Kriegsverbrechen im Kongo: Terror per Textnachricht
Die ruandische Miliz FDLR mordert und vergewaltigt in Ostkongo, macht die Region unregierbar. Über Täter und Opfer, die sich nun trauen zu reden.
LUVUNGI/MUTOBO taz | Vom Hubschrauber sieht der Dschungel aus wie Broccoli. Dicht reihen sich die Baumkronen, kaum ein Lichtstrahl dringt hindurch. Dort, im Regenwald im Osten der Demokratischen Republik Kongo, sind die Rebellen der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) die Herrscher. Ihr Hauptquartier auf einem Hügel nicht weit vom Dorf Kimua besteht aus Hütten, versteckt zwischen Palmen. Unter einem dieser Strohdächer trinkt FDLR-Militärchef General Sylvestre Mudacumura schon am Nachmittag Bier, während er mit seinen Kommandeuren Operationen plant. Oberhalb der Siedlung befindet sich das Waffenarsenal, auf einem anderen Hügel die FDLR-Militärpolizei mit Offiziersschule.
Von diesem Versteck im Dschungel aus regierte die Hutu-Miliz bislang ein Gebiet, das größer ist als ihr Heimatland Ruanda. Sie kontrollierten die Minen sowie die wenigen Zugangswege in den Wald - auch die matschige Straße, die sich von Walikale aus in engen Kurven durch den Dschungel Richtung Goma windet. Die Dörfer entlang dieser Achse lagen bisher auf FDLR-Territorium. Seitdem die kongolesische Armee (FARDC) gegen die FDLR vorgeht, schrumpft deren Gebiet zunehmend. Jetzt bemüht sich die UNO, Vorposten im Dschungel zu errichten.
Der UN-Hubschrauber landet auf einem Fußballplatz: Bunyampuli, rund 40 Kilometer nördlich des FDLR-Hauptquartiers. Bewaffnete Blauhelme stehen vor dem Wald. Indische UN-Soldaten laden Benzinkanister aus dem Helikopter auf einen Lkw. Es muss schnell gehen: Dunkle Regenwolken hängen über den Bäumen. Die Inder schieben einen rostigen Geländewagen an, bis der Motor anspringt und sie auf die Ladefläche hüpfen. Quietschend holpert das Fahrzeug durch die Pfützen ins 3 Kilometer entfernte Dorf Luvungi.
Luvungi liegt im Tal. Lehmhütten mit Strohdächern schmiegen sich an die Hänge. Dahinter ragt der Regenwald düster in die Höhe. Von dort kamen einst die FDLR-Rebellen. Dorfvorsteher Livingstone Mbusa-Mbusa erinnert sich genau. Während er erzählt, blickt er voller Furcht auf die Baumwipfel. Ganz so, als könnten sie jeden Moment zurückkommen.
Von Haus zu Haus
Es war dunkel, nach 23 Uhr am 30. Juli 2010. Wie Schatten drangen die Gestalten in das Dorf ein. Sie gingen von Haus zu Haus, traten die Holztüren ein, zerrten die Männer auf die Straße. Auch Mbusa-Mbusa stand dort im Matsch. Von allen Seiten hörte er Rufe: "Ich sterbe, ich sterbe." Auch er dachte, "jetzt werden sie uns alle umbringen". Stattdessen begannen sie Hühner und Ziegen zusammenzutreiben. Schlachteten das Vieh. Ein Feuer loderte auf. In einem Laden an der Straße fanden sie Bier und "tranken, tanzten, sangen".
Am nächsten Tag musste Mbusa-Mbusa die restlichen Ziegen den Hügel hinauf in den Dschungel treiben. Einige Rebellen begleiteten ihn, die Kalaschnikow im Anschlag. "Wenn du davonläufst, kriegen wir dich", drohten sie ihm. Am Abend des dritten Tages gelang es ihm, zu entkommen. Am vierten Tag wagte er sich vorsichtig ins Dorf - die Rebellen waren weg. Doch was sie den Frauen angetan hatten, lässt die Bewohner bis heute nicht los. 270 Frauen und Mädchen wurden in den vier Tagen vergewaltigt. Das jüngste Opfer war 2 Jahre alt, das älteste 79.
Dass eine der Frauen jetzt darüber sprechen will - das ist mutig. Ihren Namen will sie nicht nennen. Zu groß ist die Angst. Sie heißt hier Marie.
Vor dem Angriff hätten die Rebellen ihre Frauen geschickt, berichtet Marie. Die kauften Seife, bezahlten mit Gold. "Nachdem sie fort waren, fanden wir einen Brief." Wenn ihr Luvungi nicht verlasst, töten wir euch, hieß es darin. Der Dorfvorsteher berichtete seinen Vorgesetzten in Walikale von der Drohung. Doch niemand schickte Hilfe.
Marie sitzt in ihrer fensterlosen Hütte. Es ist dunkel. Gewitterwolken ballen sich über Luvungi. Regentropfen prasseln auf das Dach. Die fünffache Mutter hat ihr Jüngstes auf dem Schoß. Dass der Embryo die mehrfache Vergewaltigung überlebte, ist ein Wunder.
Es war spät am Abend, erinnert sich Marie. Sie lag im Bett neben ihrem Mann. Plötzlich traten uniformierte Männer die Tür ein. "Wir sind gekommen, um uns um euch zu kümmern", sagten sie und zerrten Marie an den Haaren aus dem Bett. Jeder der Männer verging sich an ihr. Ihr Mann musste zusehen. Sie vergewaltigten auch die 2-jährige Tochter. Die schrie und schrie, blutete. Dann schleppten die Rebellen Marie in den Busch und vergewaltigten sie weiter. Nach vier Tagen verschwanden die Rebellen und ließen Marie und die anderen Frauen im Unterholz zurück. Blutend, ohne Hilfe. "Viele sind an den Verletzungen gestorben", sagt Marie.
Sie steht auf und ruft ihre 15-jährige Nachbarin herbei. Regennass, mit dickem Bauch schlüpft das Mädchen mit vier weiteren Frauen in die Hütte. Unter Schmerzen setzen sie sich auf eine Couch. Von der Unterleibsinfektion habe sie sich nie erholt, gesteht das Mädchen. Ob sie die Kindsgeburt überleben werde, wisse sie nicht. Alle Frauen sind im neunten Monat schwanger, alle wurden vergewaltigt.
Straffe Befehlskette
Was in Luvungi geschah, das geschieht in den Wäldern Ostkongos fast jeden Tag. Seit 16 Jahren, seitdem die ruandischen Hutu-Milizen nach dem Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 in den Kongo flohen und sich dort neu formierten. Sie begehen diese Taten nicht willkürlich oder wahllos. Es ist ein systematischer, von FDLR-Anführern befohlener und brutal ausgeführter Terror.
Die FDLR funktioniert wie eine Exilregierung, verstreut über mehrere Länder: mit einem gewählten Präsidenten, zwei Stellvertretern und Kommissaren, die Funktionen ausüben wie Minister eines Kabinetts. Sie verfügt über eine straff organisierte Armee. Deren Kommandeure sind Generäle der ehemaligen ruandischen Armee, die den Genozid mit beging und dann in den Kongo floh. Viele von ihnen wurden einst in europäischen Militärakademien ausgebildet. Es gibt eine klare Befehlskette.
So auch für die Vergewaltigungen von Luvungi: Der ausführende Kommandeur vor Ort hört auf den Kriegsnamen Lionceau (Kleiner Löwe), er ist im 2. Bataillon für die Goldminen zuständig. Als Unteroffizier hat er keine Befehlsgewalt. Sein Vorgesetzter und Bataillonschef ist Oberstleutnant Evariste Kanzeguhera alias Sadiki, der wiederum die Befehle aus dem Militärhauptquartier erhält, wo General Mudacumura das Sagen hat.
Die Spitze der Befehlskette geht aus den 74 Paragrafen der FDLR-Verfassung hervor. Sie wurde in einem Heft auf kariertem Papier mit sauberer Handschrift niedergeschrieben. Unterzeichnet hat sie der in Deutschland lebende FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka am 24. Mai 2005 in Masisi, im Ostkongo. Entscheidend für die Rolle des Präsidenten ist Paragraf 23: "Die FDLR ist eine hierarchische Organisation.
Die höherstehenden Organe können die Weisungen an die untergeordneten Organe ändern oder annullieren." In Paragraf 24 sind die Aufgaben des Präsidenten festgeschrieben: "Das Oberkommando der Streitkräfte wahrnehmen" sowie "nach der Beratung mit dem Widerstandskomitee den Streitkräften Befehle zu erteilen sowie diese wieder aufzuheben."
Murwanashyaka und sein Stellvertreter Straton Musoni wurden am 17. November 2009 in Deutschland verhaftet; am 4. Mai 2011 beginnt in Stuttgart der Prozess gegen sie. Für die Massenvergewaltigung von Luvungi können sie nicht angeklagt werden, die geschah erst, als sie schon hinter Gittern saßen. Es geht insgesamt um die Frage: Kann die deutsche Generalbundesanwaltschaft nachweisen, dass Murwanashyaka und Musoni von Deutschland aus über die sogenannte Vorgesetztenverantwortlichkeit für ihre Kämpfer verfügen und damit für Kriegsverbrechen verantwortlich sind, die von der FDLR im Kongo begangen wurden?
Vor Gericht werden Loglisten der Telefonverbindungen eine zentrale Rolle spielen. Diese beweisen: Mudacumura telefonierte von seinem Satellitentelefon im Hauptquartier bei Kimua regelmäßig mit Murwanashyaka in Mannheim. Auch SMS und E-Mails schrieben sie sich. Im März 2009 fing die UNO einen Funkspruch ab, den Mudacumura vom Hauptquartier aus an seine Bataillone im Feld sendete. Dieser lautete: "Die Bevölkerung angreifen, um eine humanitäre Katastrophe zu verursachen."
Das war eine Reaktion auf zunehmende kongolesische Armeeoffensiven gegen die FDLR. Seit diesem Befehl ereignen sich auf FDLR-Territorium regelmäßig Massaker, brutale Überfälle und systematische Vergewaltigungen. So auch in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2009, als rund 1.500 Häuser im Dorf Busurungi in Flammen aufgingen.
Verbrannte Erde
Busurungi ist eine Siedlung zwischen vier Hügeln, 60 Kilometer südöstlich von Luvungi, tief im FDLR-Gebiet. Satellitenaufnahmen vor und nach dem Angriff lassen erkennen: Dort, wo einst Umrisse von Hütten zu erkennen waren, befindet sich nur noch verbrannte Erde.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sowie das kongolesische Forschungsinstitut Pole haben Überlebende aus Busurungi in Ostkongos Flüchtlingslagern gefunden. Deutsche Ermittler vernahmen diese Zeugen in einem Hotelzimmer in der ruandischen Grenzstadt Gisenyi. Laut diesen wurden in jener Nacht 94 Menschen dort ermordet, darunter mindestens 25 Kinder und 23 Frauen. Einige waren festgebunden worden. "Sie haben ihnen die Kehle durchgeschnitten wie Hühnern", berichtet ein Zeuge. Busurungi soll im Verfahren in Stuttgart eine zentrale Rolle spielen.
"Ein Haufen wilder Tiere"
Zwei der Täter von Busurungi ist es gelungen, ihrem Kommando zu entkommen. Jetzt hocken sie jenseits der Vulkane, die Ostkongo von Ruanda trennen, in einem Camp aus Wellblechhütten in Ruanda: Mutobo, das Auffanglager für Ex-FDLR-Kämpfer. Nkindi, 32, und Mustafa, 35, dienten im Kongo in der Reservebrigade, die nahe dem Hauptquartier stationiert ist. Unterleutnant Nkindi führte in Busurungi einen Zug von 20 Mann, Oberstleutnant Mustafa hatte eine Kompanie mit rund 100 Mann unter seinem Kommando. Er wurde in jener Nacht angeschossen. Er stellt fest: "Die FDLR ist wie ein Haufen wilder Tiere, Verletzte sind nichts mehr wert."
Vor wenigen Wochen gelang es den beiden, davonzuschleichen. Vor ihrer Flucht schickten sie Frauen und Kinder nach Ruanda, zur Sicherheit. "Wenn sie einen schnappen, hacken sie dir den Kopf ab", erklären sie. Sie flüchteten nachts, krochen durch das Unterholz, bis sie bei Walikale auf UN-Blauhelme stießen und sich ergaben. Die UNO brachte sie nach Mutobo. Hier müssen sie lernen, sich in einem Leben ohne Krieg zurechtzufinden.
Mustafa kramt eine Digitalkamera hervor, liebevoll betrachtet er Fotos seiner vier Kinder. "Ich wollte sie nicht im Dschungel aufwachsen lassen", sagt er. Er hat selbst keinen Schulabschluss. Als der Völkermord 1994 an den Tutsi begann, war er 17. Wie Millionen Hutu floh auch er in den Ostkongo, als die Tutsi-Befreiungsarmee unter der Führung des heutigen Präsidenten Paul Kagame Ruanda eroberte und die Hutu-Milizen in den Kongo vertrieb. Die formierten sich im Kongo neu. "Ich wurde zwangsrekrutiert", sagt er. Er durchlief später im Hauptquartier ein Offizierstraining. Nkindi hat ein ähnliches Schicksal: Als 19-Jähriger geriet er in einen Hinterhalt. Die Rebellen verschleppten ihn. Auch er besuchte die Offiziersschule. Artig schlägt er die Hacken zusammen und salutiert.
Wenn Mustafa und Nkindi über Busurungi sprechen, klingt dies wie aus einem Militärhandbuch: nüchtern, sachlich, präzise. Aus ihren Berichten wird deutlich: Es war eine komplexe Operation - mit einer strikten, übersichtlichen Befehlskette: Militärchef Mudacumura gab den Befehl an den Kommandeur der Reservebrigade, Oberst Lucien Nzabamwita alias Kalume. Dieser ernannte Oberstleutnant Wellars Nsengiyumva alias Sirius zum Einsatzleiter, der auch in jener Nacht des Angriffs vor Ort war und die Truppen befehligte.
Sirius war Mustafas und Nkindis direkter Vorgesetzter. Er erteilte ihnen den Befehl: "Erschießt alle, brennt Busurungi nieder!" Der Grund, erklärt Nkindi: "Erstens, damit die Bevölkerung fliehen muss. Zweitens, damit die Soldaten sich nicht verstecken können. Drittens, um die Bevölkerung gegen die Armee aufzuhetzen, damit sie diese nicht mehr unterstützt."
Der Angriff auf Busurungi wurde sorgfältig vorbereitet. Bereits am 4. Mai musste Nkindi das Dorf ausspionieren. Die kongolesischen Soldaten hatten sich in den Häusern der Bewohner verschanzt, er sah den Armee-Kommandeur in einer Hütte ein- und ausgehen. Dies berichtete Nkindi Kommandeur Kalume. Am 8. Mai bestellte dieser seine Offiziere ein.
Auch Mustafa war dabei: "An diesem Tag haben wir die Entscheidung zum Angriff getroffen", sagt er. Doch um die Operation auzuführen, benötigten sie eine Genehmigung "von oben", sagt Mustafa. Kommandeur Kalume erstattete seinem Chef Mudacumura im Hauptquartier Bericht. Dieser schickte am frühen Nachmittag des 9. Mai seinem Vorgesetzten in Mannheim, FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka, vier Textnachrichten. Kurz nach 16 Uhr antwortete Murwanashyaka.
Zu diesem Zeitpunkt hockten 400 Kämpfer nahe Busurungi im Dschungel. Nachdem Murwanashyakas SMS eintraf, marschierten sie los, nachts um 2 Uhr schlugen sie los. "Ein Überraschungsangriff", erinnert sich Nkindi. "Nach knapp 20 Minuten Feuergefecht zogen wir uns zurück." Im Morgengrauen des 10. Mai stürmten sie das Dorf. "Die Soldaten rannten davon", sagt Nkindi. Die Rebellen zündeten die Strohdächer an, das Dorf brannte lichterloh. Sie töteten jeden, dem nicht die Flucht gelang. "Operationsleiter Sirius stand in der Dorfmitte und gab die Befehle", bestätigt Nkindi. Um 6 Uhr rief dieser zum Rückzug.
All dies ist genau dokumentiert. Für die Frage der Vorgesetztenverantwortung vor Gericht ist entscheidend: Die Truppen trafen sich zur Besprechung. Danach funkte Sirius seinen Bericht an Brigadechef Kalume, der ihn an Mudacumura via Satellitentelefon weitergab. Mudacumura schickte am nächsten Tag wieder eine SMS nach Deutschland.
Für die Rebellen war der Angriff ein Erfolg, so Nkindi - seitdem kontrollieren sie wieder das Gebiet. Sechs Monate nach dem Angriff wird Murwanashyaka am 17. November 2009 in Deutschland verhaftet.
Oberst im Bayern-Trikot
Murwanashyakas Verhaftung war "der Anfang vom Ende der FDLR", gesteht Oberst Dmitrie - einer der höchsten FDLR-Kommandeure, die je den Busch verlassen haben. Er war einst im Hauptquartier Sekretär des Oberkommandos. Heute sitzt der große Mann in Mutobo, versteckt seine ergrauten Haare unter einer Kappe mit Deutschland-Flagge und trägt ein Bayern-München-Trikot: "Ich liebe Bayern München" schwärmt er und gesteht: "Viele FDLR-Kämpfer verfolgen die Bundesliga, weil unser Chef in Deutschland lebt."
Dmitrie bestätigt: "Jeder einfache Kämpfer kennt den Namen Ignace Murwanashyaka, sie glauben an ihn." Seitdem dieser im Gefängnis sitze, sei die Kampfmoral dahin. Auch er selbst entschied, zu desertieren. Es war eine waghalsige Flucht, die er über ein Jahr lang vorbereiten musste. In dieser Zeit sah er die Führungsstruktur kollabieren. Als am 11. Oktober 2010 schließlich Exekutivsekretär Callixte Mbarushimana in Paris verhaftet und später an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt wurde, "brach unsere Repräsentanz in Europa endgültig zusammen", sagt er.
Die FDLR hat sich jetzt eine neue, provisorische Führung gegeben, die nicht mehr in Europa lebt. Die seit 2010 überfälligen Präsidentschaftswahlen wurden auf 2016 zu verschoben. "Alle gehen davon aus, dass Murwanashyaka freigesprochen wird und dann wieder übernehmen kann", sagt Dmitrie. Daran mag er selbst aber nicht glauben. "Ich habe eingesehen, dass wir erledigt sind", nickt er. Noch nie seien so viele Kämpfer geflohen wie nach der Verhaftung: Laut UN-Zahlen knapp 1.600. Insgesamt brachte die UNO seit 2002 rund 10.000 ruandische Hutu-Kämpfer aus dem Kongo zurück in ihre Heimat. Maximal 2.000 sollen noch übrig sein.
Die Militäroperationen zeigen mittlerweile Wirkung. Viermal hat Kongos Armee das Hauptquartier bei Kimua angegriffen, zuletzt im Januar. Zwar können sie die Hügel im Urwald nicht halten. Doch immerhin: Mudacumura - alt, dicklich und Alkoholiker - musste flüchten.
Auf dem Rückzug
Auf einem Hügel über dem Dorf Luvungi stapft Polizeikommandeur Josephat Mutayongwa durch sein Camp. Von hier aus lässt sich die Straße überblicken. Er zeigt auf die Zelte, 93 Polizisten hausen darin auf Feldbetten. Gekocht wird auf einer Feuerstelle. Ein paar Polizisten werkeln an einem Plumpsklo. Mutayongwas Einheit ist seit März hier stationiert. Es ist eine Elitetruppe: Von Polizisten der EU trainiert, mit zwei Fahrzeugen ausgestattet. Wöchentlich kommt die UNO vorbei - ein ehrgeiziger Versuch, einen Vorposten im FDLR-Territorium zu halten. Die Polizisten patrouillieren in den Dschungel hinein, fahren die Straße ab. Am 23. April wehrten sie einen Hinterhalt der FDLR ab.
Die Polizeipräsenz zeigt Erfolge: Die FDLR hat sich jenseits des Osa-Flusses zurückgezogen - immerhin sieben Stunden zu Fuß entfernt. Und die vergewaltigte Marie ist froh, dass sich der FDLR-Chef jetzt vor Gericht verantworten muss. "Wenn die deutschen Richter noch Opfer benötigen, die gegen die FDLR aussagen, dann bin ich bereit", sagt sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit