Neonazis kauften Immobilie in Thüringen: Neue Räume für rechte Träume
In Thüringen erwarben Rechtsextreme erneut eine Immobilie. Der Verfassungsschutz scheint von dem Kauf in Crawinkel nichts mitbekommen zu haben, sagt die Linke.
HAMBURG taz | Die aktuellen Ermittlungen des Bundesanwalts scheint die thüringische Neonazi-Szene nicht zu beeindrucken. Sie macht einfach weiter. Im beschaulichen Crawinkel nahe Gotha haben Rechtsextreme eine neue Immobilie erworben.
An der Bahnhofstraße 25 liegt das Wohnhaus mit angegliederten Gaststätte. "Drei Linden" steht dran. "Die Situation ist zur Zeit sehr riskant", sagt SPD-Bürgermeister Onno Eckert. Von Beschaulichkeit er nicht mehr sprechen. "Hier geht es auch um die Deutungshoheit", sagt Eckert der taz.
Den rund 300 Einwohnern Crawinkels haben die neuen Nachbarn denn auch schon Flyer zum Kauf in die Briefkästen gesteckt. Der Grund: Der Bürgermeister überlegte, ob mit einem Vorkaufsrecht der Kauf doch noch rückgängig gemacht werden könnte. "Auf dem Flyer stellen sie sich als ganz friedliche Nachbarn dar und fragen, ob die Gemeinde für so einen Kauf überhaupt Geld hat oder ausgeben sollte", sagt Eckert. Der 26-Jährige Bürgermeister betont: "Wir schauen sehr genau, aber auch sehr vorsichtig, was noch möglich ist".
Die Käufer seien nicht zu unterschätzen, warnt Steffen Heerdegen von der "Mobilen Beratung in Thüringen". Sie kommen aus der Geraer Rechtsrockszene. Eine der Bands lässt mit der historischen Anlehnung der Namenswahl keinen Zweifel über ihre Gesinnung aufkommen: "Sonderkommando Dirlewanger" – kurz SKD. Berühmt wurde diese SS-Einheit unter ihrem Kommandeur Oskar Dirlewanger duch die Ermordung von 15.000 Menschen bei der "Bandenbekämpfung" in Weißrussland.
Das Cover der SKD-CD "Eisen und Stolz" ziert eine Hakenkreuzfahne und eine Pistole, Modell Walther P88. In einer umgetexteten Version des Ärzte-Songs "Zu spät" wird intoniert: "Doch eines Tages werd ich mich rächen! (...) Und dann gibt es Randale, dass es in der Zeitung steht. Und dann tut es euch leid, doch dann ist es zu spät".
Szeneparty am Silvesterabend
Für etwa 100.000 Euro erwarben Marco Z. und Steffen M. die Immobilie. Der Kaufvertrag datiert auf den 15. Dezember 2011. Rund zwei Wochen später, am Silvesterabend, fand in dem Haus auch schon eine Szenefeier statt.
Inzwischen wohnen vier Kameraden in dem Gebäude. Bei einem geplanten Konzert am vergangenen Samstag erteilte die Polizei dann 81 von 93 Gästen Platzverweise. Das Milieu um das Haus ähnte den Strukturen aus denen das Neonazitrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhadt und Beate Zschäpe und ihre Unterstützer kamen. "Die Käufer sind langjährig bekannte Rechtsextreme", sagt jetzt der Verfassungsschutz (VS). Einer von ihnen war stellvertretender Vorsitzendrn des aufgelösten Vereins "Toringi".
Dieses späte Statement des VS wirft für die innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Linkspartei, Martina Renner, mal wieder Fragen auf: Wo etwa war die Vorwarnung für die Gemeinde? "Dieser Immobilien-Deal ist ein weitere Indiz dafür, dass die Landesregierung keine Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus hat und der Thüringer Verfassungsschutz vollkommen überflüssig ist", sagt Renner.
Das "Braune Haus" hat wieder auf
Wieder einmal sei eine Kommune alleine gelassen worden. In Kirchheim, Guthmannshausen und Bad Langensalza bestehen Szenetreffs. In Jena kann die Szene wieder das "Braune Haus" nutzen. Hinter dem Objekt, so Renner, steht auch Ralf Wohlleben, der wegen Waffenlieferung an das Trio des "Nationalsozialistischen Untergrunds" in Haft ist.
Am Mittwochnachmittag musste die Linke gleich wieder über einen weiteren Kauf informieren. In Marlishausen erwarb der Bundesvorsitzende der rechtsextremen "Schlesischen Jugend", Fabian Rimbach, die Gaststätte und Pension "Am Bahnhof". Der Bürgermeister hatte sich zuvor im Landratsamt wegen eines möglichen rechtsextremen Hintergrunds erkundigt. Das Amt stufte den Interessenten jedoch als unbedenklich ein.
"Ich kann das nicht verstehen", sagt Renner. Im VS-Bericht 2010 wird die Gruppe und der Vorsitzende namentlich erwähnt. Die Linke will im Innenausschuss des Landtags nachfassen. "Für Neonazis hat sich Thüringen mittlerweile zu einem sichern Rückzugsort entwickelt, um dauerhafte Strukturen aufzubauen", sagt Renner.
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