NRW gegen das Prostituiertenschutzgesetz: Ist lustloser Sex schon Prostitution?
NRW hat viel Kritik an dem neuen Gesetz zum Schutz von Prostituierten und will im Bundesrat zahlreiche Änderungsanträge einreichen.
Und angenommen, die Sachbearbeiterin im Amt, wo Anmeldung und Beratung stattfinden sollen, nimmt die Sache tatsächlich so ernst, wie sich Union und SPD das mit dem Gesetz wünschen – dann hätte die Beamtin jede Menge Probleme.
Sie bräuchte zum Beispiel eine Dolmetscherin, wenn sie selbst kein Kroatisch und die andere kein Deutsch spricht. Sie bräuchte Zeit, denn so ein Gespräch kann dauern. Schließlich soll die Beamte so viel Vertrauen aufbauen, dass die Frau sich als Zwangsprostituierte zu erkennen gibt, falls sie tatsächlich eine ist. Und die Sachbearbeiterin bräuchte so etwas wie eine soziokulturelle Ausbildung, denn es könnten zahlreiche kulturelle Missverständnisse zwischen den beiden Frauen lauern.
Wer soll das leisten? Wer soll das bezahlen? Wir können das jedenfalls nicht, wehren sich Länder und Kommunen gegen das Bundesgesetz, das massive Auswirkungen auf den Behördenalltag vor Ort hat. So enthält das Gesetz allein über 30 neue Verwaltungsvorgaben, die die Länder und Kommunen umsetzen sollen.
NRW will das Gesetz kippen
In Nordrhein-Westfalen ist die Kritik am Gesetz so heftig, dass das Land zahlreiche Änderungsanträge einreichen will, wenn das Prostituiertenschutzgesetz am 13. Mai im Bundesrat behandelt wird. Das hat die taz aus internen Kreisen erfahren. Neben der Anmelde- und Beratungspflicht will NRW auch die Kondompflicht für Freier kippen. Letztere hält Emanzipationsministerin Barbara Steffens (Grüne) ohnehin für „jenseits jeglicher Realität“. Fragwürdig sei zudem die Gesetzesdefinition für „sexuelle Dienstleistungen“: Darunter könnte jetzt sogar der lustlose, aber dankbare Beischlaf mit dem Partner fallen, weil der den Urlaub bezahlt.
Ob die Länder etwas gegen das Gesetz ausrichten können, ist allerdings unklar. Die Bundesregierung sieht es als nicht zustimmungspflichtig an, NRW dagegen schon. So rechnet das Flächenland mit zweistelligen Millionenbeträgen, die Anmeldung, Beratung und Kontrolle jährlich kosten würden. Für sie Grund genug, um das Gesetz wenigstens in Teilen abmildern zu wollen. Andererseits dürften hohe Kosten fürs Sexgewerbe angesichts knapper Kassen schwer zu vermitteln sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört