oberlandesgericht Braunschweig verweist auf die im Dritten Reich ins Strafgesetzbuch eingeführte Sicherungsverwahrung, die derzeit stufenweise ausgeweitet werde. Kramer: „Man kann sich je nach Opportunität aus dem Steinbruch der NS-Gesetze bedienen.“

Bei den Anwaltskammern landauf, landab gibt es an gültigen NS-Gesetzen kaum Interesse – entsprechende Anfragen bleiben meist unbeantwortet. Hartmut Scharmer, Geschäftsführer der Hamburger Standesvertretung, erläutert: „Der mögliche Fortbestand solcher Gesetze hat für mich weder symbolische noch praktische Relevanz.“ Sein Vergleich: „So, wie nicht jedes 1968 geborene Kind links ist, ist nicht jedes Gesetz aus der NS-Zeit rassistisch.“

Heilpraktikergesetz und Vogel-Beringung

Für die Bremer Verordnung zur wissenschaftlichen Vogel-Beringung von 1937 trifft das sicher zu – zumal sie nicht zwischen fremd- und inländischen Vögeln unterscheidet. Und ja: Die von den Nazis eingeführte Kilometer-Pauschale wollen viele nicht missen. Dem seit 1939 gültigen Heilpraktikergesetz sieht man nicht an, dass es ursprünglich auch den Ausschluss jüdischer Ärzte bezweckte.

Wie aber steht es mit offen diskriminierenden Regelungen gegen andere Bevölkerungsgruppen, wie dem 1935 verordneten Meisterzwang im Handwerk? Wann wird das Hamburger Gesetz über Wohnwagen aufgehoben, das deren Aufstellung genehmigungspflichtig macht? Es wurde vom Senat zwar erst 1952 verkündet – tradiert jedoch Rechtssetzungen der Vorgängerregierung, deren Stoßrichtung gegen das „Fahrende Volk“, also Sinti und Roma, leicht erkennbar ist. Auch Wagenplatz-Leute müssen sich heute mit diesen restriktiven Vorschriften herumschlagen.

Nun wäre der Eindruck verkehrt, jede gesetzlich festgeschriebene Bösartigkeit sei von den Nazis erfunden. Beispielsweise gab es bereits in den 20er-Jahren in einigen US-Bundesstaaten Euthanasie-Gesetze – und entsprechende Entwürfe auch in der Weimarer Republik. Man könnte ferner drauf verweisen, dass Österreich, Spanien und Italien größere juristische Hinterlassenschaften der faschistischen Diktaturen zu verdauen haben als Deutschland. Trotzdem bleibt festzustellen: Selbst 2013 ist die Gesellschaft noch bereit, Teile von Hitlers legalistischen Setzungen hinzunehmen: Happy Birthday, "Führer"!

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43 Kommentare

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  • Normalerweise kann das gar nicht sein weil alle Nazigesetze durch die Gerichtsentscheidung des Französischen Restitutionsgericht im Fall Tillessen am 06. Januar 1947 aufgehoben worden sind bindend für alle Gerichte und Behörden in Deutschland.

    • @Peter Frühwald:

      Tja Peter, das ist eben der Unterscheid zwischen dem "geltenden" und dem "gültigen" Gesetz. Das ist die "mollathisierende Kraft des Faktischen: wer sich wehrt und am Ende auch noch beweisbare Fakten hat, .....ist verrückt".

       

      Da muss es einer Journalie, ums Überleben auch kämpfend erlaubt sein, die Dinge nicht ganz so stramm beim Namen zu nennen!

  • F
    fenster

    hitler war auch vegetarier. sollten diese denn deswegen auch alle schlecht sein und verteufelt werden? man lanns auch echt übertreiben.^^

    • @fenster:

      Geht es auch ohne Polemik? Hitler war ein Massen Mörder, Egal ob er Kinderlieb oder Veganer war oder nicht.

  • AB
    Alexander Berg

    Ist endlich klar, was hier los ist?

  • DT
    Der Tommi

    Die BRD hat niemals die Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches angetreten! Das ist Unfug !

     

    Die BRD war, und ist, identisch mit dem Deutschen Reich, jedoch im räumlichen Bereich nur teilweise. Die DDR sah sich eine lange Zeit als Rechtsnachfolger, was aber niemanden sonderlich interessierte.

  • C
    Caleño

    Es geht noch "toller"

     

    Meine Frau ist Ausländerin - heute wie vor 20 Jahren. Im Jahre 1994 sind wir im Rahmen der Entwicklungshilfe in ein Drittland gegangen, somit war es wegen der Staatsbürgerschaft meiner Frau besser, wenn sie mit einem deutschen oder einem Dienstpass reisen konnte. Unsere Bemühungen in Bonn führten damals zu folgender Empfehlung einer durchaus gut gewillten und weltoffenen Bearbeiterin in einem Ministerium "Da sie bisher noch nicht als Ehepaar die erforderliche Zeit in Deutschland gelebt haben um eine Einbürgerung ihrer Frau zu beantragen kann ich ihnen nur empfehlen diese über die Ausnahmereglung für (man höre und Staune) 'Volksdeutsche' zu beantragen, dadurch ist die Sperrfrist unwirksam und die Einbürgerung einfacher und schneller möglich" - wir haben "Dankend verzichtet"

    Ich glaube dies ist in einem für Deutschland sensibleren Problem unmöglich ... ich weiß leider nicht ob diese Regelung noch gilt ... eventuell für Russlanddeutsche angewendet wird ....

     

    Auf der anderen Seite - Jura ist ein hartes Brot - Die BRD ist offizieller Rechtsnachfolger des III. Reiches - daher muss in jedem neuen Gesetz in der Präambel aufgeführt werden welche Gesetze mit dem neuen Gesetz ungültig werden - da ist sicher schon manchmal geschludert worden ... Dies sollte eine Studie einer Universität - am besten in studentischen Praktika - Kostenersparnisse - wert sein ... Klarheit ist alles!

  • W
    Wolfgang

    Aufklärung ist stets ungeschminkt.

     

    Da die privaten Eigentumsverhältnisse der Finanz- und Monopolbourgeoisien in Deutschland fortbestehen, so wie auch schon nach 1933 bzw. vor 1945, so kam es danach, nach 1945, nur zu einem modifizierten postfaschistischen Gesellschafts-Gewand. Ob es der Umgang mit Obdachlosen ist, oder die staatliche Anwendung von "Eingliederungsmaßnahmen" für Arbeitslose - im (noch) offenen Hartz-IV-Strafvollzug, durch "Jobcenter"-Beamten und Angestellten, es handelt sich hierbei um modernen Wirtschafts- und Kapital-Faschismus (Staatsmonopolistischer Kapitalismus und Imperialismus). Die bestehende "Soziale Marktwirtschaft" (- der objektiv herrschenden und regierenden Bourgeoisie und Aktionäre) ist durchaus in der Lage, bei Bedarf, umzuschalten, auf die alten kapital-faschistischen Methoden, siehe doch nur, die Aktivitäten von BND-BfV-BKA-Justiz und NSU etc.

  • RB
    Rainer B.

    Das Entscheidende ist sicher nicht die Zeit, in der Gesetze entstanden sind, sondern der Geist, der sie durchweht. Nehmen wir zum Beispiel mal die Gesetzgebung zum Thema Obdachlosigkeit. Für den Gesetzgeber war und ist Obdachlosigkeit ein ordnungspolitisches Problem. Der Obdachlose wird gesehen als etwas, das die öffentliche Ordnung bedroht. Folglich sind in vielen Kommunen nach wie vor die Ordnungsämter für die Obdachlosen zuständig. Auf die Idee, dass Obdachlosigkeit ein soziales Problem sein könnte, das den Obdachlosen in seiner Existenz bedroht, ist der Gesetzgeber bisher nicht gekommen. Es ist doch genau dieser braune Geist, der bis heute vernünftige sozialpolitische Lösungen in vielen Bereichen verhindert hat.

  • F
    Fraktal
    Die Redaktion: Der Kommentar wurde gelöscht.
  • TS
    Thomas Schmidt

    Die Bremer Verordnung zur Vogelberingung ist längst aufgehoben.

     

    http://bremen.beck.de/default.aspx?typ=reference&y=100&g=BrVogelBerVO

  • N
    Normalo

    @Eike

     

    Das Rechtsberatungsgesetz ist eine prima Idee, weil es einen Mindeststandart für die Qualität von Rechtsberatung definiert. Wenig ist gefährlicher als der Rechtsrat von Jemandem, der nur über ein angelesenes Halbwissen verfügt.

  • H
    Hannah

    Nicht zu vergessen das restriktive Namensänderungsgesetz. Wobei "immerhin" die Zwangsnamensänderungen (für Juden) daraus eliminiert wurden.

  • A
    Autofreier

    Ein passendes Zitat aus einer Veröffentlichung von Helmut Kramer:

     

    http://www.forumjustizgeschichte.de/fileadmin/user_upload/plaedoyer.pdf

    Plädoyer für ein Forum zur juristischen Zeitgeschichte

    Helmut Kramer

     

    "Mit vielen Hunderten von Museen und zugehörigen Forschungs- und Arbeitsstellen bekennt sich unser Staat zu der Aufgabe, geschichtliches Kulturgut zu überliefern und dessen Werdegang darzustellen (...). Beispielsweise haben wir 58 Automobilmuseen, als seien wir eher ein Autofahrerstaat als ein Rechtsstaat."

  • E
    Eike

    Ihr habt auch das Rechtsberatungsgesetz vergessen, dass die Nazis 1935 eingeführt haben.

     

    Wegen diesem Gesetz müssen Initiativen wie Gewerkschaften, Mietervereine, oder Arbeitslosen-Initiativen, häufig Rechtsanwälte einstellen, damit sie sich nicht der unerlaubten Rechtsberatung schuldig machen. Das Rechtsberatungsgesetz verteuert darum die Arbeit dieser Initiativen, und behindert die Selbstorganisation einfacher Menschen.

  • A
    Autofreier

    Für sehr erwähnenswert halte ich auch die Reichsstraßenverkehrsordnung. Sie war mit der Mahnung überschrieben, der "Führer und Reichskanzler" wünsche die Förderung der Motorisierung und in diesem Sinne sollten die Juristen sie doch bitte schön interpretieren.

     

    Dieses taten sie denn auch. Auch nachdem der "Führer und Reichskanzler" schon tot war! Fast das ganze deutsche Volk ist mehr oder weniger der Überzeugung, Autos hätten im Allgemeinen auf der "Fahrbahn" (die Adolf definierte, wohingegen die BRD nicht einmal das mehr schaffte) "Vorfahrt". Bloß steht es gar nicht in der StVO.

     

    Die "Rechtsstaatler" der BRD haben diese Tradition einfach übernommen. Zigtausende vollendete Totschlägereien von Autofahrern an Fußgängern sind so und werden so legalisiert. Millionen, nein, über Jahrzehnte gerechnet Milliarden Totschlagsversuche und Nötigungen ebenso.

     

    Es geht also nicht darum, dass mal ein Gesetz von Nazis unterschrieben wurde und nur deshalb "böse" sein soll (Ehegattensplitting etc.).

    Nein, die Verkehrsjuristen sind geistige Fort-Führer der Hitlerschen Tradition ohne gesetzliche Grundlage! Sie lassen weiter totschlagen von ihrer Millionenschar williger Motorvollstrecker.

     

    Autofahrer sind Totschläger - zu mehr als 99 Prozent!

  • N
    Normalo

    Wenn gewisse Gesetze aus der Nazi-Zeit 60 Jahre im stringent humanistische Verfassungsrechtsprechung, 4 schwarze und schwarz-gelbe, 2 schwarz-rote, 2 rot-gelbe und eine rot-grüne Regierung überlebt haben, dann sind sie wohl in der Mitte der bundesdeutschen Gesellschaft angekommen - ob das dem nimmermüden antifaschistischen Kämpferherz nun gefällt oder nicht. Die Frage ist: Wenn niemand den faschistischen Ursprung dieser Vorschriften mehr bemerken kann, ohne auf ihr Entstehungsdatum zu schielen, was ist dann - wirklich - an ihnen faschistisch?

     

    Was den mit ominösen Untertönen unterlegten Teil zum Aufräumen bei der Wiedervereinigung betrifft, liebe taz: Schämt Euch für diesen völlig hinkenden Vergleich!

     

    Allein schon von der Praktikabilität her liegen zwischen den beiden Vorgängen Welten. Im einen Fall galt es, ein am Boden liegendes Land, das nur diese eine, von den Nazis mit geschaffene Rechtsordnung hatte, schnellstmöglich wieder zu einem funktionierenden Staatswesen zu verhelfen. Ein Großteil der Gesetze hätte mit der heißen Nadel neu gestrickt werden müssen und danach wahrscheinlich auch nicht viel anders ausgesehen als vorher. Die für diese aufwändige "Neugewandung" benötigten Ressourcen konnte man damals schlicht sinnvoller einsetzen.

     

    Umgekehrt benötigte das Land nach dem Fall der Mauer vor allem ein möglichst einheitliches Recht für Alle. Dafür standen zwei in sich hinreichend stimmige Rechtssysteme gegenüber, die aber zusammen nicht funktionieren konnten, weil sie sich an zu vielen Stellen widersprachen. Also galt es zu wählen. Eins der beiden System galt bereits für den Großteil des zukünftigen Landes und hatte ein paar Jahrzehnte gelebte Rechtsstaatlichkeit auf Basis von Menschen- und Freiheitsrechten aufzuweisen. Das andere war nur einer Minderheit geläufig und hätte auch erst einmal gründlich ausgemistet werden müssen, um die totalitäre Ideologie seiner Macher auszumerzen.

     

    Symbolpolitisch ist die Frage daher vielleicht mal wieder ein Grund für ostaligische Revanchegelüste. Fachlich aber dürfte es kaum zwei Meinungen geben. Schade nur, dass dieser Artikel die Sachfrage lieber zur Polemisierung missbraucht, als Verständnis zu fördern.

  • VH
    von Harzerin

    Interessant wird es , wenn man die Auswirkungen dieser stehen gelassenen Gesetze auf die heutige Situation mal unter die Lupe nimmt. Z.B. das Heilpraktikergesetz. Dies ist sicher auch bei den anderen aufgeführten Gesetzen dann aber sicher ein völlig eigenständiges Thema, das zu recherchieren wäre. Spannend für mich, als betroffene Heilpraktikerin, war die Menge an Gesetzen die es da dann noch zu prüfen gäbe ob sie gut oder schlecht , demokratisch oder undemokratisch sind.

  • F
    Fips

    Viel schlimmer finde ich einige Gesetze die von der Bundesregierung geschaffen wurden.

     

    z.B. die Ausländergesetze.

     

    oder Konkret die "Residenzpflicht" um mal nur ein Beispiel zu nennen.

     

    Die wurden nach der NS geschaffen.

    In welche Richtung die Schlagen, darf der aufmerksame Leser selber deuten. Ich denk mir dazu meinen Teil.

  • AN
    Ano Nym
    Während die BRD schlicht die Rechtsnachfolge des „Dritten Reiches“ angetreten hatte, wurde die Eliminierung des DDR-Rechts im Einigungsvertrag festgeschrieben.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Reich

     

    »Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert […]. Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht „Rechtsnachfolger“ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat „Deutsches Reich“,«

     

    Dann wird einem manches klarer.

  • G
    Gerhard

    Geschichte ist ein Kontinuum.

     

    Total Brüche gibt es eigentlich nur durch Revolutionen, die allerdings in der Regel nicht die grundsätzlichen Machtstrukturen neu schreiben, sondern lediglich diejenigen, die von den Machtstrukturen profitieren.

     

    Geschichte ist unter anderem deshalb ein Kontinuum, weil die Menschen selbst nach einem Bruch durch eine Revolution dieselben bleiben, mit denselben Gedanken, Gefühlen und Vorurteilen.

     

    Nur formal kann man einen totalen Bruch mit der Vergangenheit herstellen, inhaltlich jedoch nicht. Letzteres zeigt sich insbesondere in Krisen. Der Internationalismus des Kommunismus scheiterte in seinem Mutterland im selben Moment, als dieses Land angegriffen wurde. Da wurde ein vaterländischer Krieg geführt.

     

    Auch Gesetze sind ein Kontinuum. Unser gesamtes Recht wurzelt im römischen Recht. Was man schon vor 2000 Jahren als gut herausgefunden hat, hat prinzipiell immer noch Gültigkeit. Ein Großteil der heute noch gültigen Gesetze trat am 1.1.1900 in Kraft, stammt also aus dem Kaiserreich. Dass Gesetze damals solider gemacht wurden als heute zeigt sich im gesamten Zivilrecht mit Ausnahme des Familienrechts, das den geänderten Zeitströmungen angepasst wurde.

     

    Auch im Dritten Reich wurden teilweise sehr vernünftige Gesetze verabschiedet, die großenteils heute noch gültig sind. Rassistische Gesetze wurden hoffentlich im Großen und Ganzen schon bei Gründung der Bundesrepublik aus den Gesetzbüchern gestrichen. Dass es nach wie vor versteckt rassistische Gesetze gibt, zeigt deutlich, dass Geschichte nun mal ein Kontinuum ist und Rassismus nicht einfach verschwindet, weil inzwischen eine andere Regierungsform gewählt wurde. Wer, wie ich, in den fünfziger Jahren aufgewachsen ist, weiß nur zu gut, dass Formalien am Denken der Menschen nichts ändern. Nestbeschmutzer war damals ein häufig gebrauchtes Schimpfwort.

  • C
    Cometh

    Eine echt nationalsozialistische Idee war es , den Sprachgebrauch in Gesetzen anzupassen, um gesellschaftlich gewünschten Fortschritt zu erreichen, durch Schaffung eines nicht gesprochenen Kunstdeutsch.

     

    Sehr instruktiv auch die Idee der Gemeinschaft, die überall eineführt wurde, die Stärkung des Genossenschaftswesens und des Ehrenamtes.

     

    Der Vegetarismus und die Spaßkultur sind auch das Erbe, Massenveranstaltungen sowieso. Dasselbe gilt von der Abschaffung kirchlicher Veranstaltungen und Feiertage. Die Übertragung und Verfilmung von Prozessen ist auch eine nationalsozialistische Idee von Zeitlosigkeit.

     

    Öffentliche Vorgaben an das was diskutiert werden darf, ohne das Volksempfinden zu beleidigen und andere zu kränken; generell die Förderung von Solidarität, öffentliche soziale Hilfswerke, die Aufhebung von überkommenen Bestimmungen im Familienleben und Chancengleichheit für alle unabhängig vom Herkommen ist alles zutiefst nationalsozialistisch. Deshalb hatten die ja auch Erfolg.

     

    Mal sehen, wer sich da wiedererkennt... Von Taz-Lesern wahrscheinlich keiner.

  • FH
    Frank Heinze

    1933: Einführung des 1. Mai als Tag der Arbeit (gesetzlicher Feiertag)

    1934: Steuerreform und Verdopplung der Urlaubstage

    1940: Abschaffung der Steuern auf Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit

    1941: Integration der Rentner in die Krankenkasse

    1941: 15-prozentige Rentenerhöhung

     

     

    alles abschaffen!

  • F
    flueggus

    Die aus dem Jahr 1937 stammende Radwegebenutzungspflicht, die 1998 zwar allgemein aufgehoben wurde, aber für entsprechend beschilderte Wege immer noch gilt, fehlt in der Aufzählung. Damals wurden die Gründe (Freie Fahrbahn für die Automobilisten) noch recht offen proklamiert, später wurde dann mit die Sicherheit für Radfahrer vorgeschoben, welche aber nachweislich nicht gegeben ist (Geradeausspur rechts von Rechtsabbiegern!).

    Es wird Zeit, dass auch die Reste dieser Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit endlich verschwinden!

  • K
    Karl-August

    Es gibt noch unglaublich viele diskriminierende Regelungen gegen andere Bevölkerungsgruppen. Ich nenne mal die beiden, die mich am meisten stören: Führerschein und Facharztprüfung.

     

    Da muss dringend mal aufgräumt werden. Unabhängig davon, welche Geschichte diese Regelungen haben.

  • S
    Savigny

    Wow, TAZ, selbst übertroffen in Sachen Recherche, Tiefe und Hintergrundwissen. Das klingt hier alles so, als würde ein Fahrradmagazin über die Formel 1 berichten.

  • UZ
    und zu

    @FloLuo:

    Er sagte: "Norddeutschland, Besatzungsgebiet der Briten und Amerikaner", und Norddeutschland war eben Besatzungsgebiet der Briten (Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein) und Amerikaner (Bremen, Bremerhaven).

    Das sagt aber nicht aus, dass allein Norddeutschland das Besatzungsgbiet von Briten und Amis war.

  • VS
    Verdunkelte Scheiben Aufmachen

    Ein absolut rassistisches Gesetz des immer noch und trotz Klimaterror herrschenden Systems des Automobilfaschismus ist der Lampenzwang.

    Bis 1936 galt auf der Strasse "verkehrsangepaßt" zu fahren, d.h. in Dunklen die Geschwindigkeit zu reduzieren, weil Kutschen und Radler kein Licht hatten.

    Damit konnten die Nazis allerdings ihre Volkswagen nicht verkaufen.

    Es hat sich also nichts geändert, sondern ist nur schlimmer geworden: Jährlich sterben 1,2-1,5 Millionen Menschen im Verkehr!

  • F
    FranKee (Pirat)

    Auf ein Wort:

     

    Bezirksschornsteinfeger.

  • Z
    zweifler

    Nicht zu vergessen, der 1. Mai wurde von den Nationalsozialisten als Feiertag eingeführt.

  • G
    Georg

    Entweder ein Gesetz ist gut, dann bleibt es, oder es muß geändert werden. Alles andere ist Bewältigungswahn.

  • J
    Jochen

    Eine klassische Nazi-Schöpfung ist auch das deutsche Bergrecht, weil dort die Bergbehörden (die wiederum den Wirtschaftsministerien unterstehen) alleine über die Genehmigung von Bergbauprojekten entscheiden können - und so der damals kriegswichtige Wirtschaftszweig freie Bahn hatte. Dass Umweltbehörden oder gar andere demokratische Gremien dabei nichts zu melden haben ist offenbar lange Zeit gar nicht groß aufgefallen - jetzt aber zerstören beim Thema Fracking die autoritären Strukturen den letzten Rest von Vertrauen darin, dass sich diese heikle Technologie durch ein transparentes und demokratisches Verfahren beherrschen ließe.

  • DM
    Dr. Manhattan

    Eine besonders schlimme Diskriminierung ist die gegen Handwerker mit zwei linken Händen, die mit einem Meisterstück gequält werden, anstatt sie einfach so auf ihre Mitmenschen loszulassen.

  • O
    Olly

    "Wie aber steht es mit offen diskriminierenden Regelungen gegen andere Bevölkerungsgruppen, wie dem 1935 verordneten Meisterzwang im Handwerk?"

     

    Dazu kann ich nur Sagen... Ich finde es gut so wie es ist denn sein wir mal ehrlich wollen wir das jeder Hinz und Kunz Elektrische anlagen, Dachstühle oder gar Treppen Bauen Darf wie in manch Westlichen Ländern wo Pfusch an der Tagesordnung ist?

  • F
    FloLuo

    Allerdings solltet ihr nochmal nachschlagen wo genau die amerikanische Besstzungszone denn tatsächlich war. Nich so wiklich Norden, was?;)

  • G
    GEMAfia

    Die Tatsache, dass die GEMA Jazz und Improvisierte Musik als "Werke außereuropäischer Musiktradition" (i.e. "U-Musik") einstuft und dann extrem schlechter abrechnet als "Werke europäischer Musiktradition" (i.e. "E-Musik"), hat deutliche Bezüge zur rassistischen Kulturideologie der Nazis ("Arische Musik" versus sogenannte "Negermusik", bzw entartete Kunst). Weder der Staat, noch die Musikkonsumenten stören sich daran.

  • EL
    Ernst Lehmann

    Der Artikel ist schlecht recherchiert: Bezgl des Ehegattensplittings kann man auf wikipedia lesen:

    "Entgegen verbreiteten Fehlinformationen wurde allerdings nicht das Ehegattensplitting eingeführt, sondern es wurden die Verdienste von Ehemann und Ehefrau addiert und wie die einer Einzelperson besteuert. Das führte dazu, dass der Zusatzverdienst des zweiten Ehepartners voll der Progression unterlag, was eine deutlich erhöhte Steuerlast bei Zweiverdienerehen gegenüber dem vorherigen Rechtszustand (in dem jeder Ehepartner getrennt wie ein Lediger besteuert wurde) bedeutete. Dies fügte sich nahtlos ein in die generelle politische Linie der Ablehnung von Frauenerwerbstätigkeit."

  • H
    Holger

    Es ist ein weit verbreitetest Gerücht, dass die Nazis die Autobahn "erfunden" hätten. Schon ein Blick zu Wikipedia kann diesen Irrtum aufklären.

  • V
    viccy

    § 316a StGB (Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer) ist ebenfalls aus der NS-Zeit. Da kamen ja die Autos langsam hoch... Soll das Gesetz also abgeschafft werden?

     

    Und am Besten dann inhaltlich neu erlassen mit demselben Inhalt. Und schwupps ist es kein Nazi-Gesetz mehr.

     

    Verstehe den Sinn des Artikels nur bedingt... wenn ein Gesetz schlecht ist, gehört es geändert und wenn ein Gesetz gut ist, gehört es beibehalten.

     

    Die Überarbeitung der hartz4-Gesetze (z.B. bei der Zumutbarkeitsreglung in § 10 SGB II) halte ich für wesentlich dringlicher als Lottospiel-Reglungen. Und das Gesetz kam nicht von Adolf, sondern von Gerhard.

  • F
    Fisch

    Was für ein sinnloser Artikel!

     

    Kommt es nicht vielmehr auf den Inhalt von Gesetzen an als auf denjenigen, der es erlassen hat? Ist es nicht viel wichtiger, Regelung zu ändern oder abzuschaffen, die diskriminierend (etc...) sind, egal zu welcher Zeit sie eingeführt wurden?

     

    Es gibt übrigens auch noch Gesetze aus der Kaiserzeit, als dieses Land nationalistisch, geradezu chauvinistisch und militaristisch war. Soll dafür jetzt das BGB kritisiert oder abgeschafft werden?

     

    Bitte mehr Fokus auf den Inhalt legen als diese geradezu dümmliche Nazifixierung!

  • V
    vjr

    Relikte – ja klar, liebe Nachbarn, habt ihr. Und nicht nur aus der Nazizeit, auch aus der Kaiserzeiten habt ihr noch jede Menge. Einfach nach und nach entrümpeln. Tut gut.

    Nur zu, viel Erfolg, und auch viel Spass, dabei!

    Herzliche Grüsse aus dem Süden:-)

  • JV
    Jenseits von Böse

    Die Artikelreihe zu unserer Nazi-Hinterlassenschaft ist eine tolle Idee. Schon Kohl nahm für sich die "Gnade der späten Geburt" in Anspruch, für nachfolgende Generationen ist's eh nur noch "Gechichte" (kein Rechtschreibfehler, sondern Kohl), also vollkommen ohne Belang, was die Großväter angerichtet haben.

     

    Dass sich der völkisch-braune Ungeist heute noch in Verwaltungsvorschriften hält, mag ja stellenweise bizarr wirken, aber spätestens bei der dritten Gewalt ist die Kontinuität fatal.

     

    Die 68er haben sich an "furchtbaren Juristen" aus persönlicher Anschauung gestört; heute sind die Gesichter verschwunden, aber mitnichten der Geist. Dankeschön, dass ihr das zusammen getragen habt. Und ja: sehr gut gemacht!

     

    Anhand der bevorstehenden Lotterie vorm Münchner Oberlandesgericht könnte man den Bogen noch weiter spannen: von den Freikorps in Weimar über die braunen Nachfolger bis zum streng linksfeindlichen Korpsgeist von Verfassungsschutz und Teilen der Polizeiapparate.

     

    Anders als mit dieser unseligen und gerne verdrängten Geschichte lässt sich das Totalversagen der "Dienste" anlässlich der NSU-Mörderbande nicht erklären. Eure Artikel lassen befürchten, dass es auch die dritte Gewalt nicht richten wird. Der Schoß ist fruchtbar noch...

  • D
    deGrabb

    Aktienrecht

     

    Hallo - Ihr habt das Aktienrecht vergessen. Mit dem Aktienrecht wollten die Nazis das "Führerprinzip" in der Wirtschaft verankern. Vorstände von Aktiengesellschaften haben im operativen Bereich im Grund Narrenfreiheit. Sie können allenfalls abberufen werden.