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Nach der Landtagswahl in SachsenAfD gibt erstes Amt zurück

Die AfD sollte den Alterspräsidenten im sächsischen Landtag stellen: Detlev Spangenberg. Der aber war in rechten Gruppen aktiv.

Am Sonntag hatte Carsten Hütter, AfD-Vizechef in Sachsen, noch Grund zum Feiern Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn Ende September der Sächsische Landtag zu seiner ersten Sitzung nach der Wahl zusammenkommt, soll diesen eigentlich ein Parlamentsdebütant eröffnen: Detlev Spangenberg. Einer von 14 neuen AfD-Abgeordneten. Vor allem aber 70 Jahre und damit Alterspräsident. Spangenberg steht damit das Privileg zu, die Eröffnungsrede zu halten.

Der Auftritt dürfte auf Interesse stoßen, nicht nur wegen Spangenbergs AfD-Zugehörigkeit. Denn politisch ist der frühere Steuerberater so unerfahren nicht.

So mischte er bei der sächsischen Wählervereinigung „Arbeit, Familie, Vaterland“ (AFV) mit. Die geriet vor allem wegen ihres Vorsitzenden Henry Nietzsche in die Schlagzeilen. Der einstige CDU-Mann schmähte die rot-grüne Bundesregierung als „Multikulti-Schwuchteln“ und forderte, vom deutschen „Schuldkult runterzukommen“. Noch in der CDU bemerkte er, "eher fault einem Moslem die Hand ab", als er ein Kreuz für die Union mache.

Auch die AFV warb mit dem Slogan „Sachsenmut stoppt Moslemflut“. In ihrem Programm forderte sie die „Brechung der Parteienherrschaft“. Migranten solle die Staatsbürgerschaft verwehrt werden: Dies müsse künftig nur noch „durch Geburt“ möglich sein. Das Kulturbüro Sachsen, das im Freistaat Kommunen über die rechte Szene berät, attestierte der AFV, „in vielen Punkten eng an die Denkweise und Überzeugungen der Rechtsextremen anzuknüpfen“.

Spangenberg beließ es nicht bei der AFV. Er war auch Vorsitzender des „Bündnis Demokratie und Freiheit“. Die Gruppe setzte sich das Ziel, eine „neue Volkspartei“ zu organisieren, die sich „für die volle Souveränität Deutschlands einsetzt“. Dies, wie es heißt, nur im demokratischen Spektrum. Als Ziel wurde laut eigener Internetseite aber auch die „Wiederherstellung der völkerrechtlichen Grenzen von 1937“ ausgegeben. Die zögen sich heute durch Polen und Russland. Am Abend nach der taz-Anfrage war die Webseite abgeschaltet.

Für die junge AfD-Fraktion wird Spangenberg nun zum Problem. Denn die am Mittwoch einstimmig zur Fraktionschefin gewählte Frauke Petry mühte sich um ein bürgerliches Image, bestritt Einflüsse von ganz rechtsaußen. Die Kandidaten wurden verpflichtet, frühere Parteimitgliedschaften offenzulegen. Spangenberg, ihr Listenkandidat 10, aber nannte nur sein früheres CDU-Engagement. Die rechten Gruppen ließ er unerwähnt.

Der taz bestätigte er die Mitgliedschaften. „Ja, ich war Vorsitzender beim Bündnis für Freiheit und Demokratie.“ Dort aber hätten keine „extreme Parteien“ mitgemacht. Und bei „Arbeit, Familie, Vaterland“ sei er nur „einfaches Mitglied“ gewesen.

„Wir sind ziemlich angefressen“

Das stimmt so nicht. Denn 2008 war Spangenberg auch Kandidat der AFV: Bei der Kreistagswahl holte er in Meißen 141 Stimmen. Die Sächsische Zeitung bezeichnete ihn 2010 als „Dresdner Regionalchef“ der AFV.

Die AfD-Spitze zog noch auf ihrer ersten Sitzung am Mittwochnachmittag Konsequenzen. „Herr Spangenberg wird nicht als Alterspräsident antreten“, sagte der frisch gekürte AfD-Parlamentsgeschäftsführer Uwe Wurlitzer. „Wir sind ziemlich angefressen. Er hätte uns über die Vereinigung informieren müssen.“ Auch gehe die Forderung nach der Grenzverschiebung "gar nicht". Spangenberg habe aber glaubhaft versichert, dass diese erst nach seiner Zeit auf der Internetseite auftauchte, so Wurlitzer. Er dürfe seinen Sitz behalten.

Nur: So leicht ist das nicht. Ein Landtagssprecher sagte, ein Rücktritt als Alterspräsident sei nicht möglich. Dies gehe nur bei einer Verweigerung des Mandats. Wurlitzer nannte dies „Unsinn“.

In der AfD war Spangenberg durchaus als harter Konservativer bekannt. Fragt man ihn, was seine Partei praktisch machen sollte, ist er schnell beim Thema Kriminalität: Statt Einbrecher „in Zaum zu halten“, klagt er, werde den Bürgern geraten, neue Fenster einzubauen. „Und die Kriminellen stehen weiter draußen.“ Dass er 2004 die CDU verließ, begründet er damit, dass sich die Partei „seit Heiner Geißler nach links entwickelt hat“.

Spangenberg ist derzeit nicht das einzige Problem für die AfD. Die Hackergruppe „Anonymous“ veröffentlichte interne Positionspapiere des Landesverbands. Darin wird gefordert, „nichtdeutschen Staatsbürgern“ das Kindergeld zu kürzen, „einspruchslose“ Asylverfahren einzuführen oder künftig „deutschfeindliche Straftaten“ zu erfassen. Wurlitzer sprach von nicht berücksichtigten „Entwürfen“ zum Wahlprogramm.

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11 Kommentare

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  • Andere Parteien hatten auch schon so ihreProbleme mit Alterspräsidenten, so etwa die Grünen. Siehe den Fall Werner Vogel, http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Vogel_%28Politiker%29

    • @Yoram Hartmann:

      Hier geht´s aber thematisch um die AfD. Das typische Reiz-Reaktions-Ritual vieler AfD-Sympatisanten erinnert doch stark an das der Putinanbeter beim Thema Ukraine: Der Hinweis auf die Verantwortlichkeit Russlands für die verfahrene Situation dort wird pauschal mit Verweis auf irgendeine Untat "des "Westens", der USA in der Vergangenheit (Irak, Mittelamerika etc.) beantwortet ohne auf das eigentliche Thema einzugehen. Psychopathologische Entlastungsstrategie.

  • Ich hab schon schlimmere Nachrichten heute gelesen. Wenn die AfD auch offiziell die Nähe zum Rechtsextremismus leugnet, muss man doch feststellen, dass sich erstaunlich viele Rechtsextreme bei der AfD sauwohl fühlen.

    • @Rainer B.:

      Durch die Leaks sind alle fast 500 AfD-Mitglieder in Sachsen bekannt. Davon sind jetzt drei Leute "problematisch" im Sinne tatsächlicher oder vermeintlicher rechtsextremer Aktivitäten. Drei von 500 sind in keinem Universum "erstaunlich viele", eher erstaunlich wenige angesichts der teils reißerischen Medienberichte. Offensichtlich hat die AfD ihren Laden einigermaßen im Griff und kegelt genuine Rechtsextreme wie auch staatliche und nichtstaatliche Uboote konsequent raus. Jedenfalls trifft man in jedem CDU- oder SPD-Ortsverein mehr Rechtsextremisten, als in der gesamten AfD Sachsen, von der ziemlich großen Zahl rechtsextremer SPD- und CDU-Wähler ganz zu schweigen (vgl. Mitte-Studien der Uni Leipzig).

      • @Andres Bergmeister:

        Es geht um einen demokratischen Grundkonsens und der umfasst nun mal den sog. „Verfassungsbogen“ (wie Staatsrechtler das nennen) von demokratisch links (inkl. „die Linke“) bis „aufgeklärt konservativ“ rechts (also CDU), Der besagt, dass rechtsradikale und rechtsextreme Parteien und Vereinigungen in diesem Land nie wieder eine politische Machtstellung erlangen dürfen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (pauschal gegen Ausländer, Flüchtlinge, Sinti/Roma, Juden, Schwule/Lesben, Behinderte) haben keinen Platz in unserer Demokratie.

         

        Wenn man sich die wild, keifenden Wortbeiträge vor allem auf unmoderierten Social Networks wie Facebook anschaut, zum Teil auch bei der FR, Zeit, SPON etc. sieht man, welches plump-rechtsradikales Gebräu sich da zusammenmischt. Das interessante, ist dass nach NPD-Wahlerfolgen, deren Wähler sich stets weiterhin bedeckt halten wg. des öffentlichen „Igitt-Faktors“ der Dunkelbraunen. Nun aber lassen sich in den Foren eine große Menge an Bekenner-Wortmeldungen verzeichnen, die sich bar jeder inhaltlichen Diskussionsbeiträge völkisch-stolz in die Brust werfen und nur um sich keifen und rausbrüllen: „Ich hab die AfD auch gewählt! Ihr werdet schon sehen, jetzt kommen wir!“

         

        Hier zeigt sich die Türöffnerfunktion solcher Parteien wie AfD, früher Schill-Partei, Statt-Partei, die mit ihrem Vorgehen weit ins Wählerreservoir der CDU, leider auch SPD bis zu „Die Linke“ reinwirken. Leute mit schlichtem Weltbild und obrigkeitshöriger Denkstruktur, die aus Verunsicherung gern „nach unten treten“ gibt es in der Tat in allen Wählergruppen. Die politische Urteilsfähigkeit vieler Wähler hat leider durch jahrzehntelange Beschallung durch BILD, Kommerz-Flachfunk-TV und Daddelradio enorm abgenommen.

      • 5G
        577 (Profil gelöscht)
        @Andres Bergmeister:

        Danke für diese Fakten, ich hoffe, die stimmen auch :-)

        Aber die AfD ist eben eine Herausforderung für den politisch-medialen Betrieb, der sich angewöhnt hat, jegliches Handeln mit einem einzigen Argument zu rechtfertigen: es ist alternativlos! Das trifft man nicht nur bei Merkel an, sondern auch z.B. in der "Zeit" und hier in der "taz".

        Also muß der Vorwurf des Rechtsextremismus her!

      • @Andres Bergmeister:

        Man wird das erstmal sehr genau beobachten müssen - natürlich auch bei den Ortsvereinen der übrigen Parteien. Von den meisten Wählern wird die AfD klar als NPD-Light wahrgenommen und aus diesem Grunde auch gewählt. Das liegt gewiß nicht an den Medienberichten, die überwiegend genauso schwammig und vage bleiben, wie die offiziellen Verlautbarungen der AfD. Über populistische Gemeinplätze ist der Laden ja bislang noch gar nicht hinausgekommen.

  • § 2 Absatz 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages lautet:

    "Die erste Sitzung wird vom Alterspräsidenten eröffnet und geleitet, falls er ablehnt, vom nächstältesten dazu bereiten Mitglied des Landtags."

    Damit hat der Herr Wurlitzer von der AfD also recht und der nicht genannte Landtagssprecher ist offensichtlich in seinem Job eine Fehlbesetzung. Allerdings hätte das auch mal die TAZ selber recherchieren und zur Klärung einfügen können.

    • 6G
      65232 (Profil gelöscht)
      @Andres Bergmeister:

      Da verwechseln sie etwas. Ja, der Alterspräsident muss nicht die Eröffnungsrede halten, sondern kann passen. Damit ist er aber weiterhin Alterspräsident. Dieser hat schließlich noch mehr Funktionen außer dem Halten der Eröffnungsrede. Oder steht in den von Ihnen zitierten Satz irgendetwas von zurücktreten?Aber das hätten Sie ja auch selber recherchieren können. ;)

      • @65232 (Profil gelöscht):

        Der Alterspräsident hat wirklich nur die Aufgabe die erste Sitzung zu eröffnen, mit einer Rede und einigen Formalia. Nicht zu verwechseln mit dem Ältestenrat, der über die Legislaturperiode hinweg Geschäftsordnungsfragen behandelt (und deren Mitglieder nicht nach dem Alter ausgewählt werden).

        • 6G
          65232 (Profil gelöscht)
          @Sonnenblumen:

          In der Regel ist der Alterspräsident auch dafür verantwortlich die Sitzung zu leiten, sofern keine Präsidiumsmitglieder anwesend sind. Zudem leitet er die Neuwahl des Präsidium, wenn dieses ausscheidet. Das ist im Bundestag so geregelt und meines Wissens weichen die Landtage nicht davon ab.