Pro und Contra manipulierte Mücken: Mit Gen-Tech das Zika-Virus stoppen?
Für den Kampf gegen das Zika könnten Mücken gentechnisch verändert werden. Doch Nutzen und Risiken sind umstritten - auch in der taz.
Ja. Lasst sie fliegen!
Sie haben etwas gegen Gentechnik? Dann werden Sie vielleicht instinktiv auch das Vorhaben ablehnen, mit einer gentechnisch veränderten Mücke Seuchen wie die Zikavirus-Infektion oder das Denguefieber zu bekämpfen. Aber damit tun Sie den Moskitos aus dem Labor unrecht. Denn diese Insekten haben wenig mit den Gentechnik-Anwendungen in der Landwirtschaft gemein.
Anders als das Gros der Gentechpflanzen hat die Mücke humanitären Nutzen. Die Pflanzen sind gegen bestimmte Pestizide oder Schädlinge resistent, damit die Landwirte in umweltschädlichen Monokulturen jedes Jahr die gleiche Frucht anbauen und so mehr Gewinn machen können.
Die Mücke dagegen kann Menschenleben retten. Schließlich schrumpft sie die Population der Moskitos, die zum Beispiel das Denguefieber übertragen. Wenn die Labormücke nur einen der jährlich etwa 22.000 Dengue-Todesfälle verhindern kann, dann ist der Einsatz der Gentechnik hier nicht nur ethisch zu rechtfertigen, sondern sogar geboten.
In diesem Fall überwiegt der Nutzen die Risiken. Die der Mücke sind übrigens geringer als die der Agrargentechnik. Im Gegensatz zu den künstlich in Pflanzen eingesetzten Genen bleiben die fremden Erbinformationen der Mücke nur so lange in der Umwelt, wie man sie dort braucht. Schließlich sorgen ihre neuen Gene dafür, dass die manipulierten Insekten nach kurzer Zeit sterben. Und während Pollen einige Kilometer weit fliegen, bringen es Mücken nur auf wenige Meter.
Das sind Gründe, weshalb das Risiko einer unkontrollierbaren Ausbreitung von Genen aus dem Labor bei den Mücken im Vergleich zum Nutzen dieser Technik minimal ist. Gering ist auch die Gefahr, dass dieses nützliche Gentechniktier den Weg für zig andere Laborlebewesen ohne humanitären Nutzen bereiten könnte. Schon seit 2006 darf in der EU ein Medikament gegen Thrombose verkauft werden, das aus der Milch von Gentechziegen gewonnen wird. Wenn das nicht den Dammbruch für die „Frankenstein“-Tiere gebracht hat, warum sollte das jetzt die Antiseuchenmücke tun? Dieser Moskito sollte also fliegen – damit Menschen leben können. Jost Maurin
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Nein. Wir wissen zu wenig über die Folgen
Im Kampf gegen das Zika-Virus massenhaft gentechnisch veränderte Mücken freizusetzen ist keine gute Idee. Seit Jahren gibt es immer wieder Kritik an den Gentech-Experimenten der Firma Oxitec – unter anderem wegen fehlender Transparenz und zu wenig Information für die betroffene Bevölkerung.
Auf den Kaimaninseln, in Malaysia, Panama und Brasilien wurden bereits Millionen genmanipulierter Tigermücken freigesetzt, um die Population zu begrenzen. Nach Aussagen von Oxitec seien keine unvorhersehbaren Ereignisse eingetreten. Das allein kann jedoch nicht die Grundlage sein, um jetzt großflächig Abermilliarden genmanipulierter Mücken auszusetzen.
Denn fraglich ist, ob die Oxitec-Mücken – selbst, wenn alles wie gewünscht verläuft – ihre in freier Wildbahn lebenden Artgenossen jemals vollständig ausrotten werden. Damit die reduzierten Mückenpopulationen nicht wieder anwachsen, müssten auch weiterhin Freisetzungen erfolgen.
Was fehlt, sind unabhängige Studien über die Folgen der Massenfreisetzung. Sterben die gentechnisch veränderten Mücken wirklich alle nach kurzer Zeit wieder ab? Ist ausgeschlossen, dass durch natürlich vorkommende Rückmutationen nicht doch plötzlich überlebensfähige Gentech-Mücken entstehen? Und, falls dieser Fall eintreten sollte: Welche Folgen hat das für Mensch und Natur?
Wir wissen noch immer wenig darüber, wie sich DNA-Schnipsel innerhalb einer Population ausbreiten können. Ein Beispiel: das „springende Gen“ bei Fruchtfliegen. Seit den 30er Jahren ist es in fast alle freilebenden Fruchtfliegenpopulationen weltweit eingewandert. Viele Fragen über dieses Phänomen und seine Rolle bei der Evolution sind noch unbeantwortet. Die Ausbreitung des manipulierten Erbguts der Mücken können wir also kaum kontrollieren.
All dies muss in eine glaubwürdige Abschätzung möglicher Folgen dieses Experiments einfließen. Solange das nicht geschehen ist, besteht die Gefahr, dass wir mit Gentech-Mücken ein Übel durch ein anderes ersetzen. Wolfgang Löhr
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