piwik no script img

Neuer Trend Anti-Soziale-NetzwerkeDie Ich-geh-dir-aus-dem-Weg-App

Dazugehören gehört dazu. Auf Facebook, Twitter, Instagram. Aber jeden der „Freunde“ treffen? Bloß nicht. Eine App hat das Hasspotenzial erkannt.

In Ruhe allein Kaffee trinken? Dann vielleicht Cloak nutzen Bild: Miss Jones / photocase.com

Wer Misantroph ist, hat es schwer. Es sei denn, man distanziert sich von allen sozialen Netzwerken, ist konsequent offline, hat nur ein Festnetz und schreibt noch Faxe.

Doch nur wenige Sozialphobiker im Herzen schaffen es, sich nicht zu vernetzen. Ja, ja, Facebook ist out und da ist man nur noch beruflich, ist klar. Und Twitter dient der Recherche, Nachrichtenkanal und so. Und vom Sofa aus wird dann doch hektisch gecheckt, wer grad wo mit wem essen geht, auf welchem Flughafen sich die Freunde rumdrücken und welches gephotoshopte Neidbild von der tollen Reise getwittert wird.

Da labt und grämt man sich zugleich an den Hunderten Freunden und Tausenden Followern. Für die eigene Rechtfertigung versichert man sich, dass man doch Herrscher über seine sozialen Netzwerke ist und wirklich jederzeit abschalten kann.

Doch die Straße ist schwerlich auszublenden und wer an einem Samstagvormittag unverhofft im Café auf einen dieser „Freunde“ trifft, dessen Klarname einem grad so gar nicht einfallen möchte, und der einem mit Pseudo-Geschwätz dann den ganzen Tag versaut, kann sich jetzt helfen lassen. Naürlich digital, via App.

Cloak heißt die Antwort auf die sozialen Netzwerke und nennt sich selbst das Anti-Soziale-Netzwerk. Die App verbindet sich mit sozialen Netzwerken – derzeit Instagram und Foursquare – und lokalisiert so Personen, mit denen der Nutzer verknüpft ist. Ist einer der vernetzten Leute im Umkreis von bis zu zwei Meilen (gut 3,2 Kilometer) unterwegs, sendet Cloak einen Alarm. So kann der Samstag vielleicht doch noch gerettet werden, indem eine andere Ecke des Kiezes angesteuert wird.

Grün kommt Cloak daher Screenshot: http://itunes.apple.com/us/app/cloak-incognito-mode-for-real/id830708468?mt=8

Einer der Macher, Chris Baker, der sich ausgerechnet beim Aggregator für soziale Netzwerke schlechthin, Buzzfeed, einen Namen gemacht hat, schreibt in einer Mail an die Washington Post: „Ich persönlich denke, dass wir den Gipfel der großen sozialen Netzwerke erreicht haben.“ Was das Angebot einer Gegenbewegung so wahnsinnig sinnvoll macht, um das Hass-Potenzial abzuschöpfen.

Derzeit ist Cloak noch nicht mit Facebook oder Twitter vernetzt, was die Nutzung einschränkt und nun wirklich keine Verlässlichkeit bietet, um unangehmene Echtzeit-Begegnungen zu vermeiden. Weitere soziale Netzwerke sollen laut iTunes-Beschreibung jedoch bald folgen, mit einer Einschränkung. Twitter-Follower wird man auf der Straße wohl nicht mit Cloak vermeiden können, da, wie die Macher schreiben, „die Ortsdaten schlicht nicht vorhanden sind“.

Aber da war ja was, die Old-school-Lösung: Einfach nicht jedem Idioten folgen, dann nervt auch niemand auf der Straße.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Sieht so aus, als ob die einst so großartig gestartete digitale Revolution inzwischen nur noch ein Markt für jene Verkümmerten ist, die sie selbst um einfachste menschliche Fähigkeiten durch ihre Entwicklung bringt. Und anschließend dann die digitale "Lösung" anbietet. Is natürlich toll, denn so schafft man auch selbst die Nachfrage für solche Produkte. Genialer Coup von Tellerrand-Sträflingen!

    • @StiftChronist:

      Künstliche Erschaffung von Bedürfnissen ist ja nichts Neues im Kapitalismus.

      • @vøid:

        Das nicht. Aber die Folgen auf menschliche Standards. Hier gehts nicht mehr um Handwerkliches, wie z.B. beim Auto. Das konnte ich früher auch noch komplett auseinander- und wieder zusammen bauen. Heute braucht es dafür den Fach-Elektroniker.

         

        DAS hier (und andere Tendenzen aus dieser Ecke) haben aber ne neue Dimension. Liest sich wie n Placebo für die Bankrotterklärung eines psychischen Overkills :)

        • @StiftChronist:

          Selbstbestimmte Nutzung von technischen ist eben nicht gewollt. Das äußert sich wie gesagt beim Auto, aber auch bei Android/Windows/Mac OS oder Haushaltsgeräten.

           

          Psychischer Overkill ist es in der Tat. Erscheint mir aber auch wieder als der typische Trend bei Problemen mit der Technik: Probleme, die durch zuviel Technik verursacht werden, mit noch mehr Technik lösen a.k.a "Feuer mit Feuer bekämpfen" ;-)

  • hippes Geschwurbel

  • Irgendwie komisch, aber das VICE Magazin hat darüber heute auch berichtet. Und das war nicht das erste Mal, dass ein Artikel über ein nicht ganz so Mainstream- mäßiges Thema Abends auf taz.de hochgeladen wird, nachdem ein Artikel über das selbe Thema am Mittag bei VICE online gestellt wurde. An Zufall glaube ich hier ehrlich gesagt nichtmehr.

  • Das treibt ja immer absurdere Blüten mit diesen "sozialen" Netzwerken. Warum nicht einfach konsequent Leute aus der Liste schmeißen? Das bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man die Leute nicht leiden kann. Man beschränkt die Liste halt nur auf die Leute, mit denen man noch was zu tun hat.

     

    Oder man meldet sich gleich ab wenn man kein Bock mehr auf den Kindergarten hat. Für die Leute, mit denen man immer noch in Kontakt bleiben will, gibts sicherlich praktikable Alternativen.

  • grins ...

    eine App, die vor den 'bekannten' Idioten aus FB und so warnt, gut und schön. Wichtiger wäre eine App, die die Gefahr durch bislang nicht bekannten Trops und Trotteln ankündigt - das wäre mal ein echter Mehrwert.

     

    Pro-Tipp: In den Sozialen Netzen volldolltrollen, dann spricht einen auch keiner mehr an ...

     

    ... und offenbar haben schon recht viele Leute den Dreh raus

  • Ach und bei den anderen Diensten sind die Ortsdaten also so "schlicht" vorhanden?