Legende Meat Loaf gestorben: „Ich bedaure absolut nichts“

Er nehme keine Drogen und trinke nur alkoholfreies Bier. Meat Loaf sagt, wenn er auf der Bühne umkippe, sei das nur Show.

ein langhaariger Mann, Meat Loaf, in einem Amischlitten aus den 50ern

Meat Loaf 1994. Schickes Auto. Frisur: geht so Foto: Imago/Horst Galuschka

Ein edles Hotel in der Mitte Berlins. Dort eine Suite namens „Hofgarten II“, die ungute Erinnerungen weckt. Hier ging einmal ein Interview mit Nena schief und endete nach zehn Minuten. Aber heute: Meat Loaf. Kein Kindheitsheld. Aber immerhin war da diese Erinnerung an einen kraftstrotzenden Mann, der zeigte, dass Schwitzen menschlich ist. Die Songs waren auch ziemlich toll. „You took the words right out of my mouth, it must have been while you were kissing me.“ Oder: „I want you, I need you, but I’m never gonna love you, but don’t be sad, two out of three ain’t bad.

Vor der Suite sitzen Mitarbeiterinnen der Plattenfirma und Promoter und regeln mit Smartphones Geschäftliches. Witze über die absurden Sandwichpreise der Hotelbar werden gemacht. Dann der freundlich vorgetragene Hinweis, man möge keine Fragen zur Gesundheit oder zur Politik stellen, insbesondere keine zu Donald Trump.

Ein Blick auf den Zettel mit den Fragen: Fast die Hälfte würde wegfallen. Dabei hat Meat Loaf erst vor Kurzem den Jahrzehnten im Rock-’ n’ -Roll-Geschäft mal wieder Tribut zollen müssen: In Edmonton ist der 68-Jährige auf der Bühne umgekippt und im Krankenhaus wieder aufgewacht. Aber am gestrigen Interviewtag habe es, wird kolportiert, schon bei der einfachen Frage: „Wie geht es Ihnen?“, einen Eklat gegeben. Und Trump? Dem kam Meat Loaf vor fünf Jahren ziemlich nahe, als er in der Promi-Ausgabe von dessen Casting-Show „The Apprentice“ – einer Art „Germany’ s Next Top Model“ für Unternehmer mit Trump als Heidi Klum – den respektablen dritten Platz belegte.

Meat Loaf steht den Konservativen nahe, vor vier Jahren ist er für Mitt Romney bei Wahlkampfveranstaltungen aufgetreten. Letzten Herbst noch hat er über Trump gesagt: „Donald ist sehr, sehr schlau.“ Im aktuellen Wahlkampf allerdings engagiert er sich nicht für ihn. Da hätte man schon gerne gewusst: Warum nicht? Aber jetzt geht die Tür auf, die persönliche Assistentin bittet zum Gespräch.

In einem roten Plüschsessel sitzt ein schwerer Mann und isst ein Sandwich. Weißbrotkrümel an der Backe. Er blickt hoch, reißt die Augen auf. Meat Loaf fühlt sich ertappt beim Essen.

Wie spricht man Meat Loaf eigentlich an? Mister Aday, wie es in seinem Reisepass steht, Vornamen Michael und Lee? Mister Meat Loaf? Mister Loaf? Oder lieber gar nicht?

taz.am wochenende: Guten Tag.

Der schwere Mann im roten Sessel wischt sich ein paar Krümel ab. Er sagt nichts, lächelt freundlich und deutet auf den leeren Stuhl vor ihm. Dabei ist der kleine Finger seiner rechten Hand seltsam angewinkelt und leblos. Aber: „How are you?“ geht ja nicht als Frage. Also anderer Einstieg:

Wer sich Ihr neues Album „Braver Than We Are“ anhört, stellt fest, dass einzelne Songs vom Älterwerden handeln. Ist es ein Rockalbum übers Alter?

Meat Loaf: Da liegen Sie leider vollkommen falsch.

Der Einstiegssong trägt immerhin den Titel „Who needs the Young?“

Ja, aber den hat Jimmy geschrieben, als er 19 Jahre alt war.

Jimmy, das ist Jim Steinman. Pianist, Produzent und Autor nahezu aller Songs von Meat Loaf. Kennengelernt haben sich die beiden 1973 am Broadway. Der schwere Mann im Sessel wirkt zerbrechlich, sehr alt. Er spricht schleppend. Jedes Wort scheint einzeln aus seinem Mund zu fallen.

Warum hat Jim Steinman mit 19 Jahren einen Song geschrieben, der die Perspektive eines alten Mannes einnimmt?

Das habe ich ihn nie gefragt. Aber ich frage Jimmy nie irgendetwas, ich stelle nicht infrage, was er macht. Und er stellt nicht infrage, was ich mache. Er weiß, dass ich in Rollen schlüpfe, wenn ich einen Song singe – und er akzeptiert das.

Trotzdem seltsam, oder?

Vielleicht. Aber ich habe nicht groß darüber nachgedacht. Ich wusste ja, wie alt der Song ist. Ich kannte ihn schon seit „Bat Out Of Hell“, wir hatten ihn damals schon aufgenommen, aber er passte nicht mehr aufs Album. Es gab nur Vinyl und da passten nur 45 Minuten drauf. Aber seitdem liebe ich diesen Song, und endlich konnten wir ihn mal neu aufnehmen und herausbringen.

Bat Out Of Hell“, die Offenbarung. 1977 mag in London der Punk ausgebrochen sein, aber überall sonst hörte man diese überkandidelten Songs, in denen so unverhohlen von Sex die Rede war, dass man es trotz Schulenglisch verstand. Seitdem wurde das Album mehr als 30 Millionen Mal verkauft.

Wenn Sie diese Songs nun, fast 40 Jahre später, singen, haben sie dann noch dieselbe Bedeutung wie damals?

Nicht wirklich. Ich habe beim Singen versucht, in die Rolle eines 19-Jährigen zu schlüpfen. Denn darum geht es auf dem ganzen Album: um einen 19-Jährigen auf der Suche nach sich selbst.

Am 27. September hatte Michael Lee Aday alias Meat Loaf Geburtstag. Anders als im Interview ist er nun 69 Jahre alt. Er ist in Dallas Texas geboren; der Vater war Alkoholiker und gewalttätig; die Mutter, Gospelsängerin, starb als er 20 war an Krebs. Er trampt nach Los Angeles, gründet mehrere Rockbands, singt im Musical Hair – später auch der Rocky Horror Picture Show. In den 70er Jahren lernt er den Songschreiber Jim Steinmann kennen, der seine wichtigsten Songs komponiert, mit dem ihn jedoch eine krisengeschwängerte Zusammenarbeit verbindet.

Warum wollten Sie denn kein Album über das Älterwerden machen?

Warum sollten wir?

Weil Sie und Steinman selbst nicht mehr die Jüngsten sind. Sie könnten Rockmusik aus der Perspektive eines alten Menschen machen.

Wer braucht denn so etwas? Die Perspektive eines 19-Jährigen sorgt dafür, dass die Musik viel intensiver ist. Das ist psychologisch interessanter, künstlerisch eine viel größere Herausforderung, als die Perspektive eines 68-Jährigen einzunehmen.

Sie sind 68.

Eben. Mich interessiert die Perspektive eines 68-Jährigen nicht. Lassen Sie mich damit bloß in Ruhe.

Mich würde es interessieren.

Mich nicht.

Hat der Rock ’n’ Roll ein Problem mit dem Älterwerden?

Definitiv. Sobald du 40 Jahre alt bist, spielen die Radiosender deine Musik nicht mehr. Selbst ein Paul McCartney wird nicht mehr gespielt. Es gibt wirklich Altersdiskriminierung im Pop. Lächerlich, aber es ist so. Alter sollte keine Rolle spielen. Wichtig ist doch nur, ob der Song was taugt. Ein guter Song löst Gefühle aus, er macht dich glücklich oder wütend oder traurig. Ein guter Song sorgt dafür, dass es dir besser geht.

Aber heutzutage läuft im Radio nur noch Mist. Und warum? Weil die Zielgruppe nur noch aus 23-Jährigen besteht. Aber natürlich kann auch ein Paul McCartney-Song zu einem 23-Jährigen sprechen. Ich würde am liebsten ein Album rausbringen mit einem vollkommen weißen Cover, ohne Bilder, ohne Namen, ohne Hinweise, vielleicht noch die Songtitel, mehr nicht. Es würde mich interessieren, was dann passiert.

Stellen Sie sich vor, der Meat Loaf von 1977 würde mit „Bat Out Of Hell“ heute auf der Bildfläche erscheinen. Hätte er denselben Erfolg wie damals?

Wir hatten damals zuerst keinen Erfolg. Keine Sau hat sich für uns interessiert.

Das hat sich schnell geändert.

Schnell ging das gar nicht. Wir haben uns zehn Monate lang den Arsch abgespielt. Aber es war schwer: Ein dreihundert Pfund schwerer Typ, wahrlich keine Schönheit, der ellenlange, dramatische Songs singt. Diese Songs waren damals einzigartig, so etwas gab es nicht – und das wäre heute wieder genauso. Dieses Team mit diesem Enthusiasmus, den wir damals hatten, und vor allem diese Songs, die würden sich immer, zu jeder Zeit durchsetzen.

Die Kombination aus diesen Songs und mir, diesem riesigen Typen mit dieser Stimme, die entwickelte auf der Bühne eine unheimliche Kraft und eine wahnsinnige Energie. Wir haben die Carnegie Hall ausverkauft, bevor wir überhaupt einen Plattenvertrag hatten. Irgendwann war es vollkommen egal, ob ich dick war, es war egal, wie Jimmy aussah. Irgendwann verselbstständigte sich die Musik und alles andere war egal. Und dann hob es ab. Deswegen glaube ich, dass das auch heute genauso laufen würde.

Zuvor hatten Sie schon am Broadway gespielt, unter anderem in „Hair“, später haben Sie regelmäßig als Schauspieler gearbeitet.

Ja, die Schauspielerei war meine erste Liebe. Ist sie eigentlich immer noch. Aber auf der Bühne kann ich beide Leidenschaften ausleben. Wenn ich ein Konzert gebe, dann ist das nicht so groß anders, als wenn ich in einem Musical auftreten würde. Am Broadway schlüpfe ich in eine Rolle und bei einem Konzert schlüpfe ich eben in die Rolle eines Rock ’n’ Rollers. Das funktioniert ganz ähnlich: Man nimmt durch die Fingerspitzen, durch die Zehen und die Haare die Energie des Publikums auf und gibt sie wieder zurück. Beim Film allerdings geht das nicht, da kommt die Energie aus dem Inneren, man muss sie in der Brust sammeln. Aber eigentlich ist Film – verglichen zur Bühne – ein Klacks.

Sind Sie zufrieden mit Ihrer Karriere?

Ja, vollkommen zufrieden.

Nichts zu bedauern?

Nein, absolut nichts. Vielleicht den einen oder anderen Streit, an den ich mich nicht mehr erinnern kann.

Was ist mit den Drogen?

Hab ich nie genommen. Alles Medienbullshit. Ich hasse Alkohol.

Da gibt es andere Geschichten: Kurz nach dem Riesenerfolg von „Bat Out Of Hell“ sorgte eine Kombination aus Kokain, Alkohol und Erschöpfung dafür, dass Meat Loaf seine Stimme verlor und auf dem Nachfolgealbum nicht mehr singen konnte. „Bad For Good“ erschien dann als Jim-Steinman-Soloalbum.

Nicht mal Alkohol?

Ich habe auf der Bühne Light-Bier getrunken, weil ich von Natur aus eine trockene Kehle habe. Das Bier hat meine Stimmbänder feucht gehalten. Aber irgendwann konnte ich selbst das Light-Bier nicht mehr trinken und habe stattdessen Lutschbonbons genommen. Irgendwann habe ich festgestellt, dass ich das Menthol nicht vertrage, und wechselte zu mentholfreien Drops. Bis ich gemerkt habe, dass in denen haufenweise Zucker war und Zucker ist bekanntlich ungesund. Jetzt nehme ich irgendwas Chinesisches.

Angeblich haben Sie mal auf der Bühne Blut gespuckt.

Ja, bei einer Tour in Australien.

Nur dort?

Ja, nur bei dieser einen Tour. Aber das war auch schlimm genug. Nach jedem Auftritt hat mich ein Arzt untersucht und mir gesagt, dass ich meine Stimme ruiniere, wenn ich so weitermache. Eigentlich hätte ich die Tour sofort abbrechen müssen, aber ich wusste nicht, wie ich aus der Nummer rauskomme. Wir hätten ein Vermögen in den Sand gesetzt.

Sind Ihre Stimmbänder zu empfindlich oder die Songs von Steinman zu anstrengend?

Es sind die Songs. Jeder andere Sänger, der versucht hat, diese Songs zu singen, die Backgroundsänger und Duettpartnerinnen, alle haben sie gestöhnt: Oh, mein Gott, das ist wirklich anstrengend. Ich habe dann gesagt: Ach, ziert euch nicht so, Kinder! Wenn ich nur Rolling-Stones-Songs singen würde, dann könnte ich sieben Tage die Woche auftreten.

Wenn ich Springsteen-Songs singen würde, könnte ich auch vier Stunden lange Konzerte geben. Obwohl: Was Bruce Springsteen macht, das ist schon übermenschlich. Springsteen ist ein Supermann. Der ist nur ein Jahr jünger als ich. Aber keiner seiner Songs hat mehr als anderthalb Oktaven Stimmumfang, „Streets of Philadelphia“ hat gerade eine Oktave. Für die meisten Songs, die ich singe, brauche ich dreieinhalb Oktaven. Und ich singe die Songs immer noch in derselben Tonlage wie früher. Ein Elton John und ein Billy Joel sind dagegen mittlerweile zweieinhalb Töne runtergerutscht. Ich bin immer noch da oben.

Was denken Sie, wie lang das noch geht?

Keine Ahnung. Aber zugegeben, ich würde gern mal eine Bluesplatte machen. Mit Blues könnte ich noch zehn Jahre weitermachen. Dann setze ich mich wie BB King auf der Bühne auf einen Stuhl und hänge mir eine Gitarre vor den Bauch.

Haben Sie Ihre Stimme für die Songs von Steinman geopfert?

Ganz bestimmt.

Also gibt es doch etwas zu bedauern?

Haben Sie sie noch alle? Die Chance zu haben, einen Song wie „Bat Out Of Hell“ singen zu dürfen? „For Crying Out Loud“ singen zu dürfen? Die Songs von der neuen Platte singen zu dürfen? Niemals hätte ich diese Chance verpassen wollen. Lassen Sie mich eine Geschichte erzählen: Als ich „Somebody Loves Me“ für das Tribute-Album „The Glory of Gershwin“ aufnahm zusammen mit dem großen George Martin…

Dem legendären Produzenten der Beatles, der im März starb?

Genau. Wir sind im Studio und bevor wir anfangen, fragt mich George: Wie willst du „Somebody Loves Me“ singen? Ich: Was meinst du? Er: Na, in welchem Stil sollen wir das Lied aufnehmen? Ich: Ich verstehe nicht, was du meinst. Dann erklärt er mir, dass die anderen Interpreten, die für die Compilation angefragt wurden, ihre Songs als Blues oder Jazz oder sonst was aufnehmen wollten. Ich hab nur gesagt: George, das ist Gershwin. Also nehmen wir es auf wie Gershwin. Warum sollte man Gerhswin verändern? Warum sollte man Mozart oder Wagner verändern? Warum sollte man Jim Steinman verändern? Warum sollte man einen HipHop-Song in die Mitte von „Carmen“ platzieren?

Darauf ist bestimmt schon jemand gekommen.

Ist vielleicht auch eine gute Idee. Das könnte tatsächlich funktionieren. Ich rufe Chuck D und Will Smith und ein paar andere Leute an, die ich kenne, und dann stellen wir eine HipHop-Version von „Carmen“ auf die Bühne. Obwohl: Besser wäre noch „Faust“. „Faust“ ist wie geschaffen für HipHop.

Wo es gerade um deutsche Klassiker geht: Wussten Sie damals, als Sie „Bat Out Of Hell“ aufnahmen, dass Steinman ein großer Fan von Richard Wagner war?

Ich wusste nicht einmal, wer Richard Wagner war. Mittlerweile weiß ich, dass Jimmy nicht nur ein Riesenfan von Wagner, sondern auch von Kiss war. Das erklärt einiges, oder? 1845 hat Wagner ein Stück geschrieben, das in einem zweifachen hohen C endet. „Bat Out Of Hell“ endet in einem vierfachen hohen C. Jimmy wollte Wagner in den Schatten stellen. Er muss immer übertreiben.

Die Steinman-Songs sind so anstrengend, dass Sie früher regelmäßig auf der Bühne in Ohnmacht gefallen sind…

Aber das war Show. Ich kam schon, als ich noch jünger war, immer außer Atem. Aber wenn ich umgefallen bin, dann habe ich das geschauspielert. Ich habe meinen eigenen Tod auf der Bühne markiert. Ich war ziemlich gut darin. Ich will das Publikum schockieren: Die sollen nach einem Konzert genauso fertig sein wie ich.

Hatten Sie jemals Angst, Sie könnten auf der Bühne sterben?

Nein, nie.

Nicht einmal im Juni, als Sie auf der Bühne umgekippt und im Krankenhaus wieder aufgewacht sind?

Sie meinen Edmonton? Quatsch, ich war dehydriert. Mehr war nicht. Die haben mich an den Tropf gehängt und jeden Test aus ihrem Medizinbuch mit mir gemacht. Dann haben sie mir noch zwei Beutel mit irgendeiner Lösung eingeflößt. Ich hasse das: Man geht fünf Kilo schwerer raus, als man reinging.

Einfach umzukippen, das hat Ihnen keine Angst gemacht?

Nein. Ich habe schon alles geplant, falls ich tatsächlich auf der Bühne sterben sollte. Die Band wird dann zuerst „When The Saints Go Marching In“ spielen und anschließend soll das Publikum „Take Me Out To The Ballgame“ singen.

Ein Song, der bei Baseballspielen in den USA gesungen wird.

Sollte ich auf einer deutschen oder englischen Bühne sterben, muss ich, fürchte ich, mir einen anderen Song überlegen.

Ist das eine schöne Vorstellung, auf der Bühne zu sterben?

Ja. Entweder so oder friedlich im Schlaf. Hauptsache kein Leiden. Ich habe schon genug gelitten. Ich hatte beide Schultern ausgekugelt, ein Bein gebrochen, ich hatte 19 Gehirnerschütterungen, die meisten von meiner Zeit als Footballspieler in der Highschool.

Da beugt er sich überraschend nach vorne, streckt mir den Kopf entgegen und deutet auf eine Stelle neben seinem Scheitel.

Hier, fühlen Sie mal.

Eine kleine, narbige Beule ist zu spüren.

Da hat mir ein Kugelstoßer aus zwanzig Meter Entfernung eine Kugel draufgeworfen. Ich habe mein Gehirn untersuchen lassen. Auf dem CT-Bild sind lauter kleine weiße Flecken zu sehen, dieselben wie bei ehemaligen Footballprofis.

Und Sie haben keine Angst? Es gibt ehemalige Footballprofis, die Depressionen haben, einige haben sich sogar umgebracht.

Ich werde mich nicht umbringen, ich werde auch nicht mit Drogen anfangen. Ich hoffe einfach, es wird schnell gehen. Am besten wird man einfach von einem Lkw überfahren.

Okay, wenn er doch über seinen Gesundheitszustand spricht, dann vielleicht auch über Donald Trump. Aber vorsichtig, es lieber erst einmal indirekt versuchen. Vor vier Jahren, als er Romney unterstützte, stellte sich heraus, dass Meat Loaf vergessen hatte, sich als Wähler registrieren zu lassen und dann gar nicht für seinen Kandidaten stimmen konnte. Die Häme war groß.

Haben Sie sich denn diesmal rechtzeitig als Wähler registrieren lassen?

In der Ecke blickt die Assistentin von ihrem Smartphone auf.

Assistentin: Keine Politik!

Das ist doch interessant…

Assistentin: Keine Fragen zu Politik. Ich weiß, worauf Sie hinauswollen.

Meat Loaf hat schweigend den Austausch verfolgt.

Leg dich nicht mir ihr an, die tritt dir in den Arsch.

Er lacht.

Aber sie hat recht: Ich werde nichts zur Politik sagen.

Egal, noch ein Versuch.

Es gibt zumindest zwei politische Songs auf dem Album.

Ich finde nicht, dass „Godz“ und „Skull Of Your Country“ allzu politisch sind.

Aber Sie wissen sofort, welche Songs ich meine.

Ich habe sie nicht gesungen, als wären sie politisch. Außerdem, Sie erinnern sich, sind diese beiden Songs wie alle anderen vor langer Zeit geschrieben worden. Wie könnten sie da aktuell politisch sein?

Wie kommt es, dass Sie sehen, dass man diese Songs so verstehen kann, als meinten sie die aktuelle politische Situation?

Diese Songs wurden im Jahr 1969 geschrieben, während des Vietnamkrieges. Es ist halt so: Sosehr sich die Dinge auch ändern mögen, eigentlich bleibt alles beim Alten. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

Dieses Interview von Thomas Winkler mit Meat Loaf wurde am 02.10. 2016 in der taz am Wochenende erstmals veröffentlicht. Am 20. Januar 2022 ist Meat Loaf nun 74-jährig verstorben.

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