Pressefreiheit bei Blockupy: „Viele waren eingeschüchtert“
Die Journalistin Susanne Neubrenner über die Beschneidung der Pressefreiheit bei den Occupy-Protesten, eine Wagenburg und widersprüchliche Platzverweise.
taz: Frau Neubrenner, Ihnen wurde verboten, wahrend der heutigen Demonstrationen die Frankfurter Innenstadt zu betreten. Wie kam es dazu?
Susanne Neubrenner: Wir saßen in zwei Bussen, die am Mittwochmorgen aus Hamburg unterwegs waren. Kurz vor Frankfurt, an der Autobahn-Polizeiwache Langenselbold, wurden wir von zwei Mannschaftwagen ausgebremst und auf das Polizeigelände geleitet.
Was geschah dort?
Auf dem Hof war eine Wagenburg aus Polizeiwagen, die Insassen mussten die Busse verlassen und wurden einzeln in die Wagenburg geführt. Dort wurden wir durchsucht, fotografiert, unsere Personalien wurden aufgenommen.
Wie lange dauerte das Ganze?
SUSANNE NEUBRENNER, 32, aus Hamburg, arbeitet als Videojournalistin bei Graswurzel-TV.
Ungefähr drei Stunden. Gegenstände wie Sonnenbrillen oder Halstücher wurden beschlagnahmt, auch solche, die im Bus zurückgelassen wurden. Die Polizei sagte, wir könnten sie uns am Montag wieder abholen - obwohl wir dann gar nicht mehr hier sein werden. Außerdem hat die Polizei alle Zelte beschlagnahmt, auch von Leuten, die sagten, sie hätten sonst keine Unterkunft in Frankfurt. Aber dort sollte wir ja ohnehin nicht bleiben.
Warum?
Die Polizei wollte, dass wir wieder zurückfahren. Aber unsere Busfahrer hatten die vorgeschriebene Höchst-Lenkzeit überschritten. Trotzdem bekamen wir eine Verbotsverfügug für das Innnstadtgebiet bis Freitag um 17 Uhr. Dazu drückte uns die Polizei eine Karte in die Hand, auf der die verbotene Zone – das Bankenviertel – eingezeichnet war. Wenn wir dennoch dort erwischt würden, kämen wir ins Gefängnis, sagte man uns.
Woher wusste die Polizei denn überhaupt, dass Sie zu den Blockupy-Tagen wollten?
Das wurde einfach unterstellt. Die Beamten sagten, wir würden so aussehen, als ob wir dahin wollen. Gefragt wurden wir nicht. „Ihr könnt euch ja beschweren“, sagten sie.
Sie haben einen Presseausweis. Haben die Beamten das nicht berücksichtigt?
Nein, sie sagten, es gebe eine Anweisung, Pressevertreter ebenso zu behandeln, wie alle anderen. Wir haben bei der Polizeipressestelle protestiert. Die sagte, die Platzverweise würden nicht für uns gelten, die Beamten vor Ort haben sie trotzdem ausgesprochen.
Heute sind Sie aber trotzdem in der Stadt...
Wir sind mit einem Bus an den Nordrand der verbotenen Zone gefahren und haben gemeinsam in der Fachhochschule übernachtet. Wir sind als Pressevertreter heute trotzdem in die Stadt gegangen. Aber viele der Aktivisten waren eingeschüchtert und haben sich heute nicht mehr getraut zu demonstrieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten