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NothilfeEin festes Dach über dem Kopf

Der Senat bewegt sich: Die Flüchtlinge vom Oranienplatz könnten eine richtige Unterkunft bekommen - wenn das Camp im Gegenzug abgebaut wird.

Der Winter kommt: Wohin mit den Flüchtlingen? Bild: dpa

Der Senat geht auf die Flüchtlinge am Oranienplatz zu. Auch aus der Innenverwaltung kommen nun Signale, die Flüchtlinge angesichts des nahenden Winters in einem Gebäude unterzubringen. Staatssekretär Bernd Krömer (CDU) sagte am Freitag im Inforadio des RBB: „Zunächst müssen wir wissen, wer befindet sich dort überhaupt in den Zelten und in der Schule. Und dann können wir in den Einzelfällen eine Entscheidung treffen, was mit diesen Menschen dort geschehen soll, ob zum Beispiel Berlin hier einzelne Personen unterbringen kann.“

Ein Sprecher der Innenverwaltung erläuterte, Krömer habe sich auf die „Unterstützung bei einer Übergangslösung bezogen, die an eine Beendigung des rechtswidrigen Zustands geknüpft ist“. Sprich: Eine zeitlich befristete Unterkunft ist möglich – wenn das Camp auf dem Oranienplatz aufgelöst wird. Doch diese Bedingung könnte noch zu Problemen führen: Die Flüchtlinge, die am Freitag auf dem Camp mit der taz sprachen, sind nicht bereit, den Oranienplatz zu räumen.

Derzeit leben rund 150 Flüchtlinge auf dem seit einem Jahr besetzten Oranienplatz in Kreuzberg. Die Warterei ohne Perspektive zermürbt sie. Bei Einzelnen liegen die Nerven blank. Es kommt immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Campbewohnern. Mitte September hatte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) einen Hilferuf abgesetzt: „Wir brauchen dringend ein Haus.“ Der Bezirk selbst habe allerdings keins, deshalb solle der Senat helfen. Herrmann: „Die Flüchtlinge auf dem Platz frieren und hungern, sie können nicht noch einen Winter dort bleiben.“

Viele der Flüchtlinge auf dem Camp sind über einen Staat nach Deutschland eingereist, den die hiesigen Behörden für sicher halten. Das gilt zum Beispiel für alle Flüchtlinge, die aus Tunesien oder Libyen über den Seeweg auf die italienische Insel Lampedusa geflohen sind. Das Grundrecht auf Asyl gilt für diese Flüchtlinge nicht. Sie haben in Deutschland auch keinen Anspruch auf Geld, Unterkunft oder Verpflegung. Ihnen droht die Abschiebung nach Italien.

Dilek Kolat (SPD), Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration, lehnte eine Hilfe für die Flüchtlinge Mitte September zunächst ab. Ihr Sprecher verwies darauf, für die Unterbringung von Flüchtlingen sei man nicht zuständig, der Bezirk müsse das vorrangig selbst lösen.

Illegalen Zustand beenden

Ende September kam dann die Wende: Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sei bereit, über „zwischenzeitliche Unterbringungsmöglichkeiten“ für die Camp-Bewohner zu sprechen, sagte seine Sprecherin Regina Kneiding. Auch sie erwähnte allerdings bereits eine Bedingung: „Dafür müsste der Bezirk die Duldung der rechtswidrigen Zustände aufheben.“

Nach Ansicht des Senats handelt es sich bei dem Camp um eine illegale Nutzung einer öffentlichen Grünfläche. Der Bezirk als Grundstückseigentümer duldet das Camp allerdings und will es nicht von der Polizei räumen lassen. Innensenator Frank Henkel (CDU)prüft derzeit, ob er dem Bezirk die Zuständigkeit entzieht. Das ist laut Gesetz möglich, wenn ein Bezirk entweder die „dringenden Gesamtinteressen Berlins“ beeinträchtigt oder wenn es notwendig ist, damit „die Rechtmäßigkeit der Verwaltung gewahrt bleibt und Verwaltungsvorschriften eingehalten werden“. Ursprünglich wollte Henkel die Entscheidung bereits bis Ende September getroffen haben. Am Freitag teilte seine Verwaltung mit, der Termin sei nun auf Mitte Oktober verschoben. So bleibt vielleicht auch noch etwas Zeit für eine einvernehmliche Lösung.

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1 Kommentar

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  • MB
    mustafa b.

    Warum leisten nicht die zahlreichen Unterstützer, allen voran die Bezirksbürgermeisterin, unbürokratische Nothilfe und nehmen wenigstens die alleinstehenden Flüchtlinge bei sich zu Hause auf? - Das wäre ein Zeichen gelebter Solidarität mit symbolischer Wirkung und würde den Vorwurf der Instrumentalisierung entkräften.