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Philosophie für allePopstar Precht

Früher hatten wir Adorno, Böll, Arendt. Heute talkt der „Lifestyle-Philosoph“ Richard David Precht im Fernsehen. Wo sind bloß unsere Intellektuellen?

Kann philosophieren und unterhalten: Richard David Precht Bild: dpa

Kennen Sie das Talkshow-Paradoxon? Nein? Es geht so: Ein Intellektueller, der nicht im Fernsehen ist, wird nicht gehört. Ein Intellektueller, der im Fernsehen ist, wird nicht mehr ernst genommen.

Wie ist es mit dem klug-oder-gutaussehend-Vorurteil in gebildeten Kreisen, kennen Sie das? Es hält sich verdammt hartnäckig: Wer schön ist, ist auch blöd.

Falls Sie davon noch nicht gehört haben: Richard David Precht hat es bestimmt. Seine populärwissenschaftlichen Bücher „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ – ein Übererfolg, 1,5 Millionen mal verkauft –, „Liebe: Ein unordentliches Gefühl“ und „Die Kunst, kein Egoist zu sein“ haben ihm den Titel des „Lifestyle-Philosophen“ eingehandelt. Precht erklärt Philosophie in einer Sprache, die viele als unter ihrem Niveau erachten: Sie ist einfach.

Wo sind bloß unsere Intellektuellen? Die Titelgeschichte „Auf der Suche nach Adorno“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 29./30. Juni 2013. Darin außerdem: „Die verneinte Idylle“: Eine Fotoreportage über sterbende Dörfer. Und der Streit der Woche zur Frage: „Stuttgart, Rio, Istanbul: Schafft Wohlstand Protest?“ Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Und dann sieht er noch ganz nett aus, wenn er bei Illner und Jauch sitzt! „Ich hab da keine Chance“, sagt er, und: Je höher der Gerechtigkeitsanspruch einer Gesellschaft, desto größer der Neid.

taz-Chefreporter Peter Unfried hat den Philosophen in seiner Kölner Wohnung besucht, um zu verstehen, was das für einer ist, über den die Leute möglichst überlegen lächeln – und was das über den Zustand der Intellektuellen aussagt. Ja, früher, sagen sie, da hatten wir noch Intellektuelle. Adorno. Bloch. Arendt. Die Mitscherlichs. Grass, Böll, Enzensberger. Jürgen Habermas, klar. Heute haben wir Precht. Armes Deutschland!

Was Intellektuelle waren – das institutionalisierte schlechte Gewissen der Deutschen, immer in Negation zur Bundesrepublik, antiamerikanisch, anti-AKW, antikapitalistisch – ist mittlerweile eine Mainstream-Haltung.

„Das kann ich ja auch“

Der Strukturwandel der Öffentlichkeit aber hat die Intellektuellen verändert, der Zwang zur Spezialisierung, der Rationalisierungsdruck von außen, die Entwicklung der Medien und der damit verbundene Bedeutungsabsturz des Zeitungsfeuilletons. „Precht macht dumm“, war in der Zeit zu lesen. Kaum besser als Oliver Pocher, in der SZ.

„Von Deutschen wird nur jene geistige Leistung wirklich bewundert, die man nicht ganz versteht“, sagt Precht. „Weil man sich sonst sagt: Das kann ich ja auch." Er findet, durch seine Übersetzungen verschaffe er den Massen Zugang zu Denken und Wissen – in dieser Woche hat er das Philosophie-Festival Phil.Cologne miteröffnet.

Demgegenüber steht Adornos Kritik an der Kulturindustrie in „Dialektik der Aufklärung“, wonach Massenkultur etwas Sinnfreies ist, das man Leuten untergejubelt hat, damit sie konsumieren – geschrieben allerdings aus der historischen Erfahrung eines deutschen Großbürgers, der als Jude vor den Nazi-Deutschen ins Exil fliehen musste.

Precht schreibt heute – aus Sicht eines Philosophen, dessen Eltern Achtundsechziger, Marxisten und Atheisten waren.

„Den machen wir berühmt", soll Elke Heidenreich laut FAZ gesagt haben, nachdem sie „Wer bin ich“ 2008 in ihrer Sendung „Lesen“ empfohlen hatte.

„Nein, habe ich nicht gesagt“, stellt sie auf Nachfrage klar. Aber?

„Als ich Prechts einfache Erklärung von Philosophie las, wusste ich: dafür ist Bedarf.“

Sie glaubt übrigens, dass nur schön ist, wer auch klug ist.

Glauben Sie das auch? Kann Philosophie Lifestyle sein? Warum will Precht jetzt das Gymnasium abschaffen? Und worüber reden Intellektuelle heute überhaupt, haben sie noch Themen, die ähnlich polarisieren wie die deutsche Vergangenheit? Wir freuen uns über Ihre Meinung. Diskutieren Sie mit – hier auf taz.de.

Die Titelgeschichte „Auf der Suche nach Adorno“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 29./30. Juni 2013.

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27 Kommentare

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  • Wenn ich hier einige kritische Kommentare gegen Hernn Precht lese, komme ich nicht um das Gefühl von, wie sagt man doch gleich, interlektuellen Oberschicht Arroganz, oder sowas. Ich finde diese Haltung, ehrlich gesagt, sehr rückschrittlich. Aber vielleicht bin ich nicht Akademiker genug um euer Großes zu begreifen und die Themen die Herr Precht diskutiert sind vielleicht zu klein und bedeutungslos. Oder ihr habt darüber alle schon zig mal seniert und deshalb braucht es auch nicht mehr gesagt zu werden, so! Na gut, da habe ich ihnen jetzt etwas unterstellt, aber ich kann ihnen ja nicht "die Schädeldecke aufbrechen und ihre Gedanken aus den HIrnfasern lesen". Nur mein Empfinden.

  • T
    Towanda

    Auch Luciano De Crescenzo hat die Philosophie auf eine unterhaltsame "unkomplizierte" Weise an die Leserin/den Leser gebracht. Wenn es um die ontologischen Fragen der klassischen Philisophie geht, wer sind wir, woher kommen wir, gibt es einen Gott, bedarf es keiner komplizierten Sprache. Die bedarf es allerdings auch nicht, wenn es im sozialphilosophischen Sinne Adornos um Gesellschaftskritik geht. Was es aber bedarf ist, dass komplexe Fragen und mögliche Antworten zu gesellschaftlichen und vielschichtigen Zusammenhängen nicht auf eine mainstreamige und angepasste Verkürzung reduziert werden. Prechts Ansätze zur Schul- und Bildungspolitik finde ich ansprechend, als philosophischeer Kompass steht mir Adorno näher.

  • E
    eva

    Ihn mit Adorno oder anderen zu vergleichen ist einfach lächerlich. Er wird nicht deshalb nicht ernst genommen, weil er in Talkshows sitzt oder weil er einen Schlafzimmerblick hat, den manche ältere Dame offenbar anziehend findet. Sondern er wird nicht ernst genommen, weil er nicht ernst zu nehmen ist.

     

    Es ist ja aller Ehren wert, Philosophieunterricht für Anfänger zu erteilen. Das machen in Deutschland auch tausende von Gymnasiallehrern. Aber sich deshalb gleich als Philosophen zu bezeichnen -? und sich mit Adorno vergleichen zu wollen?

     

    Welche eigene Leistung auf dem Gebiet der Philosophie hat Herr Precht vozuweisen, außer dass er Philosophie in Grundzügen populär aufbereitet? Das ist vielleicht eine didaktische Leistung, eine ökonomische allemal, aber noch lange keine wissenschaftliche. Das muss das Feuilleton offenbar nicht verstehen.

     

    Aber "Philosophie" geht anders.

  • M
    malo

    Wie erreicht Precht seinen ungeheuren Erfolg und damit Reichtum? Indem er die Insignien wohlfeilen Revoluzzertums, die jeder liebt, anwendet und doch irgendwie für provokativ hält, vorführt zur Identifikation: zerrissene Jeans, lange Haare, Pose des Rebellen mit offenem Hemd und offenem Mund.

    Zur Sache:immer wieder das ausgeleierte Achtundsechzigervokabular. Wohlfeiles Gutmenschentum, mit der Pose des Gegendenstachellöckens schmackhaft gewürzt. Die Schule abschaffen: mein Gott, die Forderung gibt es, seit es Schule gibt!

    Edel sei der Mensch, hilfreich und gut (Goethe). Ist ja richtig, aber dass man unter dieser Flagge immer wieder segelt und damit Multimillionär werden kann, zeigt doch eigentlich Zynismus, vulgo: Geldgier.

    Jetzt noch was Liebes von mir: Precht ist fleißig und hat die Kohle verdient, das gefällt mir, ein Punkt.

  • H
    hto

    @Hans-Jürgen

     

    "Es hat keinen Sinn, einer vergangenen Zeit hinterher zu trauern."

     

    Es sei denn, man ist ein Konservativer, ein zynischer Populist, ein Opportunist des "freiheitlichen" Wettbewerbs um ...!

     

    "Herrschaft und Ausbeutung sind nicht verschwunden, sie sind heute nur noch schwerer zu fassen,noch allgemeiner, alles verändert sich ständig und bleibt doch immer gleich."

     

    Genau, aber das liegt offensichtlich nur daran, daß der geistige Stillstand, und somit die Wahrheit, immernoch allzu leichtfertig mit Glauben an die konfusionierende Bildung (Staat & Kirchen) zu Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche toleriert wird - geistig-heilendes Selbst- und Massenbewußtsein, und somit die Entwicklung zu Verstand von zweifelsfreier Vernunft in eindeutiger Wahrhaftigkeit, erwächst eben nicht aus einer wettbewerbsbedingten Hierarchie in materialistischer "Absicherung" und teils brutal-egoisierendem "Individualbewußtsein"!

  • M
    Michael

    Also Herrn Precht in einer Reihe mit namhaften Philosophen zu nennen ist schon etwas seltsam.

     

    Ich lehre selbst an einer deutschen Universität Philosophie und auch unter uns Kollegen ist der Name Precht entweder garnicht bekannt oder sorgt für Schmunzeln. Er hat sich keinen Namen gemacht und wenn man sich seine Biographie anschaut lässt das eher darauf schließen, dass er es im akademischen Milieu nicht weit gebracht hat.

     

    Er mag ganz amüsant schreiben aber Dichter und Denker ist er sicher nicht. Er wird halt hochgeschrieben da jeder zweite Satz mit "Die bösen Reichen und die armen Armen" gebinnt. Das gefällt der deutschen Journaille. Da ist einer von ihnen.

  • TH
    teddy horx

    @ Hans-Jürgen

     

    Vielen Dank für diesen wunderbaren Kommentar, ich studiere selbst Philosophie in Bochum und sie haben das Elend wunderbar beschrieben...

  • RB
    Rainer B.

    @ Eisvogel

     

    Ihr Beitrag strotzt nur so von Ignoranz.

     

    "Und so hat die europäische Kulturtradition immer davon gelebt, sich eben nicht dem Allgemeinverständlichen anzupassen."

     

    Was von dieser "Kulturtradition" überdauert hat, ist allerdings allein das Allgemeinverständliche gewesen.

     

    "Wenn sich jemand fragt, was der Unterschied zwischen Precht und seinen als klassischer angesehenen Vorgängern ist, so lautet die Antwort: Bildung. Echte, altmodische gymnasiale und universitäre Bildung, die so nur in Zirkeln stattfand die sich heute gar nicht mehr entwickeln können."

     

    Aua!

    Herr Precht hat ein Gymnasium in Solingen besucht, Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Köln studiert und zum Dr. phil promoviert.

     

    "Er ist Aus dem Krämer- oder Beamtenstand, muss Geld ranschaffen und dafür verkauft er etwas."

     

    Dazu siehe Wikipedia: "Sein Vater arbeitete als Industriedesigner bei dem Solinger Unternehmen Krups und beschäftigte sich mit Literatur sowie dem Aufbau und der Pflege einer größeren Privatbibliothek. Die Mutter war Hausfrau und engagierte sich für das Kinderhilfswerk terre des hommes."

     

    Nach Ihrer völlig unphilosophischen Sicht befindet sich die Weisheit wohl immer da, wo schon genug Geld ist. Ein Philosoph, der mit Philosophie sein Geld verdient, das übersteigt offensichtlich Ihren Horizont. Philosophie als selbstgenügsames Gehirnjogging saturierter Bildungsbürger ist doch genau das, was kein Mensch braucht.

     

    "Si tacuisses, philosophus mansisses."

  • FK
    Frieder K.

    Precht ist ein Zeitphänomen. Obgleich ich es durchaus

    begrüßenswert finde, komplexe Strukturen verständlich

    wiederzugeben, sehe ich das Problem mehr in seiner

    Weltsicht, die als Kind DKP naher Eltern, ihm eine

    wirkliche und analytische Kapitalismuskritik unmöglich

    machen. Deshalb ist er im Neoliberalismus stehen-geblieben und stellt letztendlich nichts wirklich in

    Frage - darum ist er Mittelmaß, aber mit einem sehr

    rückschrittlichen und die derzeitige globale Krise

    negierenden Haltung. Doch wie sagte Sloterdijk:

    "Precht ist der Andre Rieu der Philosophie". Die Frage

    ist für wen ist das eine Abwertung für Rieu oder Precht?

  • J
    Jürgen

    Ich glaube der Germanist hat Sofies Welt gelesen. Und die verständlich gemachte Philosophie als neues Geschäftsfeld erkannt. Etwas zu weichgebügelt zu populistisch. In seiner Vereinfachung auch wichtige Argumente überspringend.

  • M
    mr.spock

    Ich muß gestehen, dass ich mit einem "Herrn Nuschelmeier Schlabberdeich" erheblich weniger anfangen kann. Das mag an meiner geistigen Minderbegabung liegen, aber ich finde die Gedanken und die Herangehensweise von Herrn Precht sehr nachvollziehbar. Und das kann ich von jenen, die sich im wesentlichen durch unverständliches Gebrabbel vom minderbemittelten Gedankenpöbel abzuheben versuchen, nicht wirklich sagen. Comprendo?

  • KK
    Kein Kunde

    Geschenkt.

     

    Precht bietet mehr Inhalt als die Kritik an denen die ihn für Inhaltslosigkeit kritisieren.

     

    Es macht übrigens einen Unterschied, zumindest für manche, ob eine Meinung gebildet wird anhand eines Statements, oder mehreren medialen Auftritten.

     

    Aber vielleicht ist das auch einfach die Kürze, oder Länge, die einigen hier es eben sehr angenehm macht Precht zu folgen und anderen unerträglich.

  • H
    Hans-Jürgen

    Es hat keinen Sinn, einer vergangenen Zeit hinterher zu trauern. Jemand wie Adorno (der niemals "unser Adorno" war) entstammte einem Bürgertum, das es heute so einfach nicht mehr gibt. Wer das Glück hatte, in eine so wohlhabende und gebildete Familie geboren zu werden wie Adorno, der wuchs absolut behütet auf und hatte immer Zeit und Muße, sich zwanglos gemäß seinen Interessen und Talenten frei zu entfalten, ohne den Zwang zur ständigen Anpassung, ohne ständig die Angst im Hinterkopf zu haben, irgendwann abzustürzen, "es nicht zu packen". So konnte er sich schon so früh der Philosophie widmen (er hat,wie Arendt, mit 14 Kant gelesen, aus Interesse, nicht um sich ein Image zu verschaffen oder "kulturelles Kapital" für die Zukunft anzuhäufen), musizieren und schreiben, aber eben immer zwanglos, um der Sache selbst willen. Nur in der Schule wurde er als Klassenprimus ständig von seinen Mitschülern (die in einig Jahre später begeistert den gestreckten rechten Arm zum Führergruß hoben) drangsaliert.

    Auch während des Studiums hatte er nie Geldsorgen, musste nie um seine Existenz bangen,genauso wenig wie in Wien bei seinem missglückten Versuch, ein bedeutender Komponist zu werden.Oscar Wilde hatte schon ganz recht: "Wo Geld ist, da ist der Teufel. Aber wo kein Geld ist, da ist er zweimal."

     

    Adornos Eltern haben ihm das alles eben auch ermöglicht, weil sie ihm eben all diese Freiräume ließen, ihn zu nichts zwangen und gleichzeitig schützten. Und sie konnten das, weil sie unter ähnlichen Bedingungen aufgewachsen waren wie ihr Sohn. Das Großbürgertum verdankte seine Existenz der Ausbeutung der Arbeit anderer, diese Klassenherrschaft war also an sich brutal und ungerecht. Aber in diesem Großbürgertum steckte eben auch noch etwas Verheißungsvolles, da es Menschen hervorbrachte, die ihr menschliches Potential weitestgehend entfalten konnten,die nicht, wie die meisten anderen, von Beginn an deformiert worden waren vom stumpfen Alltag, der nur aus Lohnarbeit und Reproduktionszeit bestand. Und diese Menschen hatten noch das Potential, diese menschenunwürdige Gesellschaft kritisch zu durchdringen, die Notwendigkeit ihrer Überwindung hin zu einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft, in der nicht mehr der Wohlstand der einen auf der Ausbeutung und dem Elend der anderen beruht,sondern jeder Mensch frei von Herrschaft und Armut leben kann,weil die Produktion von Gütern endlich vernünftig organisiert ist,unmittelbar zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung jedes Menschen nämlich.

     

    Herrschaft und Ausbeutung sind nicht verschwunden, sie sind heute nur noch schwerer zu fassen,noch allgemeiner, alles verändert sich ständig und bleibt doch immer gleich. Das Großbürgertum ist verschwunden, es gibt keine Aussicht auf etwas Besseres mehr, keine Verheißung. Das zerstört natürlich auch die Philosophie. Poststrukturalistische Irre (haben in den USA schon Professuren,in Deutschland sind sie an den Philosophischen Seminaren erst langsam auf dem Vormarsch), Analytische Denksportler,kauzige Heideggerianer, bei denen man nie weiß, ob sie wirklich noch nach dem Eigentlichen, nach dem Sein suchen oder ob ihnen schon die Lektüre von Heideggers Geschwurbel genug Freude bereitet ... So ungefähr sieht die akademische Philosophie aus.Was außerhalb der Unis so als Philosophie durchgeht, kann man sich ja denken.

  • HH
    Helmut Hesse

    Zu meinem Kommentar von 19.49h: "... und redete ihnen nicht nach ihrem neoliberalen Mund" heißt es da. Gemeint ist ein Vortrag, den Precht auf einer FDP-Veranstaltung gehalten hat.

  • HH
    Helmut Hesse

    Auffallend ist, dass ich bei der ganzen Precht-Kritik kaum Kritik an seinen Inhalten finde, von Ausnahmen abgesehen.!!! Und dann sind es oft Totalverrisse. Vielmehr wird ihm seine Medienpräsenz vorgehalten oder sich über sein Aussehen ausgelassen. Wie oberflächlich ist das denn?!

    Sein Anliegen, die Philosophie aus dem akademischen Elfenbeinturm zu holen und verständlich für ein breites Publikum werden zu lassen, ist doch begrüßenswert. Welcher "Normalmensch" hat denn Habermas, Adorno etc. gelesen und komplett verstanden...? Vielleicht empfindet es manch' einer als Auszeichnung, nicht allgemeinverständlich zu sein?

    Ich habe einmal einen langen Vortrag von Precht gehört und fand was er und wie er was sagte, überzeugend und nachvollziehbar bzw. verständlich, so dass eine, auch kritische Auseinandersetzung mit seinen Worten möglich wurde. Obendrein ist Precht ein glänzender Rethoriker, was man wahrlich nicht von jedem sagen kann. Und er redete ihnen wahrlich nicht nach ihrem neoliberalen Mund.

    Ich bin mir sicher, dass man ihn, wäre z.B. Franzose und lebte in Frankreich, man anders mit ihm umgehen würde. Hier lästert man über den "schönen Philosophen", der dauernd in den Medien sei.

    Schon schade.

  • FH
    Frank Hertel

    Richard David Precht ist kein Intellektueller im Sinn der 70er-Jahre. Er ist absoluter Mainstream. Was er sagt, darf man sagen. Alle Themen, die ein bisschen Pfeffer haben, umschifft der Goldjunge ganz elegant. Fragen Sie Precht in einem Interview doch mal, was er von der EU hält, versuchen Sie ihn irgendwo politisch Farbe bekennen zu lassen. Er wird immer nur das antworten, was "man" von ihm hören möchte. Frühere Intellektuelle standen mit dem Staat und seinen mächtigen Repräsentanten auf "Kriegsfuß". Solche Leute dürfen heute nicht ins Fernsehen, im Feuilleton werden sie ignoriert, selbst kritisch schreiben geht nur im Internet, niemals in einer "Qualitätszeitung". Es gibt auch heute noch viele kritische Intellektuelle im Sinne des reinen Begriffs. Aber nur solche Weichpülwaschgangkandidaten wie Precht dürfen ins pralle Licht der Öffentlichkeit.

  • M
    Marcel

    Zu Eisvogel

    Die Auslese beim Denken sollte doch durch was geschehen?

    Was in deutschen Schulen geschieht, ist die Auslese durch eine selbstgerechte Mittelschicht -

    und für eine kreative, lebendige Gesellschaft gibt es da durchaus etwas zu verändern.

  • B
    bigbrother

    Die Intellektuellen sind dort wo sie sein sollten....

    nicht im Fernsehen.

  • S
    scanner

    ich bekenne, dass ich mehr und mehr von Precht ablasse. Insbesondere das Fernsehformat, das ihn durch Kameraführung und Schnitt überdimensional Bedeutsam werden lassen will, schreckt mich eher ab. Aber die Precht "in die Tonne tretenden" Kommentare, die ich hier auf der TAZ-Seite lese, die machen mich gruselnd. "Kein Kunde", "Eisvogel": wichtigtuerisch, humorlos und elitär. Die Spitze stellt die Äußerung von Thaddäus Tentakel dar. Das es ein solche simples Kastendenken überhaupt noch gibt?! Oh Gott!

  • LZ
    Liebe zur Weisheit

    Cogito ergo sum, kein Mensch kann Alles wissen, daher, zum Glück, hat keiner die summarische Wahrheit.

    Aber eines ist jeder Mensch, ein Philosoph. Denn wenn nicht, würde er nicht denken können.

    Heutige Juristen sind eine griechische Fehlentwicklung der Philosophie da sie keine Weisheit verteten, die Liebe dazu auch nicht.

    Guy Deutscher erweitert Precht´s Inhalte, Sapir-Whorf-Hypothese

    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/im-gespraech-guy-deutscher-fuer-viele-ist-der-himmel-meistens-schwarz-11040080.html

    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/2.1769/buecher/guy-deutscher-im-spiegel-der-sprache-erst-rot-dann-gelb-dann-gruen-und-blau-11043585.html

  • K
    KlausK

    Seine reißerischen bis sackdoofen Buchtitel haben mich daran gehindert, Precht zu lesen bzw. zu hören.

    Ich glaube, mein Bauch hatte recht.

  • TT
    Thaddäus Tentakel

    Man kann es nicht oft genug sagen:

    Precht ist kein (akademischer) Philosoph, sondern promovierter Germanist. Insofern ein Blender.

    Dass er Zeit seines Studiums nichts anderes als die nicht unbedingt mit Weltgeltung versehene Universität zu Köln besucht hat, ergänzt diesen Eindruck.

     

    Naja, jeder Nation, die Schwätzer, die sie verdient.

  • KK
    Kein Kunde

    Das Problem ist, Precht hört grundsätzlich zwei Gedanken zu früh auf nachzudenken.

  • DS
    Dr. Schreck

    Ob Precht ein "echter", ein "wahrer" Philosoph ist oder nicht, das mag und kann ich nicht beurteilen. Dass einer, der über tiefgehendere Dinge schreibt, als sie in der deutschen Popkultur zwischen Comedy und Talkshows stattfinden, auch gelesen wird, ist grundsätzlich zu begrüßen. Auch das halbwegs Intelligente ist intelligenter als das gar nicht Intelligente.

     

    Was mich aber eigentlich gruselt, und das sagt gar nichts über Precht aus, sondern über unsere aktuelle Kultur: Früher hätten wir, so sagt der Artikel, Böll, Grass, Adorno, Arendt, Bloch etc. gehabt, und heute Precht (und vielleicht gerade mal noch, mir inhaltlich allerdings unverständlich, Sloterdijk). Früher viele, heute ein bis zwei, und die gelten sogar nur noch als Pop-Intellektuelle (wobei das "Pop" hier auch noch abwertend verwendet wird). Das ist doch das eigentlich Schlimme.

     

    Den Lesern sei ihr Precht gelassen. Wenn er ihnen hilft, ein besseres und bewussteres Leben zu führen oder wenigstens mal selber zu denken, statt sich von TV und BILD mit Meinung zumüllen zu lassen, haben er und seine Bücher ihre Berechtigung.

     

    Wo aber sind die "wahren" Philosophen? Wo die Foucaults, die die Wittgensteins, Heideggers, Kants usw.? Keine mehr da heutzutage? Das ist viel schlimmer als die Tatsache, dass einer, der Philosophie auch den etwas weniger Belesenen unter uns verständlich macht und sie damit für einige (vielleicht auch für mich, zugegeben) zu sehr vereinfacht.

     

    MfG, Dr. Schreck

  • P
    polyphem

    Probleme habe ich mit dem Begriff "Lifestyle". Da kann ich nix mit anfangen. Mit Precht und seinen Erfolgen habe ich kein Problem. Im Gegenteil. Wer meint, Precht sei kein Philosoph, meint vielleicht auch, Wilhelm Busch sei kein großer Dichter. Oder Heinz Erhardt sei auch kein großer Dichter.

     

    In einem demokratischen System ist es doch schon gut, wenn Menschen Bildung und Herzensbildung vermittelt weden. Allen Menschen. "Alltagsphilosophie" kann dazu durchaus einen Beitrag leisten.

     

    Der intellektuelle Ansatz eines Eisvögeln ist schlicht totalitär. Und bitte keine Schmähung der Einäugigen. Die erfahren genug Verletzungen.

  • D
    D.J.

    Warum hacken nur immer alle auf dem Precht rum? Gediegende Durchschnittlichkeit - ergibt sich aus zuweilen durchaus klugen und lesbaren Büchlein einerseits und Dampfplauderei im Fernsehen andererseits. Richtig Angst macht mir eher, dass eine Käßmann und ein Augstein jun. in diesem Land als Intellektuelle durchgehen. Und dass ein Schmidt (dieser hat wenigstens noch ein paar helle Momente) und ein Grass (dieser nicht) in diesem Land noch als Intellektuelle durchgehen.

  • E
    Eisvogel

    Ich mag ihn auch nicht, und zwar deshalb, weil ich finde dass gerade die vielgeschimpften Geisteswissenschaften eine Auslese benötigen. Niemand braucht einen ganz normalen, mittelmäßigen Philosophen, Schriftsteller o.ä. Wer behauptet, dass man Intellektualität unter die Massen bringen kann, tut ihr im Gründe bloß Gewalt an. Die meisten Menschen leben ihr Leben berechtigterweise ohne nach Gelehrtentum zu streben, da es ihnen für ihre Existenz auch gar nichts bringen, sogar eher schaden würde. Und so hat die europäische Kulturtradition immer davon gelebt, sich eben nicht dem Allgemeinverständlichen anzupassen.

     

    Wenn sich jemand fragt, was der Unterschied zwischen Precht und seinen als klassischer angesehenen Vorgängern ist, so lautet die Antwort: Bildung. Echte, altmodische gymnasiale und universitäre Bildung, die so nur in Zirkeln stattfand die sich heute gar nicht mehr entwickeln können. Precht steht nicht in dieser Tradition oder diesem Selbstverständnis. Er ist Aus dem Krämer- oder Beamtenstand, muss Geld ranschaffen und dafür verkauft er etwas.

     

    Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Er ist bloß kein Philosoph. Nicht im mindesten. Dass die Leute ihn für einen halten und er ihnen das abnimmt, ist bloß eine Variante des berühmten Einäugigen.