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Pariser Vatikan-Vertretung besetzt„Jesus setzte sich für Fremde ein“

Mit einer spektakulären Besetzung der Vatikan-Vertretung in Paris und Lille unterstützen Aktivisten Einwanderer ohne Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung.

Die Polizei musste ein wenig Kraft aufwenden, um die Besetzer wieder aus der Botschaft zu drängen. Bild: afp

Mehrere Dutzend Personen eines Kollektivs zur Verteidigung illegaler Immigranten haben am Montag in Paris die Botschaft des Vatikans, die Nuntiatur, vorübergehend besetzt.

An der Fassade des Gebäudes im Stadtzentrum an der sehr vornehmen Rue du Président Wilson im achten Stadtbezirk unweit der Champs-Élysées befestigten die Besetzer ein Spruchband, das den Sinn ihrer Aktion zugunsten der Einwanderer ohne Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen, der „Sans-Papiers“, erklärt und die Christen eindringlich an ihre Pflicht zu Solidarität mit den Vergessenen und Verfolgten erinnern soll: „Jesus setzte sich für Fremde ein. Was hast du für deine christlichen Mitbrüder ohne Papiere getan?“

Im Besonderen unterstützen die Aktivisten mit ihrem spektakulären Vorgehen eine Gruppe von „Sans-Papiers“, die in Lille in Nordfrankreich eine Kirche besetzt und dort vergeblich einen Hungerstreik begonnen hatten, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu fordern.

Gegen ihre polizeiliche Vertreibung aus dem Gotteshaus vor zehn Tagen demonstrierten in Lille und Paris bereits mehrere hundert Personen. Wegen der drohenden Repression riefen in Paris die Besetzer der Botschaft des Heiligen Stuhls den Passanten aus den Fenstern zu: „Papiere statt Polizisten!“ Ihre frommen Wünsche wurden nicht erhört. Ohne Zwischenfälle wurde die Nuntiatur im Verlauf des Nachmittags von einem großen Polizeiaufgebot geräumt.

Weniger strikte Bedingungen

Unter Präsident Nicolas Sarkozy sind die Einreisebestimmungen verschärft und damit die Schwierigkeiten der klandestinen Mitbewohner in Frankreich verschlimmert worden.

Der Innenminister der neuen Regierung, Manuel Valls, hat neue und weniger strikte Bedingungen für die reguläre Aufnahme von bisher illegalen Einwanderern angekündigt, er schließt eine massive kollektive Legalisierung aber aus.

Bereits im August 1998 hatte eine Gruppe von „Sans-Papiers“ gewaltlos die Nuntiatur in der französischen Hauptstadt während zwei Tagen und Nächten besetzt und so schließlich erreicht, dass sich der Vatikan bei den Pariser Behörden für sie einsetzte. Die Besetzung von Kirchen durch illegale Einwanderer und Flüchtlinge hat eine lange Tradition.

Im August 1996 machten rund 300 Malier in Paris aus der Kirche Saint-Bernard das Hauptquartier einer Bewegung zugunsten der Immigranten.

Seither beanspruchten immer wieder Eingewanderte, die in Frankreich leben und arbeiten, aber aufgrund irgendwelcher Bestimmungen oder Hindernisse keine gültigen Papiere (mehr) haben, auf diese Weise das Kirchenasyl. Moralischen und politischen Druck auf die Kirche machte kürzlich auch die grüne Wohnungsministerin Cécile Duflot.

Sie mahnte die Bischöfe zu mehr Solidarität mit den Obdachlosen und drohte mit dem Requirieren leerstehender Klöster und Immobilien der Kirche. Der Erzbischof von Paris hat sich aber solche Belehrungen in Sachen Brüderlichkeit verbeten. Aufgabe des päpstlichen Nuntius ist es jetzt, die Botschaft der Besetzer nach Rom weiterzuleiten.

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10 Kommentare

 / 
  • A
    Ansgar

    Sorry, Tippfehler - und Frage bezog sich auf @Hannes.

    Inzwischen meine ich auch zu wissen, was er meint: Die Ströme kämen bei uns kaum an. Nehmen wir an, das stimmte - dennoch wäre die Argumentation seltsam. Etwas so, wie wenn man sagen würde, die Bewachung des Buckingham-Palastes wäre überflüssig, da ohnehin kaum jemand unbefugt reinkomme.

    Übrigens kann man nur eines haben: Sozialstaat oder Staat mit ungeregelter Einwanderung. Beides zusammen geht nicht und wird noch lange Zeit nicht gehen - auch wenn viele Linke von dieser wie von anderen Banalitäten überfordert sind.

    Im Übrigen sollte sich der "Westen" noch weitaus stärker bei der Hilfe für Flüchtlinge in regionaler Nähe zu den betreffenden Gebieten engagieren (z.B. Syrinflüchtlinge in der Türkei). Außerdem ist gegen eine vorübergehende Aufnahme von Kontingentflüchtlingen nichts einzuwenden.

    Gegen einen dauerhaften Zustrom von Personen, die unsere relativ freie Gesellschaft ablehnen oder gar bekämpfen, würde ich mich jedoch im Rahmen meiner demokratischen Möglichkeiten heftigst wehren.

    Weiterhin würde mich Ihre Definition von "Flüchtling" interessieren. Wäre Ihrer Meinung nach auch jemand ein Flüchtling, dessen Großfamilie alles Geld zusammenkratzt, um einen Schlepper zu bezahlen, in der Hoffnung, dass es sich finanziell auszahlt? Ein legitimer Wunsch - aber "Flüchtling"?

    Ich hoffe, Sie haben mein Anliegen verstanden (ging etwas über das konkrete Thema hinaus).

  • A
    Ansgat

    Was meinen Sie genau?

  • I
    @irmi

    ich finde solche Kommentare köstlich. Erst mal frage ich mich genau, was nun genau der angeblich so reiche Vatikan finanzieren soll (hier die übliche Verwechslung der Finanzen des Vatikan mit den Gütern der Ortskirchen, auf die der Vatikan selbstversändlich keinen Zugriff hat. Die franz. Kirche ist übrigens nicht sonderlich reich, da keine Kirchensteuer). Die Abschaffung der Kriege? Des Hungers? Der Armut insgesamt? Von sachkenntnisfreien Moralpredigten ist auch noch niemand satt geworden.

  • H
    Hannes

    @isomatte: schön, dass du schon die "Illegalen" genderst.

     

    "Die Mehrheit der BürgerInnen wollen nicht für die IllegalInnen zahlen"

     

    Leider ist dein Kommentar sehr unbegründet. Erstens ist deine These, dass sich die Regierung bei der Legalisierung gegen die Mehrheit der Bürger wenden würde völlig unbegründet und zweitens zahlen die Bürger nicht für die "Illegalen". Hätten alle Menschen in Deutschland das Recht auf Arbeit, könnte ein großer Teil der "Illegalen" seinen Teil im Rahmen von Steuer zu unserem System beitragen. Die Umsetzung der Forderungen, die von Flüchtlingen aufgestellt sind, würde eine günstigere Politik als die heutige Abschiebepraxis und die Unterbringung in Lagern zur Folge haben.

     

    @Ansgar

     

    "Ein "Tore auf für alle" wäre das Ende unserer säkularen und halbwegs liberalen Gesellschaft in Europa."

     

    Auch deine Aussage scheint mir nicht ganz begründet. Schau dir mal die Migrationsströme in den letzten zwei Jahrhunderten an, daraus lässt sich relativ leicht deuten, was passieren würde, wenn sich die Einwanderungspolitik verändern würde.

     

    Danke allen protestierenden Flüchtlingen in Europa. Es wird Zeit, dass sich etwas ändert.

  • T
    teemacher

    Äh, das Wort Moscheeasyl gibt es übrigens nicht, weil- nchdenken- ja weil Ungläubige in einer Moschee nichts verloren haben.

    Gutmenschen und Asylsuchende wissen genau, wo es Sinn macht anzuklopfen oder ungefragt einzutreten.

  • NL
    nachdenken leute

    Ob Deutsche auch vor der Merkeljunta nach Saudi- Arabien fliehen dürfen, um die Sonne zu genießen, dort eine Moschee des Königs besetzen und durch Einheimische Asyl einfordern dürfen ???

    Wo der Islam doch die Religion des Friedens sein soll....

  • I
    isomatte

    Aber was soll die Regierung machen? Die Mehrheit der BürgerInnen wollen nicht für die IllegalInnen zahlen! Die Regierung darf sich nicht einfach gegen die Bevölkerung richten, das wäre undemokratisch! Mir wäre es eh am liebsten wenn es in Frankreich, aber auch in den Niederlanden und Deutschland endlich verbindliche Volksabstimmungen geben würde welche ein für alle Mal Tatsachen schaffen würden. Momentan ist das einfach nur noch ein rumgeiere auf Kosten der BürgerInnen, aber natürlich auch auf Kosten der IllegalInnen.

  • I
    irmi

    man fragt sich sowieso, warum es erst so einer Aktion bedarf, das die Kirche dem nach kommt, wovon sie predigt, NÄCHSTENLIEBE.

     

    Der Vatikan ist so reich, der kann finanziell helfen, vom Segen wird keiner satt, hört kein Krieg in der Welt auf.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Es ist immer die gleiche Leier: Linke scheren sich einen Dreck um Gesetze, wenn es nur um die eigene Klientel geht.

  • A
    Ansgar

    Es gibt folgende Möglichkeiten legaler Einwanderung:

     

    1. Erfüllung bestimmter Bedingungen des regulärten Einwanderungsrechts.

    2. Familiengründung mit Staatsbürgern.

    3. Politisches Asyl, das aufgrund bestimmter Umstände dauerhaft bleiben muss.

    4. Flüchtlingsstatus aufrund Krieg u.ä. (an sich nicht auf Dauer angelegt, doch u.U. in Erwerb eines dauerhaften Aufenthaltsstatus mündend).

     

    Sicher ist z.B. unter Punkt 1 vieles zu verbessern. Eine ungeregelte Zuwanderung aber ist für die nächsten Jahrzehnte, schlimmstenfalls Jahrhunderte utopisches Zeug. Kein Vorwurf an die "Illegalen" (diese haben nachvollziehbare Interessen), aber an die Verantwortungslosen, die so etwas fordern. Ein "Tore auf für alle" wäre das Ende unserer säkularen und halbwegs liberalen Gesellschaft in Europa. Wer das möchte, soll es offen sagen.